Die SPD-Gesundheitspolitiker Dr. Edgar Franke und Sabine Dittmar haben vorgeschlagen, die Boni der Versandapotheken bei verschreibungspflichtigen Medikamenten auf den Gegenwert von einem Euro pro abgegebener Packung zu begrenzen [1]. Alle weiteren Zuwendungen oder Werbegaben sollen in §129 SGB V verboten werden. Die Regelung soll bis Juni 2018 gelten. Bis dahin soll sich ein Expertengremium grundsätzlich mit den Apothekenhonoraren befasst haben.
Die geplanten 1-Euro-Boni sollen aber nicht als Geld ausgezahlt werden, sondern nur als Sachleistungen. Der Vorschlag will den Versandhandel retten sowie gleiche Wettbewerbsbedingungen für ausländische Versandapotheken und Apotheken in Deutschland schaffen.
Boni trotz Preisbindung
Das Problem: Ausländische Versandapotheken dürfen ihren deutschen Kunden „Preisnachlässe gewähren, oft von 3 bis 6 Euro und mehr, denn für ausländische Versandhäuser gilt die deutsche Preisbindung nicht“, sagt Franke gegenüber Medscape. Entsprechendes hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2016 beschlossen. „Damit besteht ein Wettbewerbsvorteil für ausländische Versandapotheken“, heißt es in dem Gesetzesvorschlag von Franke und Dittmar. Wenn also der 1-Euro-Bonus im §129 SGB V stehen würde, hätten deutsche Apotheken wieder die gleichen Wettbewerbsbedingungen wie ausländische Versandapotheken.
Aber: Wie können deutschen Apotheken die 1-Euro-Rabatte erlaubt werden, während hierzulande die Preisbindung gilt? Die geltende Rechtsprechung eröffne einen Weg, so Franke: „2013 hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Zusammenhang mit §7 Heilmittelwerbegesetz festgelegt, dass es bei Zuwendungen oder Werbegaben eine Spürbarkeitsgrenze von etwa einem Euro gibt.“ Will sagen: Als so genannte „geringwertige Kleinigkeiten“, die das Heilmittelwerbegesetz erlaubt, gelten seit 2013 solche bis zum Wert von einem Euro. „So ist die Rechtslage“, konstatiert Franke. Warum sollte also das, was im Heilmittelwerbegesetz recht ist, nicht im SGB V billig sein?
Die beiden SPD-Politiker kämen zudem ihrem Ziel näher, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten als solchen zu erhalten.
Damit stellen sie sich gegen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Er will den Handel ausländischer Versandhäuser wegen der Nachteile für die deutschen Apotheken und aus Sorge um ein eventuelles Apothekensterben hierzulande ganz verbieten (wie Medscape berichtete ). Ein Referentenentwurf dazu liegt bereits vor.
Allerdings lag der Marktanteil des gesamten Versandhandels mit Rx-Arzneimitteln in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Apothekerverbände (ABDA) im Jahr 2015 gerade mal bei 1,6% und damit bei einem Volumen von 628 Millionen Euro von insgesamt 40,34 Milliarden Euro Umsatz. Bei den freiverkäuflichen OTC-Präparaten betrug der Anteil im selben Jahr 12,2% und damit 804 Millionen Euro von insgesamt 6,6 Milliarden Euro Umsatz.
Das Verbot des Versandhandels würde dauern
Auch wegen des geringen Marktanteils finden Franke und Dittmar ein Verbot unnötig. „Der Versandhandel ist zuverlässig“, ergänzt Franke. „Viele Patienten, vor allem chronisch Kranke, kommen gut mit ihm zurecht.“ Zudem würde ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten ein zeitraubendes Verfahren nach sich ziehen. „Der Handel ist in Deutschland seit 14 Jahren erlaubt, man kann ihn nicht von heute auf morgen verbieten“, meint Franke.
Auch gelte für ein neues Gesetz die so genannte Notifizierungsfrist. Das ist die Sperrfrist, die der Bund gegenüber der Europäischen Kommission bei binnenmarktrelevanten Rechtsakten einhalten muss. Ein Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Medikamente wäre ein solcher Rechtsakt „und würde deshalb dauern“, so Franke. „Dann doch lieber unseren Vorschlag als ein Friedensangebot schnell umsetzen und nach 2018 mit einer neuen Regierung noch einmal in Ruhe über eine Regelung nachdenken.“
Auch die Grünen im Bundestag sind gegen das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. „Wir halten die vorgeschlagene Lösung für einen guten Kompromiss“, sagt die grüne Bundestagsabgeordnete Kordula Schulz-Asche zu Medscape. „Nur Gröhe will das Verbot!“
Kritik am Versandhandel nicht nur aus der Politik
Das stimmt nicht ganz. Denn auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt fordert das Verbot. Der Vorschlag von Franke und Dittmar sei „europarechtlich nicht zu halten. Der EuGH hat doch die Geltung der Festpreise für ausländische Versender verneint“, so Schmidt. „Zweitens würde auch die Begrenzung der Boni nichts daran ändern, dass ein destruktiver Preiswettbewerb entsteht, Krankenkassen ihre Versicherten zu Versendern dirigieren und viele Apotheken vor Ort auf der Strecke bleiben.“
Unterstützung erhält Schmidt von unerwarteter Seite – von der Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH). „Der Postweg ist für Medikamente zu unsicher, vor allem wenn sie für chronisch Kranke bestimmt sind“, argumentiert Christoph Kranich von der Verbraucherzentrale an der Elbe. „Wir hatten den Fall, dass ein chronisch Herzkranker das bestellte Arzneimittel nicht erhielt und nun ohne Rezept auch vom Apotheker weggeschickt wurde. Schließlich musste er sich von einem Notarzt ein neues Rezept ausstellen lassen.“ Wegen solcher Risiken will die VZ Hamburg den Versandhandel verboten sehen. Kranich: „Die Politik wäre besser beraten, chronisch Kranken die Zuzahlungen zu erlassen. Dann braucht es keine Rabatte mehr.“
REFERENZEN:
1. Vorschlag der SPD-Gesundheitspolitiker Sabine Dittmar und Dr. Edgar Franke, 16. Februar 2016
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Diesen Artikel so zitieren: Rx-Arzneimittel: SPD will 1 Euro als Bonus-Obergrenze für ausländische Versandapotheken und deutsche Apotheken - Medscape - 1. Mär 2017.
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