Patienten mit einer diastolischen Herzinsuffizienz sprechen auf medikamentöse Therapien kaum an, umso wichtiger ist hier die Prävention. Eine aktuelle Studie zeigt nun: Bei niedrigem Body-Mass-Index und vermehrter körperlicher Bewegung ist das Risiko für eine diastolische Herzschwäche deutlich vermindert – anders als das Risiko für eine systolische Herzinsuffizienz. Die retrospektive Studie wurde vor kurzem im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht [1].

Prof. Dr. Martin Halle
„Die Untersuchung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert“, erklärt Prof. Dr. Martin Halle vom Zentrum für Prävention und Sportmedizin am Münchener Klinikum rechts der Isar im Gespräch mit Medscape. Zum einen: „Die retrospektive Studie offenbart einen überraschend hohen Anteil von Patienten mit einer diastolischen Herzinsuffizienz“, sagt er. Tatsächlich verzeichneten die Autoren unter den 3.180 dokumentierten Herzinsuffizienzen ein Drittel mehr diastolische (n = 1.252) als systolische (n = 914) Herzschwächen (der Rest blieb unklassifiziert).
Bedeutend ist dieses Resultat vor allem, weil bislang keine evidenzbasierte, die Prognose verbessernde Therapie der diastolischen Herzinsuffizienz (Herzinsuffizienz mit erhaltener/preserved Ejektionsfraktion, HFpEF) existiert. Auf die Medikamente, die bei der systolischen Herzinsuffizienz (Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion, HFrEF) eingesetzt werden, sprechen die Patienten mit erhaltener Auswurffraktion kaum an. „Die Patienten mit diastolischer Herzinsuffizienz weisen aber eine fast so hohe Hospitalisierungsrate und Mortalität auf wie die Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz“, sagt Halle.
Umso wichtiger sind für die Patienten präventive Maßnahmen, um die Progression der Erkrankung zu verhindern und die Mortalität zu senken. „Dies ist die wesentliche Konsequenz aus der Studie: Regelmäßige körperliche Aktivität kann dosisabhängig das Risiko für eine diastolische Herzinsuffizienz senken“, so Halle.
Erstmals wurden diastolische und systolische Herzinsuffizienz getrennt betrachtet
Schon zuvor hatten verschiedene Studien gezeigt, dass Inaktivität generell ein Risikofaktor für Herzinsuffizienz ist und dass ein hoher Level körperlicher Aktivität bei der Entstehung der Herzinsuffizienz protektiv wirkt. Allerdings hatte noch keine Studie untersucht, ob sich mangelnde körperliche Aktivität unterschiedlich stark auf das Risiko einer diastolischen oder einer systolischen Herzinsuffizienz auswirkt.
Eine solch differenzierte Analyse erfolgte nun erstmals durch Dr. Ambarish Pandey, University of Texas Southwestern Medical Center, Dallas, und seinen Kollegen – mit gepoolten Patientendaten aus 3 fortlaufenden populationsbasierten Studien: WHI (Women’s Health Initiative), CHS (Cardiovascular Health Study) und MESA (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis).
Zusammengenommen stützten sich die Wissenschaftler auf die Daten von 51.451 Studienteilnehmern (ohne eingangs bekannte Herzinsuffizienzen oder -infarkte), die bei Studienbeginn ihren Body-Mass-Index (BMI) und Details zu ihrer körperlichen Aktivität in der Freizeit angaben. Follow-up-Untersuchungen in den jeweiligen Studien lieferten zudem Informationen zum kardiovaskulären Status.
In 645.515 Personenjahren wurden so insgesamt 3.180 Herzinsuffizienzen dokumentiert: 39,4% waren diastolische Herzinsuffizienzen (n = 1.252; Ejektionsfraktion ≥ 45%), 28,7% systolische Herzinsuffizienzen (n = 914; Ejektionsfraktion < 45%) und 31,9% der Herzinsuffizienzen blieben unklassifiziert.
BMI und Sport wirken sich fast nur auf das diastolische Herzinsuffizienzrisiko aus
In der gepoolten Analyse zeigten sich zunächst, wie auch schon in früheren Untersuchungen, dosis-abhängige Assoziationen zwischen der körperlichen Aktivität in der Freizeit, dem BMI und dem allgemeinen Herzinsuffizienzrisiko.
Der differenziertere Blick auf die 2 Formen der Herzinsuffizienz offenbarte überdies, dass sich die Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei beiden Herzinsuffizienzen deutlich unterschieden. So konnte etwa zwischen der diastolischen Herzinsuffizienz und der körperlichen Aktivität in der Freizeit eine deutliche dosisabhängige inverse Assoziation dokumentiert werden: Patienten, die beispielsweise doppelt so viel Sport in ihrer Freizeit trieben wie in Leitlinien empfohlen (> 1.000 Aktivitätsminuten/Woche), wiesen im Vergleich zu Patienten ohne körperliche Aktivität ein um 19% verringertes Risiko für eine diastolische Herzinsuffizienz auf.
Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz hätten dagegen offenbar noch so viel Sport treiben können: Auf ihr Herzinsuffizienzrisiko wirkte sich die körperliche Freizeitertüchtigung jedenfalls nicht statistisch signifikant aus.
Und auch der BMI hatte vor allem Einfluss auf das Risiko einer diastolischen Herzinsuffizienz; die inverse Dosis-Wirkungsbeziehung erwies sich bei der diastolischen Herzinsuffizienz als deutlich ausgeprägter und linearer als bei der systolischen. So erhöhte sich das Risiko für eine diastolische Herzinsuffizienz bereits bei leichtem Übergewicht (BMI 25 bis unter 30 kg/m2) um 38% und bei adipösen Patienten (BMI 30 bis unter 35 kg/m2) um 56% (im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten mit einem BMI unter 25 kg/m2).
Das Risiko, eine systolische Herzinsuffizienz zu entwickeln, stieg dagegen erst bei extrem adipösen Patienten (≥ 35 kg/m2) deutlich an: systolische Herzinsuffizienz +49%, diastolische Herzinsuffizienz +172%.
„Auffallend war zudem, dass Studienteilnehmer, die sich regelmäßig bewegten, im Vergleich zu den Teilnehmern, die keinen Freizeitsport betrieben, sowohl generell einen signifikant geringeren BMI als auch einen niedrigeren systolischen Blutdruck aufwiesen sowie seltener unter Diabetes mellitus litten“, so Halle. Mit der regelmäßigen körperlichen Aktivität konnten die bereits bekannten Risikofaktoren einer diastolischen Herzinsuffizienz also offenbar positiv beeinflusst werden.
Diabetes & Co. ebnen den Weg für eine diastolische Herzinsuffizienz
Prof. Dr. Sanjiv J. Shah von der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Illinois, USA, sieht in den vorliegenden Ergebnissen ebenfalls eine Bestätigung der Hypothese, dass die Ursachen der diastolischen Herzinsuffizienz (im Gegensatz zur systolischen Herzinsuffizienz) eher in der Peripherie – als Folge von Hypertonie, Übergewicht, Diabetes u.a. – zu suchen sind, wie er in seinem begleitenden Editorial schreibt [2].
„Verschiedene Studien wiesen bereits darauf hin, dass ein Mangel an körperlicher Aktivität zu Anomalien in verschiedenen Organsystemen und molekularen Signalwegen führt, welche wiederum einen ‚perfekten Sturm’ für die Entwicklung und das Fortschreiten der diastolischen Herzinsuffizienz hervorrufen“, so Shah. Verstärkte körperliche Aktivität und Fitness könnten demzufolge einer solchen Entwicklung entgegenwirken.
Mehr Sport = geringeres Risiko für diastolische Herzinsuffizienz – eigentlich ganz einfach, oder?
Der Kardiologe und Sportmediziner Halle ergänzt, dass die durch Pandey und seine Kollegen belegten Effekte nicht mit einem gemütlichen Spaziergang hie und da zu erzielen sind. Eine deutliche Reduktion des Risikos für diastolische Herzinsuffizienz habe sich erst gezeigt, als die Teilnehmer mindestens doppelt so viel Sport trieben wie in aktuellen Leitlinien empfohlen (also z.B. mind. 300 Minuten pro Woche zügiges Gehen oder 150 Minuten Joggen pro Woche).
Shah zieht ein vergleichbares Fazit wie Halle: Mit mehr Freizeitsport ließe sich die Prävalenz der diastolischen Herzinsuffizienz ganz einfach und mit geringem finanziellem Aufwand senken. Allerdings, fügt er hinzu, müsste man dazu einen beträchtlichen Anteil der Bevölkerung im mittleren Lebensalter zu mehr körperlicher Bewegung motivieren. Nicht unbedingt realistisch, wie Shah anmerkt.
Aber zumindest Menschen mit einem erhöhten Risiko für eine diastolische Herzinsuffizienz oder Patienten in einem frühen Krankheitsstadium könnten gezielt in speziellen Gesundheitszentren behandelt werden, schlägt er vor. Einen Namen hätte er jedenfalls schon für diese Sportstätten: „Huff-Puff-Gesundheits-Clubs“ – in Anlehnung an die typische Kurzatmigkeit der Patienten bei Belastung.
REFERENZEN:
1. Pandey A, et al: J Am Coll Cardiol. 2017;69(9):1129-1142
2. Shah SJ: J Am Coll Cardiol. 2017;69(9):1143-1146
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Diesen Artikel so zitieren: Prävention ist alles: Viel Sport scheint – dosisabhängig – vor diastolischer Herzinsuffizienz zu schützen - Medscape - 16. Mär 2017.
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