Lebensstil-Änderung bei Brustkrebs: 150 Minuten Sport pro Woche und ein stabiles Gewicht verbessern die Prognose

Dr. Ingrid Horn

Interessenkonflikte

7. März 2017

Als begleitende Maßnahme zur Standardtherapie kann es für Brustkrebs-Patienten hilfreich sein, den Lebensstil zu ändern. Ein im Canadian Medical Association Journal veröffentlichter Übersichtsartikel bewertet hierzu detailliert einzelne Lebensstilfaktoren vom Sport bis zur Ernährung und kommt zu einem eindeutigen Schluss: „Von allen Lebensstilfaktoren hat körperliche Aktivität die stärkste positive Wirkung auf die Prognose von Brustkrebs“, schreiben Julia Hamer und Dr. Ellen Warner von der Abteilung Onkologie und Hämatologie am Sunnybrook Health Sciences Centre in Toronto [1].

Förderlich sei auch ein zumindest stabiles Körpergewicht. „Eine Gewichtszunahme von mehr als 10% nach einer Brustkrebs-Diagnose erhöht sowohl die Mortalität infolge Brustkrebs (HR 1,17, 95%-KI 1,00-1,38) als auch die durch andere Ursachen.“

Prof. Dr. Karen Steindorf

DKFZ/Tobias Schwerdt

Auch für Deutschland relevant

„Ein Erklärungsansatz für den eindeutigen Effekt körperlicher Aktivität ist, dass durch die Linderung der Nebenwirkungen und die Steigerung des Wohlbefindens die Primärtherapie besser vertragen wird“, meint Prof. Dr. Karen Steindorf vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg gegenüber Medscape.

Spezielle Studien aus Deutschland gebe es dazu allerdings nicht. „Durch die generell eher günstige Prognose bei Brustkrebs müssten aussagekräftige Studien sehr viele Patienten aufnehmen und diese über viele Jahre nachbeobachten“, erläutert sie den Hintergrund. Die bisherigen weltweiten Erkenntnisse aus Beobachtungsstudien seien aber schlüssig; es gebe daher keinen Grund, dass sie nicht auch für Deutschland gelten.

Mäßig, aber regelmäßig ist bereits von Nutzen

Ihre zentrale Aussage untermauern Hamer und Warner mit folgenden Fakten: Von körperlicher Aktivität profitierten am meisten Frauen, die sich an ein empfohlenes Trainingsprogramm gehalten hatten (HR 0,59, 95%-KI 0,45 bis 0,78), sowie Frauen in der Postmenopause und Frauen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 25 kg/m2. Bei den meisten Studien stellte sich der positive Effekt unabhängig davon ein, ob die Frauen bereits vor der Brustkrebs-Diagnose körperlich aktiv gewesen waren oder nicht.

Die beiden Autorinnen verweisen auf die Empfehlungen der Kanadischen sowie der Amerikanischen Krebsgesellschaft. Mindestens 30 Minuten täglich moderates Training an 5 Tagen in der Woche oder 75 Minuten intensivere Aktivität pro Woche lautet die Empfehlung. Wie die Studienlage zeigt, können mehr Stunden an moderatem Training nützlich sein, während eine Steigerung intensiverer Aktivität keinen Vorteil bringt. Ob dabei Aerobic oder Krafttraining betrieben wird, war ohne Belang; allerdings ließen sich mit einer Kombination aus beidem die besten Resultate erzielen.

 
Von allen Lebensstil- faktoren hat körperliche Aktivität die stärkste positive Wirkung auf die Prognose von Brustkrebs. Julia Hamer und Dr. Ellen Warner
 

„Nur 13% der Brustkrebs-Patienten in den USA kamen jedoch auf die empfohlenen 150 Minuten pro Woche, und mit zunehmender Zeit nach der Diagnose sank dieser Anteil auf 10%“, schreiben die Autorinnen. Problematisch seien auch Patienten, die sich einer Chemotherapie oder Bestrahlung unterzogen haben: Bei ihnen ging die körperliche Aktivität im Vergleich zu Patienten ohne diese Belastung um 50% bzw. 25% zurück.

Gewichtszunahme als Risikofaktor

„Alle Patienten, ausgenommen jene mit einem sehr niedrigen BMI, sollten eine Gewichtszunahme vermeiden“, lautet eine weitere Empfehlung von Hamer und Warner aufgrund ihrer Analyse. Ein Großteil der Patienten nähmen während und nach der Behandlung um durchschnittlich 2,5 bis 5 kg an Gewicht zu, die meistens nicht wieder verloren gingen. Selbst 10 kg seien nicht ungewöhnlich. Die Gründe hierfür seien vielfältig und oftmals therapiebedingt.

Wie Beobachtungstudien gezeigt haben, steigt mit der Gewichtszunahme, aber unabhängig vom BMI, das Risiko für Rückfälle und Mortalität. Laut einer Metaanalyse aus 22 Studien gilt dies vor allem ab einer Gewichtszunahme von mehr als 10% des Ausgangsgewichts. Besonders ungünstig sei die Situation für Personen, die bereits bei Diagnosestellung adipös sind.

 
Durch die Linderung der Nebenwirkungen und die Steigerung des Wohlbefindens wird die Primärtherapie besser vertragen. Prof. Dr. Karen Steindorf
 

Hamer und Warner weisen allerdings darauf hin, dass die Studienlage aufgrund der Heterogenität der Studien nicht eindeutig ist. „Es gibt zurzeit noch keine klare Antwort, wie sich Gewichtsverlust oder eine Verhinderung der Gewichtszunahme auf die Prognose von Brustkrebs-Patienten auswirken“, schreiben sie und verweisen auf 2 laufende Studien zu diesem Thema.

Ernährungsumstellung hilft nicht viel

Für die Lebensstilfaktoren Diäten, Vitamin-Ergänzung, Rauchen und Alkohol lassen sich kaum spezifische Einflüsse auf die Prognose von Brustkrebs feststellen:

• Für keine der geprüften Diäten konnte bisher gezeigt werden, dass sich das Risiko für ein erneutes Auftreten der Erkrankung senken ließe, schreiben die Autorinnen. Mit bisherigen Bedenken gegenüber Phytoöstrogen-haltigem Soja als Nahrungsmittel räumen sie ebenfalls auf: Soja sei nicht schädlich und könne im Hinblick auf die Gewichtsstabilität sogar nützlich sein.

• Auch hinsichtlich einer Vitamin-Supplementation geben sie keine eindeutigen Empfehlungen. Vitamin C und D könnten jedoch sinnvoll sein, um etwa therapiebedingte Nebenwirkungen zu reduzieren.

• Rauchverbot und reduzierter Alkoholgenuss werden aufgrund der allgemeinen gesundheitlichen Risiken dieser Noxen empfohlen, zumal es Hinweise gibt, dass weniger Alkohol pro Tag das Risiko für eine erneute Brustkrebs-Erkrankung verringern kann.

 
Alle Patienten, ausgenommen jene mit einem sehr niedrigen BMI, sollten eine Gewichtszunahme vermeiden. Julia Hamer und Dr. Ellen Warner
 

Patienten motivieren und ermutigen

Hamer und Warner haben ihre Erkenntnisse aus der Analyse von 67 Studien gewonnen. Da selbst ein Viertel der Frauen, bei denen Brustkrebs im Frühstadium diagnostiziert wird, letztlich später an Metastasen sterben werden, sehen sie ihre Empfehlungen für die Patienten und die behandelnden Ärzte als hilfreiche Therapieunterstützung. „Da Patienten nach einer Brustkrebs-Diagnose üblicherweise ihre körperliche Aktivität vermindern, ist es wichtig, dass Ärzte sie anhalten und ermutigen, sich mehr zu bewegen“, schreiben die Autorinnen. Einen solchen Ratschlag von einem Onkologen zu erhalten, wirke auf Patienten stimulierend.

Es sei in der Tat eine besondere Herausforderung für erkrankte Frauen, gerade während der belastungsreichen Chemo- und/oder Radiotherapie, körperlich aktiv zu sein, weiß auch Steindorf, die am DKFZ die Abteilung für Bewegung, Präventionsforschung und Krebs leitet. Sie hofft, dass sich durch mehr Aufmerksamkeit und Wissen bei allen Beteiligten sowie durch mehr Angebote für Trainingsmöglichkeiten die Barrieren abbauen lassen.

„In den beiden von uns in Heidelberg durchgeführten Studien, der BEATE-Studie und der BEST-Studie, haben wir gezeigt, dass das Fatigue-Syndrom bei aktiven Patienten weniger häufig entstanden ist. Damit kommt es gar nicht erst zu dem Teufelskreis aus Erschöpfung und (falscher) Schonung“, berichtet Steindorf. Wichtig sei, dass sich die Patienten eine Aktivität aussuchten, die zu ihnen passe und somit realistisch über längere Zeit ausgeübt werden könne.



REFERENZEN:

1. Hamer J, Warner E: CMAJ 2017;189:E268-274

 

Kommentar

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