Bei Patienten mit Vorhofflimmern, die unter oraler Antikoagulation Blutungen entwickeln, ist der interventionelle Verschluss des linken Vorhofohrs, um Schlaganfällen vorzubeugen, eine mögliche – und sichere – Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin. Eine US-Studie gibt einen Überblick über die in den ersten 2 Jahren nach Zulassung des Verfahrens dort gesammelten Erfahrungen: „Trotz eines großen Anteils an Operateuren ohne Vorerfahrung war die Erfolgsrate der Implantationen hoch und die Komplikationsraten niedrig“, berichten Dr. Vivek Y. Reddy von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York und seine Kollegen im Journal of the American College of Cardiology [1].

PD Dr. Boris Schmidt
„In Deutschland ist der interventionelle Vorhofohrverschluss mit 5.000 bis 6.000 Eingriffen im Jahr mittlerweile ein Routineverfahren“, berichtet der Kardiologe PD Dr. Boris Schmidt vom Cardioangiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt am Main. „Im Gegensatz zu den USA, wo das erste Verschlusssystem erst im März 2015 zugelassen wurde, wird das Verfahren in Deutschland schon seit Anfang der 2000er eingesetzt.“
Der interventionelle Vorhofohrverschluss soll Patienten mit Vorhofflimmern vor Schlaganfällen schützen, auf das Vorhofflimmern selbst hat er keinen Einfluss. „Bei Vorhofflimmern ist der Blutfluss im Herzen reduziert, insbesondere im linken Vorhofohr, weshalb sich dort bei Patienten mit Vorhofflimmern besonders häufig Gerinnsel bilden“, erklärt Schmidt im Gespräch mit Medscape. „Durch den Verschluss mit einem Okkluder schaltet man das Vorhofohr aus der Blutzirkulation aus.“ So wird verhindert, dass dort gebildete Gerinnsel in den Blutkreislauf gelangen und Schlaganfälle auslösen können.
Erfahrungen mit fast 4.000 Patienten gesammelt
Reddy und seine Koautoren berichten über 3.822 aufeinander folgende Verschlüsse des linken Vorhofohrs mit dem Verschlusssystem Watchman™ (Boston Scientific). Bei 3.653 Patienten (95,6%) verlief die Implantation des Okkluders erfolgreich.
Bei den Eingriffen kam es zu 39 Herzbeuteltamponaden (1,02%): 24 konnten perkutan behandelt werden, 12 erforderten eine chirurgische Behandlung, 3 verliefen für die Patienten tödlich. An weiteren Komplikationen nennen die Autoren 3 mit dem Verfahren assoziierte Schlaganfälle (0,078%) und 9 Embolisationen des Okkluders (0,24%), von denen 6 eine chirurgische Entfernung erforderten.
Keine große Erfahrung bei den Operateuren
Von den 382 implantierenden Ärzten waren 71% nicht an den Zulassungsstudien beteiligt gewesen, hatten somit keine Vorerfahrung mit dem System. Sie führten 50% der Eingriffe durch.
Dass sich die bereits guten Erfolgs- und Komplikationsraten durch zunehmende Erfahrung mit dem Eingriff noch verbessern lassen, zeigen europäische Registerstudien. „In Europa, wo Deutschland der größte Markt für das Verschlusssystem ist, liegt die Erfolgsrate der Implantationen laut EWOLUTION-Register bei 98,5%“, berichtet Schmidt. Außerdem seien die Komplikationsraten niedriger: „Verfahrensbedingte Todesfälle finden sich im europäischen Register gar keine, die Rate an Herzbeuteltamponaden ist mit 0,5 Prozent nur halb so hoch wie in den USA.“
Allerdings sind die US-Daten konsistent mit älteren Daten aus dem CAP-Register: „Damals war die Zahl der Implantationen pro Arzt noch nicht so hoch und es gab ebenfalls eine etwa 95%ige Erfolgsrate. Mit zunehmender Erfahrung ließ sich die Erfolgsrate somit noch einmal deutlich auf über 98% steigern“, so Schmidt.
Untererfassung der Komplikationen?
Allerdings gibt es durchaus auch kritische Stimmen: In einem früheren Kommentar auf Medscape spricht sich der US-Kardiologe und Medscape-Blogger Dr. John Mandrola vehement gegen den Einsatz des linksatriellen Vorhofohrverschlusses außerhalb von kontrollierten klinischen Studien aus. Das Verfahren schütze Patienten nicht nur nicht vor ischämischen Schlaganfällen, argumentiert er, auch die Erfassung von Komplikationen in den Studien sei fragwürdig.
In einem Editorial äußern auch Dr. Jacqueline Saw, Vancouver General Hospital, Kanada, und Dr. Matthew J. Price, Scripps Clinic, La Jolla, USA, Bedenken hinsichtlich des Studiendesigns, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten [2]. Die Daten zu Komplikationen wurden nämlich von Vertretern des Watchman™-Herstellers Boston Scientific, die bei der Implantation der Okkluder anwesend waren, gesammelt und gemeldet. „Zwar wurden auch die Ärzte ermutigt, alle mit dem Device oder dem Implantationsverfahren verbundenen Ereignisse zu melden, doch es war zuvorderst die Aufgabe der Unternehmensspezialisten“, schreiben sie.
Dieses Vorgehen habe verschiedene Auswirkungen, heißt es im Editorial. Zum einen seien um den Eingriff herum aufgetretene Komplikationen, etwa solche vaskulärer Natur oder Blutungen, die Teil der Sicherheitsendpunkte der Zulassungsstudien gewesen waren, nicht eingeschlossen worden. Zum anderen seien Ereignisse, die in den ersten 7 Tagen nach der Implantation auftraten, möglicherweise nicht erfasst worden, denn: Die Unternehmensvertreter waren nur bei dem Eingriff selbst anwesend und die Operateure waren nicht formell verpflichtet, solche späten Komplikationen an den Hersteller zu melden. „Dies könnte zu einem potenziellen Bias und einer Untererfassung von Komplikationen geführt haben“, so Saw und Price.
Mit der Inzidenz verzögert auftretender Probleme, etwa der Entstehung von Gerinnseln am Okkluder, die die Langzeitsicherheit und -effektivität beeinträchtigen könnten, habe die Untersuchung sich gar nicht beschäftigt.
Price und Saw kommen dennoch zu einem versöhnlichen Fazit: „Da die meisten verfahrensbedingten Komplikationen des Vorhofohrverschlusses in der akuten Phase auftreten, kann man davon ausgehen, dass die signifikantesten verfahrensbedingten Komplikationen, die mit dem interventionellen Verschluss des linken Vorhofohrs einhergehen, valide und akkurat verzeichnet wurden.“
REFERENZEN:
1. Reddy VY, et al: Journal of the American College of Cardiology 2017;69(3):253-61
2. Saw J, et al: Journal of the American College of Cardiology 2017;69(3):262-64
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Vorhofohrverschluss beim Vorhofflimmern: Erste 2-Jahres-Erfahrungen in den USA – bei uns schon lange Routine - Medscape - 24. Feb 2017.
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