Zur Therapie bei krebsassoziierter Fatigue (CRF) sind Bewegung, Psychotherapie oder eine Kombination aus beidem in der Regel deutlich besser geeignet als medikamentöse Ansätze – und zwar unabhängig von Alter und Geschlecht der Patienten und der Krebsentität. Dies geht aus einer kürzlich im JAMA erschienenen Metaanalyse hervor [1].
„Die Studie macht aber auch deutlich, dass man nicht alle Krebspatienten über einen Kamm scheren kann, sondern dass auch bei CRF eine personalisierte Betreuung angezeigt ist.“ Dies betont Dr. Joachim Wiskemann, Leiter der AG „Onkologische Sport- und Bewegungstherapie“ am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg, im Gespräch mit Medscape.
Ausdauer- oder Kraftsport oder beides: Fast immer ein positiver Effekt
Die US-amerikanischen Wissenschaftler um PD Dr. Karen M. Mustian arbeiteten sich durch mehr als 17.000 Referenzen und fanden schließlich 113 relevante Studien. Diese schlossen insgesamt 11.525 Krebspatienten mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren ein. Mehr als drei Viertel von ihnen waren Frauen – kein Wunder, denn die meisten Studien zu diesem Thema gibt es für Brustkrebspatientinnen.
Anhand der Untersuchung der Effektstärken wiesen Mustian und ihre Kollegen nach, dass sowohl Bewegungsprogramme als auch psychologische Therapieansätze oder beides kombiniert die krebsbezogene Fatigue stark positiv beeinflussen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Patienten Ausdauer- oder Kraftsport betreiben oder beides kombiniert. „Es scheint allerdings wichtig zu sein, dass die Aktivität ein bestimmtes Mindestlevel erreicht“, erläutert Wiskemann gegenüber Medscape die Details.
Außerdem spielte in der Studie die Struktur der Trainingsmaßnahmen eine Rolle: „Am besten wirken offenbar Gruppenangebote mit persönlicher Betreuung der Patienten“, so der Experte. Dies sei nachvollziehbar, denn: „Viele Krebspatienten sind schon älter und seit längerer Zeit sportlich inaktiv. Sie profitieren wenig von Onlineangeboten, denn sie brauchen schon eine genauere individuelle Anleitung mit der Möglichkeit zu Rückfragen, um sich wieder mehr körperliche Bewegung zuzutrauen.“
In späteren Krankheitsstadien wird Psychotherapie wohl immer wichtiger
Die in der Metaanalyse untersuchten psychologischen Interventionen umfassten kognitiv-behaviorale Maßnahmen, Psychoedukation und in einem Fall eine eklektische Intervention. Sie hatten ebenfalls einen starken günstigen Effekt auf die CRF.
Die Kombination aus Sport und Psychoedukation zeigte insbesondere in der Subgruppe der Krebspatienten in späteren Krankheitsstadien (nach der Primärtherapie) gute Effekte. „Kognitiv-behaviorale Maßnahmen – zusätzlich zum Sport angeboten – erscheinen hier besonders aussichtsreich, denn sie bieten die Möglichkeit, mit dem Patienten ressourcenorientiert zu arbeiten und seine persönliche Situation mit all ihren Problemen und Chancen zu berücksichtigen“, nennt Wiskemann eine mögliche Erklärung.
Bestimmte Patienten profitieren sicherlich auch von Medikamenten
Dass die medikamentösen Therapien in der Metaanalyse schlecht abschnitten, liegt nach Wiskemanns Einschätzung am ehesten daran, dass sie jeweils nur einen bestimmten Aspekt der krebsbezogenen Fatigue ansprechen. So wirkt Paroxetin antidepressiv und angstlösend, Modafinil steigert die Wachheit, Dexamphetamin und Methylphenidat sind ZNS-Stimulanzien.
„Unter den vielen CRF-Patienten finden sich sicherlich auch einige, die jeweils von genau einem dieser Prinzipien profitieren“, so der Experte. „Bei ihnen könnte eine medikamentöse Therapie allein schon viel bewirken – durch Sport wird dieser Erfolg aber in der Regel noch gesteigert.“ Bei vielen anderen Patienten habe die CRF jedoch multifaktorielle Ursachen, die durch ein Medikament mit einem Wirkansatz allein nicht ausreichend gebessert werden können.
Überhaupt gilt laut Wiskemann in der CRF-Therapie ein Grundsatz, der auch in der Krebstherapie und allgemein bei allen chronischen Erkrankungen eine immer stärkere Bedeutung gewinnt: „Es gibt kein Universalrezept für alle Patienten – wichtig sind eine genaue Analyse und eine personalisierte Therapie.“
REFERENZEN:
1. Mustian KM, et al: JAMA Oncol (online) 2. März 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Fatigue bei Krebs: Sport und Psychotherapie mit stark positiven Effekten – medikamentöse Therapie nur noch „on top“? - Medscape - 13. Mär 2017.
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