Prävention ist alles: Viel Sport scheint – dosisabhängig – vor diastolischer Herzinsuffizienz zu schützen

Inge Brinkmann

Interessenkonflikte

16. März 2017

Patienten mit einer  diastolischen Herzinsuffizienz sprechen auf medikamentöse Therapien kaum an,  umso wichtiger ist hier die Prävention. Eine aktuelle Studie zeigt nun: Bei niedrigem Body-Mass-Index und vermehrter körperlicher  Bewegung ist das Risiko für eine diastolische Herzschwäche deutlich vermindert –  anders als das Risiko für eine systolische Herzinsuffizienz. Die retrospektive  Studie wurde vor kurzem im Journal of the  American College of Cardiology veröffentlicht [1].

           

Prof. Dr. Martin Halle

           

„Die Untersuchung ist in  mehrfacher Hinsicht bemerkenswert“, erklärt Prof. Dr. Martin Halle vom Zentrum für Prävention und Sportmedizin  am Münchener Klinikum rechts der Isar im Gespräch mit Medscape. Zum einen: „Die retrospektive Studie offenbart einen  überraschend hohen Anteil von Patienten mit einer diastolischen  Herzinsuffizienz“, sagt er. Tatsächlich verzeichneten die Autoren unter den  3.180 dokumentierten Herzinsuffizienzen ein Drittel mehr diastolische (n = 1.252)  als systolische (n = 914) Herzschwächen (der Rest blieb unklassifiziert).

Bedeutend  ist dieses Resultat vor allem, weil bislang keine evidenzbasierte, die Prognose  verbessernde Therapie der diastolischen Herzinsuffizienz (Herzinsuffizienz mit  erhaltener/preserved Ejektionsfraktion, HFpEF) existiert. Auf die Medikamente,  die bei der systolischen Herzinsuffizienz (Herzinsuffizienz mit reduzierter  Ejektionsfraktion, HFrEF) eingesetzt werden, sprechen die Patienten mit  erhaltener Auswurffraktion kaum an. „Die Patienten mit diastolischer  Herzinsuffizienz weisen aber eine fast so hohe Hospitalisierungsrate und  Mortalität auf wie die Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz“, sagt  Halle.

Umso  wichtiger sind für die Patienten präventive Maßnahmen, um die Progression der  Erkrankung zu verhindern und die Mortalität zu senken. „Dies ist die wesentliche Konsequenz aus der  Studie: Regelmäßige körperliche Aktivität kann dosisabhängig das Risiko für  eine diastolische Herzinsuffizienz senken“, so Halle.

Erstmals wurden diastolische und  systolische Herzinsuffizienz getrennt betrachtet

Schon  zuvor hatten verschiedene Studien gezeigt, dass Inaktivität generell ein  Risikofaktor für Herzinsuffizienz ist und dass ein hoher Level körperlicher  Aktivität bei der Entstehung der Herzinsuffizienz protektiv wirkt. Allerdings  hatte noch keine Studie untersucht, ob sich mangelnde körperliche Aktivität  unterschiedlich stark auf das Risiko einer diastolischen oder einer  systolischen Herzinsuffizienz auswirkt.

Eine solch  differenzierte Analyse erfolgte nun erstmals durch Dr. Ambarish Pandey, University of Texas Southwestern Medical  Center, Dallas, und seinen Kollegen – mit gepoolten Patientendaten aus 3  fortlaufenden populationsbasierten Studien: WHI (Women’s Health Initiative),  CHS (Cardiovascular Health Study) und MESA (Multi-Ethnic Study of  Atherosclerosis).

 
Die Untersuchung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Prof. Dr. Martin Halle
 

Zusammengenommen  stützten sich die Wissenschaftler auf die Daten von 51.451 Studienteilnehmern  (ohne eingangs bekannte Herzinsuffizienzen oder -infarkte), die bei Studienbeginn  ihren Body-Mass-Index (BMI) und Details zu ihrer körperlichen Aktivität in der  Freizeit angaben. Follow-up-Untersuchungen in den jeweiligen Studien lieferten  zudem Informationen zum kardiovaskulären Status.

In  645.515 Personenjahren wurden so insgesamt 3.180 Herzinsuffizienzen  dokumentiert: 39,4% waren diastolische Herzinsuffizienzen (n = 1.252;  Ejektionsfraktion ≥ 45%), 28,7% systolische Herzinsuffizienzen (n = 914;  Ejektionsfraktion < 45%) und 31,9% der Herzinsuffizienzen blieben  unklassifiziert.

BMI und Sport wirken sich fast nur auf das  diastolische Herzinsuffizienzrisiko aus

In der  gepoolten Analyse zeigten sich zunächst, wie auch schon in früheren  Untersuchungen, dosis-abhängige Assoziationen zwischen der körperlichen  Aktivität in der Freizeit, dem BMI und dem allgemeinen Herzinsuffizienzrisiko.

 
Dies ist die wesentliche Konsequenz aus der Studie: Regelmäßige körperliche Aktivität kann dosisabhängig das Risiko für eine diastolische Herzinsuffizienz senken. Prof. Dr. Martin Halle
 

Der  differenziertere Blick auf die 2 Formen der Herzinsuffizienz offenbarte  überdies, dass sich die Dosis-Wirkungs-Beziehungen bei beiden  Herzinsuffizienzen deutlich unterschieden. So konnte etwa zwischen der  diastolischen Herzinsuffizienz und der körperlichen Aktivität in der Freizeit eine  deutliche dosisabhängige inverse Assoziation dokumentiert werden: Patienten,  die beispielsweise doppelt so viel Sport in ihrer Freizeit trieben wie in  Leitlinien empfohlen (> 1.000 Aktivitätsminuten/Woche), wiesen im Vergleich  zu Patienten ohne körperliche Aktivität ein um 19% verringertes Risiko für eine  diastolische Herzinsuffizienz auf.

Patienten  mit systolischer Herzinsuffizienz hätten dagegen offenbar noch so viel Sport  treiben können: Auf ihr Herzinsuffizienzrisiko wirkte sich die körperliche Freizeitertüchtigung  jedenfalls nicht statistisch signifikant aus.

Und auch  der BMI hatte vor allem Einfluss auf das Risiko einer diastolischen  Herzinsuffizienz; die inverse Dosis-Wirkungsbeziehung erwies sich bei der diastolischen  Herzinsuffizienz als deutlich ausgeprägter und linearer als bei der systolischen.  So erhöhte sich das Risiko für eine diastolische Herzinsuffizienz bereits bei  leichtem Übergewicht (BMI 25 bis unter 30 kg/m2) um 38% und bei adipösen Patienten (BMI 30 bis unter 35 kg/m2)  um 56% (im Vergleich zu normalgewichtigen Patienten mit einem BMI unter 25 kg/m2).

Das  Risiko, eine systolische Herzinsuffizienz zu entwickeln, stieg dagegen erst bei  extrem adipösen Patienten (≥ 35  kg/m2)  deutlich an: systolische Herzinsuffizienz +49%, diastolische Herzinsuffizienz  +172%.

„Auffallend  war zudem, dass Studienteilnehmer, die sich regelmäßig bewegten, im Vergleich  zu den Teilnehmern, die keinen Freizeitsport betrieben, sowohl generell einen  signifikant geringeren BMI als auch einen niedrigeren systolischen Blutdruck  aufwiesen sowie seltener unter Diabetes mellitus litten“, so Halle. Mit der  regelmäßigen körperlichen Aktivität konnten die bereits bekannten  Risikofaktoren einer diastolischen Herzinsuffizienz also offenbar positiv  beeinflusst werden.

Diabetes & Co. ebnen den Weg für eine  diastolische Herzinsuffizienz

Prof. Dr. Sanjiv J. Shah von der Northwestern University Feinberg  School of Medicine in Illinois, USA, sieht in den vorliegenden Ergebnissen  ebenfalls eine Bestätigung der Hypothese, dass die Ursachen der diastolischen  Herzinsuffizienz (im Gegensatz zur systolischen Herzinsuffizienz) eher in der  Peripherie – als Folge von Hypertonie, Übergewicht, Diabetes u.a. – zu suchen  sind, wie er in seinem begleitenden Editorial schreibt [2].

„Verschiedene  Studien wiesen bereits darauf hin, dass ein Mangel an körperlicher Aktivität zu  Anomalien in verschiedenen Organsystemen und molekularen Signalwegen führt,  welche wiederum einen ‚perfekten Sturm’ für die Entwicklung und das  Fortschreiten der diastolischen Herzinsuffizienz hervorrufen“, so Shah.  Verstärkte körperliche Aktivität und Fitness könnten demzufolge einer solchen  Entwicklung entgegenwirken.

Mehr Sport = geringeres Risiko für  diastolische Herzinsuffizienz – eigentlich ganz einfach, oder?

Der  Kardiologe und Sportmediziner Halle ergänzt, dass die durch Pandey und seine  Kollegen belegten Effekte nicht mit einem gemütlichen Spaziergang hie und da zu  erzielen sind. Eine deutliche Reduktion des Risikos für diastolische  Herzinsuffizienz habe sich erst gezeigt, als die Teilnehmer mindestens doppelt  so viel Sport trieben wie in aktuellen Leitlinien empfohlen (also z.B. mind.  300 Minuten pro Woche zügiges Gehen oder 150 Minuten Joggen pro Woche).

Shah  zieht ein vergleichbares Fazit wie Halle: Mit mehr Freizeitsport ließe sich die  Prävalenz der diastolischen Herzinsuffizienz ganz einfach und mit geringem  finanziellem Aufwand senken. Allerdings, fügt er hinzu, müsste man dazu einen  beträchtlichen Anteil der Bevölkerung im mittleren Lebensalter zu mehr  körperlicher Bewegung motivieren. Nicht unbedingt realistisch, wie Shah  anmerkt.

Aber  zumindest Menschen mit einem erhöhten Risiko für eine diastolische  Herzinsuffizienz oder Patienten in einem frühen Krankheitsstadium könnten  gezielt in speziellen Gesundheitszentren behandelt werden, schlägt er vor. Einen  Namen hätte er jedenfalls schon für diese Sportstätten:  „Huff-Puff-Gesundheits-Clubs“ – in Anlehnung an die typische Kurzatmigkeit der  Patienten bei Belastung.



REFERENZEN:

1. Pandey A, et al: J Am Coll Cardiol.  2017;69(9):1129-1142

2. Shah SJ: J Am Coll Cardiol. 2017;69(9):1143-1146

 

Kommentar

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