Das Frühstück gilt gemeinhin als die wichtigste Mahlzeit des Tages. Dennoch hat gerade der Verzehr der Morgenmahlzeit in den vergangenen Jahrzehnten stark abgenommen. Auf der anderen Seite werden oft nach Feierabend noch sehr energiereiche Mahlzeiten und Snacks verspeist. Eine Expertengruppe der American Heart Association (AHA) hat in einem großen epidemiologischen Review untersucht, wie sich dieses moderne Essverhalten auf die kardiometabolische Gesundheit auswirken könnte [1].
„Eine Fülle von epidemiologischen Daten spricht für eine Assoziation zwischen dem Verzicht auf das Frühstücken und Adipositas“, schreiben Dr. Marie-Pierre St-Onge vom Institute of Human Nutrition der Columbia University in New York, USA, und ihre Koautoren in Circulation. Sowohl in Querschnittstudien als auch prospektiven Langzeitstudien hatten Nicht-Frühstücker einen höheren BMI und nahmen im Verlauf mehr zu als diejenigen, die regelmäßig frühstückten.

Prof. Dr. Andreas Pfeiffer
„Dies hatte zur Folge, dass Ernährungsberater landauf, landab ihren Patienten zur besseren Gewichtsreduktion raten, morgens immer etwas zu essen. Doch die Evidenz dafür, dass Frühstücken beim Abnehmen hilft, ist weniger umfangreich und eindeutig“, berichtet Prof. Dr. Andreas Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke und der Charité-Universitätsmedizin Berlin gegenüber Medscape.
Epidemiologie überträgt sich nicht in Intervention
Eine der Pionierstudien auf diesem Gebiet ließ Frühstücker und Nicht-Frühstücker randomisiert entweder ihr Frühstücksverhalten fortführen oder auf das andere Essmuster wechseln – bei unverändertem Gesamtkalorienkonsum von 1.200 Kalorien. Ergebnis: Nicht-Frühstücker, die über die 12 Studienwochen, frühstücken mussten, nahmen 7,7 kg ab, diejenigen, die das Frühstück weiterhin auslassen durften, verloren 6,6 kg. Im Vergleich dazu nahmen Frühstücker, die auch während der Studie weiter frühstückten, 6,2 kg ab, während diejenigen, die aufs Frühstück verzichten mussten, 8,9 kg verloren.
„Es war somit die Veränderung des morgendlichen Essverhaltens und nicht der Verzehr oder Nicht-Verzehr eines Frühstücks per se, die zur größeren Gewichtsreduktion beitrug“, schreiben die Autoren um St-Onge. Andererseits zeigen Verhaltensstudien, dass der Verzehr eines Frühstücks den Gesamtkonsum an Fett reduziert und impulsives Snacken minimiert – beides entscheidend für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion. Die Expertengruppe schlussfolgert, dass das Frühstücken wahrscheinlich nur einen „minimalen Effekt auf das Gewichtsmanagement“ habe und „der Ratschlag, zu frühstücken, wahrscheinlich nicht zu einer besseren Gewichtsabnahme führt“.
Gute Gründe für eine Frühstücksempfehlung
Auf der anderen Seite gibt es aber Evidenz, dass regelmäßiges Frühstücken zu Verbesserungen des kardiometabolischen Risikoprofils beitragen kann. In klinischen Interventionsstudien war der Verzicht auf das Frühstück unter anderem mit höherem Blutzucker, stärkeren Reaktionen des Seruminsulins und höheren freien Fettsäuren assoziiert, ebenso wie mit mehr Hunger und Essverlangen – Umstände, die wahrscheinlich im weiteren Tagesverlauf zu einer kompensatorischen Erhöhung der Energieaufnahme führen.
Prospektive und Querschnittstudien ergaben zudem Assoziationen zwischen dem Verzicht auf das Frühstück und erhöhtem HbA1c, höherer Nüchternglukose und ganztägiger postprandialer Hyperglykämie. Und letztlich ist das Weglassen der Morgenmahlzeit auch mit einem höheren Risiko für die Diagnose eines Diabetes mellitus assoziiert.
Alles in allem trägt das tägliche Frühstück somit nicht unbedingt zu einer Gewichtsabnahme bei, kann aber das Risiko für ungünstige Stoffwechselveränderungen reduzieren. „Eine umfassende Ernährungsberatung, die auch zum Verzehr einer Morgenmahlzeit rät, kann deshalb eine gesunde Ernährung über den gesamten Tag fördern“, schreibt die Expertengruppe.
Frühstücken zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Führt der Verzicht auf das Frühstück und die damit einhergehenden kardiometabolischen Veränderungen aber tatsächlich auch zu mehr kardiovaskulären Erkrankungen? Epidemiologische Studien liefern dem Statement zufolge starke Evidenz für einen Zusammenhang zwischen Nicht-Frühstücken und dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.
Prospektive Evidenz ist dagegen rar gesät. „Unseres Wissens nach haben bislang nur2 prospektive Studien die Assoziation zwischen dem Verzicht auf das Frühstück und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht“, schreiben St-Onge und ihre Kollegen.
In einer Untersuchung mit 16-jähriger Nachbeobachtung hatten Männer, die nicht frühstückten, ein 27% höheres Risiko für einen nicht-tödlichen Herzinfarkt oder eine tödlich verlaufende koronare Herzkrankheit. In einer weiteren Studie, die in Japan durchgeführt wurde, war seltenes Frühstücken (0- bis 2-mal/Woche) mit einem etwas höheren Risiko für Schlaganfälle assoziiert als tägliches Frühstücken (HR: 1,14).
Nach Feierabend besser nicht mehr kräftig zulangen
Essen spät am Abend ist in mehreren Querschnittstudien mit einem höheren Risiko für eine schlechte kardiometabolische Gesundheit in Zusammenhang gebracht worden. Probanden, die mehr als ein Drittel ihrer Tageskalorien erst am Abend zu sich nahmen, hatten ein doppelt so hohes Adipositasrisiko. Das Weglassen des Frühstücks in Kombination mit spätabendlichem (in den 2 Stunden vor dem Schlafengehen) Essen erhöhte in einer japanischen Studie das Risiko für ein Metabolisches Syndrom.
Nur sehr wenige Interventionsstudien haben sich mit dem Effekt spätabendlichen Essens auf das kardiometabolische Risiko beschäftigt. In einer kleinen eintägigen Studie wurde untersucht, welche Stoffwechseleffekte es hat, wenn man statt um 6 Uhr erst um 11 Uhr zu Abend isst. Ergebnis: Die Teilnehmerinnen mit späterem Abendessen hatten am nächsten Tag nach dem Frühstück einen höheren postprandialen Blutzucker – ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes.
Morgens reichhaltig, abends bescheiden
Zusätzlich zum Timing des Essens scheint auch die Verteilung der Kalorien auf die Mahlzeiten eine Rolle zu spielen. In einer Studie verzehrten Frauen entweder den größten Teil (> 50%) ihrer Tageskalorien beim Frühstück oder beim Abendessen. BMI, Taillenumfang und Adipositas unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen. Aber metabolische Risikofaktoren veränderten sich. Bei den Frauen, die ein großes Frühstück verzehrten, sanken die Nüchternglukose, das Insulin und der HOMA-IR, die Insulinsensitivität nahm dagegen zu. Auch die Ergebnisse eines oralen Glukosetoleranztests waren bei ihnen verbessert.
„Die Verbesserung der Insulinresistenz in der Gruppe mit großem Frühstück impliziert ein Essmuster, das synchron mit der Inneren Uhr geht“, schreiben die Autoren. Allerdings habe das große Abendessen den IR nicht verschlechtert.
Innere Uhr besonders für Stoffwechselgestörte wichtig
Dass die Innere Uhr eine wichtige Rolle spielt, weiß auch Pfeiffer: „Abends ist der Stoffwechsel sehr viel träger“, bestätigt er. „In einer eigenen Studie haben wir die Regulation des Stoffwechsels untersucht, wenn man morgens und abends genau die gleiche Mahlzeit isst. Morgens reagieren Blutzucker, Insulin und Fettprofil 3-mal schneller als abends, da dies durch zirkadiane Gene, sie sogenannten CLOCK-Gene reguliert wird.“
Das Essen zur richtigen Zeit könnte für Menschen mit Metabolischem Syndrom besonders wichtig sein. „Sie zeigen eine deutlich stärkere Reaktion auf Essen zu ungünstigen Zeiten, also spät am Nachmittag oder abends im Vergleich zu morgens“, berichtet Pfeiffer
„Die Auswirkungen der Tageszeit, zu der Mahlzeiten eingenommen werden, speziell im Hinblick auf das Abendessen, müssen näher untersucht werden“, schlussfolgern auch St-Onge und ihre Kollegen.
REFERENZEN:
1. St-Onge MP, et al. Circulation (online) 30. Januar 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Warum man morgens „wie ein König“ frühstücken sollte, obwohl damit die Kilos nicht schmelzen - Medscape - 20. Feb 2017.
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