Washington – Cannabiskonsum ist ein unabhängiger Risikofaktor für Herzinsuffizienz und Schlaganfall, so das Ergebnis einer groß angelegten Studie, in der die Daten einer US-amerikanischen Datenbank hospitalisierter Patienten im Alter zwischen 18 und 55 Jahren ausgewertet worden waren.

Dr. Aditi Kalla
„Für Ärzte ist es wichtig, diese Effekte zu kennen, so dass die Patienten besser informiert werden können, z.B. Patienten, die nach der Sicherheit von Cannabis fragen oder die Cannabis verordnet haben möchten“, betonte Dr. Aditi Kalla, Kardiologin am Einstein Medical Center in Philadelphia, in einer Vorab-Pressekonferenz zu den 66. American College of Cardiology Scientific Sessions (ACC) Mitte März in Washington, USA, wo sie ihre Ergebnisse vorstellen wird [1].
Patienten, die Cannabis verwendeten, hatten auch eine höhere Prävalenz für eine koronare Herzkrankheit und einen plötzlichen Herztod, allerdings war hier der Drogengebrauch kein unabhängiger Risikofaktor.
Als Stärken ihrer Studie sieht Kalla die hohe Patientenzahl sowie die Möglichkeit, Störfaktoren wie Zigaretten- oder Alkoholkonsum zu berücksichtigen. Eine Schwäche könnte sein, dass in der Realität mehr Patienten Cannabis verwendet haben, weil in den analysierten Jahren 2009/2010 der Cannabisgebrauch in den meisten US-amerikanischen Staaten noch illegal war. Zudem ist nicht bekannt, wieviel Cannabis die Patienten in welcher Form zu sich genommen hatten.
„Weitere Forschungen sind erforderlich, um diese Befunde zu bestätigen und um die Beziehung zwischen Cannabismenge und Applikationsweise mit der Entstehung kardiovaskulärer Komplikationen weiter kennenzulernen“, so ihre Schlussfolgerung. Sie hofft, dass mit der weiteren Legalisierung des Cannabisgebrauchs die verschiedenen Auswirkungen besser verstanden werden.
Analyse von mehr als 20 Mio. Patientendaten
In der National Inpatient Sample Database werden Daten zur Patientendemographie und Entlassungsdiagnose in mehr als 1.000 US-amerikanischen Krankenhäusern gesammelt. Für die Studie wählten Kalla und ihre Kollegen die Daten von mehr als 20 Mio. Patienten im mittleren Lebensalter zwischen 18 und 55 Jahren aus, die in den Jahren 2009 und 2010 hospitalisiert worden waren. Die große Mehrzahl der Patienten (20.499.215 – 98,5%) verwendete kein Cannabis, 316.397 (1,5%) waren Cannabiskonsumenten. Letztere waren im Durchschnitt 33,1 Jahre alt, 60% waren Männer.
Im Vergleich zu Patienten ohne Cannabiskonsum litten sie häufiger an einer Hypertonie (19,9 vs 15,7%) und an Übergewicht (7 vs 6,5%). Zudem rauchten sie deutlich mehr (47,2 vs 11,4%) und tranken häufiger Alkohol (28,1 vs 3,8%). Bei den Patienten mit Cannabiskonsum waren kardiovaskuläre Ereignisse signifikant häufiger als bei den Patienten ohne Cannabiskonsum (Tabelle).
Kardiovaskuläre Ereignisse (%) bei Patienten mit und ohne Cannabiskonsum
Kardiovaskuläres Ereignis |
Cannabisgebrauch (n = 316.397) |
Kein Cannabisgebrauch (n = 20.499.215) |
p-Wert |
Herzinsuffizienz |
1,4 |
1,2 |
< 0,01 |
Zerebrovaskuläres Ereignis |
1,03 |
0,62 |
< 0,0001 |
Koronare Herzkrankheit |
5 |
4,6 |
< 0,0001 |
Plötzlicher Herztod |
0,21 |
0,17 |
0,02 |
Vorhofflimmern |
1,1 |
1,0 |
0,08 |
Nach Adjustierung an Alter, Geschlecht, Vorkommen von Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, koronarer Herzkrankheit, Tabak- und Alkoholgebrauch war das Risiko der Cannabiskonsumenten für Herzinsuffizienz und zerebrovaskuläre Ereignisse weiterhin signifikant erhöht mit einer Odds-Ratio von 1,1 (p = 0,01) bzw. 1,26 (p < 0,001). Damit erwies sich der Gebrauch von Cannabis als unabhängiger Risikofaktor für diese beiden Erkrankungen.
Kalla erläuterte, dass die Befunde unter anderem durch eine multizentrische Studie gestützt würden, die ergab, dass kardiovaskuläre Erkrankungen 10% aller unerwünschten Wirkungen bei solchen Patienten ausmachten, die wegen Cannabisgebrauch ins Krankenhaus eingeliefert worden waren.
Mechanismus noch unklar
„Auch wenn wir die bekannten Risikofaktoren in der Analyse berücksichtigten, fanden wir eine höhere Rate von Schlaganfall und Herzinsuffizienz bei diesen Patienten, so dass wir glauben, dass da noch etwas anderes neben dem Übergewicht oder Ernährungs-bedingten kardiovaskulären Nebenwirkungen ist“, so Kalla. „Weitere Forschungen sind erforderlich, um die Pathophysiologie dieser Wirkung zu verstehen.“
Untersuchungen an Zellkulturen hätten ergeben, dass sich auf menschlichen Herzmuskelzellen Cannabinoid-1-Rezeptoren nachweisen lassen. Bei Aktivierung dieser Rezeptoren nehme die Kontraktilität der Muskelzelle ab. Möglicherweise könnten neue Substanzen entwickelt werden, die diesem Mechanismus entgegen wirken und so das kardiovaskuläre Risiko von Cannabis vermindern können.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: ACC 2017: Cannabis erhöht Risiko für Schlaganfall und Herzinsuffizienz – erste Vermutungen zur Pathogenese - Medscape - 10. Mär 2017.
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