Darmkrebs: Mit Anfang 50 haben Männer ein fast doppelt so hohes Risiko wie Frauen – kommt die Koloskopie ab 50?

Mathias Tertilt

Interessenkonflikte

14. März 2017

Männer haben im Alter zwischen 50 und 54 Jahren fast doppelt so oft fortgeschrittene kolorektale Neoplasien wie Frauen der gleichen Altersgruppe. Das belegen die Zahlen einer aktuellen Studie, die kürzlich im Ärzteblatt veröffentlicht wurde [1]. Die Autoren um Prof. Dr. Hermann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg fordern daher frühere Vorsorgeuntersuchungen. Bisher wird etwa die Koloskopie erst ab 55 Jahren angeboten.

„Die Zahlen der Studie sind eindrucksvoll. Insbesondere zeigen sie, dass für Männer eine Koloskopie bereits ab 50 Jahren sinnvoll ist“, sagt Prof. Dr. Thomas Seufferlein von der Klinik für Innere Medizin der Universitätsklinik Ulm. „Neu ist auch, dass wir im Gegensatz zu früheren Studien nun einen direkten Vergleich mit Frauen haben.“

Einladung zur Vorsorgekoloskopie

Prof. Dr. Thomas Seufferlein

Für die Studie wurden zwischen April 2014 und 2015 84.726 Versicherte der beiden Krankenkassen AOK Baden-Württemberg und der Bosch BKK im Alter von 50 bis 54 Jahren per Post zu einer Vorsorgekoloskopie eingeladen. Voraussetzung war, dass die Patienten im Hausarztprogramm oder zusätzlich auch im Facharztprogramm der Krankenkassen eingeschrieben waren. Bei diesen Programmen übernimmt ein zuvor bestimmter Arzt die Koordination im Falle einer Behandlung, Überweisung und Dokumentation des Versicherten.

Die Teilnahmequote lag bei durchschnittlich 1,9% (n = 1.574). Bei Versicherten, die zusätzlich zum Hausarztprogramm auch im Facharztprogramm eingeschrieben waren, lag die Teilnahmequote mit 3,3% fast doppelt so hoch.

Die Hälfte der Teilnehmer wurde randomisiert zusätzlich mit einem Fragebogen zum Risiko-Check auf ein möglicherweise erhöhtes Darmkrebsrisiko aufmerksam gemacht. Zu den abgefragten Risikofaktoren zählten Geschlecht, familiäre Vorbelastung, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, körperliche Aktivität und Fettleibigkeit. Allerdings hatte der Risiko-Check keinen Einfluss auf die Teilnahme an der Vorsorgekoloskopie, die Quote lag hier sogar leicht darunter.

Zur Häufigkeit fortgeschrittener kolorektaler Neoplasien lagen bei 50- bis 54-Jährigen bislang keine Daten vor. Die Studie zeigt nun, dass die Prävalenz bei Männern im Alter zwischen 50 und 54 Jahren bei 8,6% liegt. Sie ist damit fast doppelt so hoch wie bei gleichaltrigen Frauen (4,5%; p = 0,0027) und sogar höher als bei weiblichen GKV-Versicherten aller Altersgruppen bis 79 Jahre.

 
Die Zahlen der Studie sind eindrucksvoll. Insbesondere zeigen sie, dass für Männer eine Koloskopie bereits ab 50 Jahren sinnvoll ist. Prof. Dr. Thomas Seufferlein
 

Den Nutzen der Vorsorgekoloskopie sehen die Autoren in aktuellen Studien bestätigt. „Eine Metaanalyse epidemiologischer Studien legt nahe, dass eine Vorsorgekoloskopie, bei der Darmkrebsvorstufen entdeckt und sofort entfernt werden können, die Darmkrebsinzidenz und -mortalität innerhalb der folgenden 10 Jahre um etwa 2 Drittel senken kann“, schreiben die Autoren.

Differenziertere Fragebögen nötig

Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich nicht nachvollziehen, ob die Patienten mit Risiko-Check häufiger einer Risikogruppe angehörten. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Prävalenz fortgeschrittener Neoplasien unter den Teilnehmern mit Risiko-Check nicht signifikant höher lag (p = 0,58). „Der Wahrheitsgehalt solcher Antworten ist oft schwer einzuschätzen, da die Antworten sehr subjektiv sind“, sagt Seufferlein. „Wir sehen anhand der Ergebnisse, dass wir mit Ja-Nein-Fragen letztlich nicht auf das Darmkrebsrisiko schließen können.“ Stattdessen seien differenziertere Fragebögen notwendig. Werden beispielsweise der Alkoholkonsum oder die körperliche Aktivität quantifiziert, würde das zwar die Auswertung komplexer machen, dafür wären auch die Ergebnisse aussagekräftiger.

„Auch die Teilnahmequote von 3,3% bei den bereits ins Fachprogramm eingeschriebenen Personen scheint auf den ersten Blick niedrig“, schreiben die Autoren in ihrer Arbeit. Sie führen dies darauf zurück, dass die Vorsorgekoloskopie in der Regel nur einmal in 10 Jahren in Anspruch genommen wird, es für aussagekräftigere Ergebnisse also einer Langzeitstudie mit einem Follow-up von 10 Jahren gebraucht hätte.

Seufferlein hingegen sieht in der niedrigen Teilnahmequote ein grundsätzliches Problem invasiver Vorsorgeuntersuchungen. „Die Quote liegt nur knapp über der Teilnahme beim opportunistischen Screening“, sagt er. Demnach spielt es offenbar auch keine Rolle, dass sich die Einladung bereits von vornherein an Versicherte gerichtet habe, die durch ihre Teilnahme an Hausarzt- oder Facharztprogrammen eine höhere Aufmerksamkeit gegenüber Gesundheitsfragen zeigten.



REFERENZEN:

1. Brenner H, et al: Dtsch Arztebl Int 2017;114(6):94-100

 

Kommentar

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