Vorhofohrverschluss beim Vorhofflimmern: Erste 2-Jahres-Erfahrungen in den USA – bei uns schon lange Routine

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

24. Februar 2017

Bei Patienten mit Vorhofflimmern, die unter  oraler Antikoagulation Blutungen entwickeln, ist der interventionelle  Verschluss des linken Vorhofohrs, um Schlaganfällen vorzubeugen, eine mögliche  – und sichere – Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin. Eine  US-Studie gibt einen Überblick über die in den ersten 2 Jahren nach Zulassung  des Verfahrens dort gesammelten Erfahrungen: „Trotz eines großen Anteils an Operateuren ohne  Vorerfahrung war die Erfolgsrate der Implantationen hoch und die  Komplikationsraten niedrig“, berichten Dr. Vivek Y. Reddy von  der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York und seine Kollegen im Journal of the American College of  Cardiology [1].

           

PD Dr. Boris Schmidt

           

„In Deutschland ist der interventionelle Vorhofohrverschluss mit 5.000  bis 6.000 Eingriffen im Jahr mittlerweile ein Routineverfahren“,  berichtet der Kardiologe PD Dr. Boris  Schmidt vom Cardioangiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt am Main.  „Im Gegensatz zu den USA, wo das erste Verschlusssystem erst im März 2015  zugelassen wurde, wird das Verfahren in Deutschland schon seit Anfang der  2000er eingesetzt.“

Der interventionelle  Vorhofohrverschluss soll Patienten mit Vorhofflimmern vor Schlaganfällen  schützen, auf das Vorhofflimmern selbst hat er keinen Einfluss. „Bei  Vorhofflimmern ist der Blutfluss im Herzen reduziert, insbesondere im linken  Vorhofohr, weshalb sich dort bei Patienten mit Vorhofflimmern besonders häufig  Gerinnsel bilden“, erklärt Schmidt im Gespräch mit Medscape. „Durch den Verschluss mit einem Okkluder schaltet man das  Vorhofohr aus der Blutzirkulation aus.“ So wird verhindert, dass dort gebildete  Gerinnsel in den Blutkreislauf gelangen und Schlaganfälle auslösen können.

Erfahrungen mit fast 4.000 Patienten gesammelt

Reddy und seine Koautoren berichten über 3.822  aufeinander folgende Verschlüsse des linken Vorhofohrs mit dem Verschlusssystem  Watchman™ (Boston  Scientific). Bei 3.653 Patienten (95,6%) verlief die Implantation des Okkluders  erfolgreich.

Bei den Eingriffen kam es zu 39 Herzbeuteltamponaden (1,02%): 24 konnten perkutan behandelt werden, 12  erforderten eine chirurgische Behandlung, 3 verliefen für die Patienten  tödlich. An weiteren Komplikationen nennen die Autoren 3 mit dem Verfahren  assoziierte Schlaganfälle (0,078%) und 9 Embolisationen des Okkluders (0,24%),  von denen 6 eine chirurgische Entfernung erforderten.

 
Trotz eines großen Anteils an Operateuren ohne Vorerfahrung war die Erfolgsrate der Implantationen hoch und die Komplikationsraten niedrig. Dr. Vivek Y. Reddy und Kollegen
 

Keine große Erfahrung bei den Operateuren

Von den 382 implantierenden Ärzten waren 71%  nicht an den Zulassungsstudien beteiligt gewesen, hatten somit keine  Vorerfahrung mit dem System. Sie führten 50% der Eingriffe durch.

Dass sich die bereits guten Erfolgs- und  Komplikationsraten durch zunehmende Erfahrung mit dem Eingriff noch verbessern  lassen, zeigen europäische Registerstudien. „In Europa, wo Deutschland der  größte Markt für das Verschlusssystem ist, liegt die Erfolgsrate der  Implantationen laut EWOLUTION-Register bei 98,5%“, berichtet Schmidt. Außerdem seien  die Komplikationsraten niedriger: „Verfahrensbedingte Todesfälle finden sich im europäischen Register gar  keine, die Rate an Herzbeuteltamponaden ist mit 0,5 Prozent nur halb so hoch  wie in den USA.“

 
In Deutschland ist der interventionelle Vorhofohrverschluss mit 5.000 bis 6.000 Eingriffen im Jahr mittlerweile ein Routineverfahren.   PD Dr. Boris Schmidt
 

Allerdings sind die US-Daten konsistent mit  älteren Daten aus dem CAP-Register: „Damals war die Zahl der Implantationen pro  Arzt noch nicht so hoch und es gab ebenfalls eine etwa 95%ige Erfolgsrate. Mit  zunehmender Erfahrung ließ sich die Erfolgsrate somit noch einmal deutlich auf  über 98% steigern“, so Schmidt.

Untererfassung der Komplikationen?

Allerdings gibt es durchaus auch kritische  Stimmen: In einem früheren Kommentar auf Medscape spricht sich der US-Kardiologe und Medscape-Blogger Dr. John Mandrola vehement gegen den  Einsatz des linksatriellen Vorhofohrverschlusses außerhalb von kontrollierten  klinischen Studien aus. Das Verfahren schütze Patienten nicht nur nicht vor ischämischen Schlaganfällen,  argumentiert er, auch die Erfassung von Komplikationen in den Studien sei  fragwürdig.

In einem Editorial äußern auch Dr. Jacqueline Saw, Vancouver General Hospital, Kanada, und Dr. Matthew J. Price, Scripps Clinic,  La Jolla, USA, Bedenken hinsichtlich des Studiendesigns, die bei  der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden sollten [2]. Die Daten  zu Komplikationen wurden nämlich von Vertretern des Watchman™-Herstellers Boston  Scientific, die bei der Implantation der Okkluder anwesend waren, gesammelt und  gemeldet. „Zwar wurden auch die Ärzte ermutigt, alle mit dem Device oder dem  Implantationsverfahren verbundenen Ereignisse zu melden, doch es war zuvorderst  die Aufgabe der Unternehmensspezialisten“, schreiben sie.

 
Verfahrens- bedingte Todesfälle finden sich im europäischen Register gar keine, die Rate an Herzbeutel- tamponaden ist mit 0,5 Prozent nur halb so hoch wie in den USA. PD Dr. Boris Schmidt
 

Dieses Vorgehen habe verschiedene Auswirkungen, heißt  es im Editorial. Zum einen seien um den Eingriff herum aufgetretene  Komplikationen, etwa solche vaskulärer Natur oder Blutungen, die Teil der  Sicherheitsendpunkte der Zulassungsstudien gewesen waren, nicht eingeschlossen  worden. Zum anderen seien Ereignisse, die in den ersten 7 Tagen nach der  Implantation auftraten, möglicherweise nicht erfasst worden, denn: Die  Unternehmensvertreter waren nur bei dem Eingriff selbst anwesend und die  Operateure waren nicht formell verpflichtet, solche späten Komplikationen an  den Hersteller zu melden. „Dies könnte zu einem potenziellen Bias und einer  Untererfassung von Komplikationen geführt haben“, so Saw und Price.

Mit der Inzidenz verzögert auftretender Probleme,  etwa der Entstehung von Gerinnseln am Okkluder, die die Langzeitsicherheit und  -effektivität beeinträchtigen könnten, habe die Untersuchung sich gar nicht  beschäftigt.

Price und Saw kommen dennoch zu einem versöhnlichen  Fazit: „Da die meisten verfahrensbedingten Komplikationen des  Vorhofohrverschlusses in der akuten Phase auftreten, kann man davon ausgehen,  dass die signifikantesten verfahrensbedingten Komplikationen, die mit dem  interventionellen Verschluss des linken Vorhofohrs einhergehen, valide und  akkurat verzeichnet wurden.“



REFERENZEN:

1. Reddy VY, et al: Journal of  the American College of Cardiology 2017;69(3):253-61

2. Saw J, et al: Journal of  the American College of Cardiology 2017;69(3):262-64

 

Kommentar

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