„Potenzpille“ zur Prävention: Senken PDE-5-Hemmer das kardiovaskuläre Risiko nach Herzinfarkt?

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

14. März 2017

Washington – Bei Männern, die nach einem Herzinfarkt wegen einer erektilen Dysfunktion mit PDE-5-Hemmern wie Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil behandelt werden, scheint das Risiko, an Herzinsuffizienz zu sterben oder deswegen hospitalisiert zu werden, signifikant geringer zu sein, als bei Männern, die keine PDE-5-Hemmer nehmen. Dr. Daniel Peter Andersson, Abteilung für Endokrinologie, Metabolismus und Diabetes, Karolinska Universitätsklinik, Stockholm, stellte die Ergebnisse einer großen schwedischen Kohortenstudie in einer Vorab-Pressekonferenz zur 66. Wissenschaftlichen Jahrestagung des American College of Cardiology Mitte März in Washington vor [1]. Sie wurden parallel in Heart publiziert [2].

„Die erste Schlussfolgerung aus der Studie ist, dass die Behandlung mit PDE-5-Hemmern sicher zu sein scheint“, so Prof. Dr. Paul Collison, St George’s University Hospitals NHS Foundation Trust und St George’s Universität, London, im begleitenden Editorial in Heart [3]. Die 2. Schlussfolgerung sei, dass PDE-5-Hemmer möglicherweise kardioprotektive Effekte haben könnten. „Das ist keine so ungewöhnliche Idee. Für Sildenafil konnte gezeigt werden, dass es die Infarktgröße nach Ischämie verringern kann.“ Dies müsse aber in weiteren Studien untersucht werden.

Erektile Dysfunktion als Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen

Eine erektile Dysfunktion (ED) geht bei gesunden Männern mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einher. 20 bis 40% der Männer im Alter zwischen 60 und 70 Jahren leiden unter einer ED. Die ED kann mit PDE-5-Inhibitoren wie Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil oder mit dem Prostaglandin E1 Alprostadil behandelt werden. Bislang wurde nicht untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Behandlung der ED und der Sterblichkeit sowie weiteren kardiovaskulären Ereignissen bei Männern nach einem ersten Herzinfarkt gibt.

 
Die erste Schlussfolgerung aus der Studie ist, dass die Behandlung mit PDE-5-Hemmern sicher zu sein scheint. Prof. Dr. Paul Collison
 

Dieser Frage gingen nun Andersson und seine Kollegen in einer retrospektiven Kohortenstudie mit Daten aus dem schwedischen Patientenregister nach. Alle Männer wurden erfasst, die zwischen 2007 und 2013 einen Herzinfarkt erlitten hatten (n = 43.145). Hiervon nahmen 3.068 (7%) ein Medikament wegen ED ein, 40.077 wurden nicht behandelt. 92% der wegen ED behandelten Patienten erhielten einen PDE-5-Inhibitor, 8% Alprostadil. Die Probanden wurden im Mittel 3,3 Jahre nachbeobachtet.

PDE-5-Hemmer zur Kardioprotektion?

Männer, deren ED therapiert wurde, hatten ein um 33% niedrigeres Sterberisiko (adjustierte Hazard Ratio: 0,67) und ein um 40% niedriges Risiko, wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus zu müssen (adjustierte HR: 0,60). Die Mortalität wurde nur bei Behandlung mit PDE-5-Inhibitoren, nicht jedoch bei Behandlung mit Alprostadil gesenkt.

 
Wir meinen, dass ein aktives Sexualleben eventuell ein Indikator für einen gesunden Lebensstil ist, vor allem bei den 70- bis 80-Jährigen. Dr. Daniel Peter Andersson und Kollegen
 

Patienten, denen häufiger PDE-5-Inhibitoren verordnet worden waren, schienen einen höheren kardiovaskulären Nutzen zu haben. Andersson wies jedoch darauf hin, dass dieser Trend nur mit großer Vorsicht betrachtet werden dürfe, weil die Studie nicht groß genug war, um eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festzustellen. Er wies auch darauf hin, dass das retrospektive Design der Studie es verbiete, einen direkten Nutzen von PDE-5-Hemmern für die kardiovaskuläre Gesundheit abzuleiten.

Die Männer, die wegen ED behandelt worden sind, seien insgesamt gesünder gewesen, als die Patienten ohne ED-Therapie. Möglicherweise deute die Einnahme der ED-Therapie nur darauf hin, dass diese Männer ein aktiveres Sexualleben gehabt hätten, was für sich schon zu einem insgesamt gesünderen Lebensstil beigetragen haben könne. „Wir meinen, dass ein aktives Sexualleben eventuell ein Indikator für einen gesunden Lebensstil ist, vor allem bei den 70- bis 80-Jährigen“, schreiben Anderson und seine Kollegen. Wenn ein Patient nach Herzinfarkt nach einer Möglichkeit zur Behandlung seiner ED fragt und wenn keine Kontraindikationen für einen PDE-5-Hemmer vorliegen, kann man diesen, basierend auf diesen Ergebnissen, sicher verordnen.“

Die Aussagekraft der Studie wird weiterhin dadurch eingeschränkt, dass der Familienstand, das Haushaltseinkommen und weitere Lifestyle-Faktoren nicht erhoben wurden, die sowohl mit der ED-Therapie als auch mit der Prognose assoziiert sein können. Als wichtigsten limitierenden Faktor der Studie bezeichnete Andersson die Tatsache, dass nur die ED-Therapie, aber nicht die Häufigkeit der ED selbst erhoben wurde. Die Auswirkungen einer unbehandelten ED wurden in dieser Studie nicht erfasst.



REFERENZEN:

1. 66. American College of Cardiology Scientific Sessions, 17. bis 19. März 2017, Washington/USA, Vorab-Pressekonferenz

2. Anderson DP, et al: Heart (online) 9. März 2017

3. Collinson P: Heart (online) 9. März 2017

 

Kommentar

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