Neue GOLD-Empfehlungen für COPD jetzt verfügbar: Nicht-medikamentöse Therapie und Bronchodilatation deutlich aufgewertet

Manuela Arand

Interessenkonflikte

9. Februar 2017

Im vergangenen November hat die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) erstmals seit 2011 eine komplett überarbeitete Version ihrer „Report“ genannten Empfehlungen vorgelegt, die von Pneumologen in aller Welt als Richtschnur für die Behandlung der COPD genutzt wird. Seit kurzem ist das Dokument auch online verfügbar [1].

Im neuen Report sind die Bronchodilatatoren in der Therapie deutlich aufgewertet. Auch der nicht-medikamentösen Therapie wie Schulung, Rauchentwöhnung oder Trainingstherapie kommt nun eine größere Bedeutung zu. Verändert wurde auch die Klassifikation der Schweregrade. Bereits im Vorfeld war über mögliche Neuerungen spekuliert worden, Mitglieder des GOLD-Komitees machten Andeutungen (wie Medscape berichtete). Einiges hat davon hat sich bewahrheitet, anderes nicht.

„Die neue Klassifikation ist nicht ideal, aber besser als die alte“, kommentiert Prof. Dr. Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, im Gespräch mit Medscape. „Sie ist übersichtlicher und verhindert, dass Patienten einer Hochrisikogruppe zugeordnet werden, nur weil ihre FEV1 schlecht ist.“

 
Die neue Klassifikation ist nicht ideal, aber besser als die alte. Prof. Dr. Tobias Welte
 

Weniger zufrieden ist Welte dagegen mit den Therapieempfehlungen, welche die GOLD-Gruppe aus der Klassifikation ableitet. Sie beziehen sich erstmals nicht nur auf die Ersteinstellung, sondern geben auch Hinweise zur Therapie-Eskalation und -Deeskalation.

Klassifikation: 4-Felder-Tafel vereinfacht

Was viele Pneumologen und Allgemeinmediziner freuen dürfte: Die oft heftig kritisierte 4-Felder-Tafel zur Klassifikation ist wesentlich vereinfacht worden. Das Problem mit dem Diagramm bestand bekanntlich darin, dass es 2 gleichberechtigte X-Achsen enthielt.

Die eine bildete die Lungenfunktion ab, die andere die Exazerbationsanamnese. Patienten, die auf einer der beiden Achsen schlechte Werte erreichten, fielen automatisch in die Hochrisikogruppe, mit entsprechenden therapeutischen Konsequenzen.

 
In der täglichen Routine ist der CAT dem mMRC überlegen, er geht auf unterschiedliche Ausprägungen der Krankheit besser ein. Prof. Dr. Felix Herth
 

Problematisch daran war, dass die meisten Patienten aufgrund ihrer schlechten FEV1 (forcierte Sekundenkapazität) derart klassifiziert wurden und nicht, weil sie in der Vergangenheit häufig Exazerbationen durchgemacht hatten. Die Lungenfunktion korreliert aber auf individueller Ebene sehr schlecht sowohl mit der Symptomatik als auch der Prognose.

GOLD hat daraus Konsequenzen gezogen und die Klassifikation aufgefächert. Am Anfang steht die Spirometrie, anhand derer die Diagnose einer obstruktiven Ventilationsstörung gestellt wird. Der schon bisher geltende Grenzwert im Tiffeneau-Test von 0,70 wurde beibehalten.

Im 2. Schritt folgt die Schweregradeinteilung anhand der Lungenfunktion. Sie reicht von GOLD 1 (FEV1 ≥ 80%) bis GOLD 4 (FEV1 < 30%). Die Spirometrie wird also nicht obsolet. Sie wird nach wie vor genutzt, um das Krankheitsstadium abzuschätzen und den Verlauf zu kontrollieren, aber nicht mehr für die Therapieplanung.

Dafür wird die 4-Felder-Tafel genutzt, die nun nur noch Symptome und Exazerbationshistorie berücksichtigt. Die Cut-offs sind geblieben: Ab 2 Exazerbationen im Vorjahr oder einer, die so schwer war, dass der Patient notfallmäßig oder gar stationär behandelt werden musste, gilt das Exazerbationsrisiko als hoch.

Bei den Symptomen liegen die Schwellenwerte bei 10 Punkten im CAT (COPD Assessment Test)- respektive 2 Punkten im mMRC (modified Medical Research Council)-Score. Viele deutsche Experten wie Prof. Dr. Felix Herth halten den CAT für geeigneter: „In der täglichen Routine ist der CAT dem mMRC überlegen, er geht auf unterschiedliche Ausprägungen der Krankheit besser ein“, so der Chefarzt der Pneumologie und Beatmungsmedizin an der Universitäts-Thoraxklinik Heidelberg gegenüber Medscape. Anders ausgedrückt: Der CAT bildet die Kernsymptomatik in ihrer ganzen Bandbreite ab, während der mMRC nur die Dyspnoe abfragt. GOLD erlaubt aber beide.

Aus Symptomen und Exazerbationen ergeben sich die 4 GOLD-Gruppen A (wenig Symptome, keine Exazerbationen) bis D (viele Symptome, häufige Exazerbationen), auf die sich auch der Therapiealgorithmus stützt. Ein typischer COPD-Patient mit einer FEV1 von 45% und 25 Punkten im CAT, aber ohne Exazerbationen, wäre nach der neuen Einteilung mit „Lungenfunktionseinschränkung GOLD 3, Gruppe B“ zu kodieren. Nach der alten Version wäre er in Gruppe D gelandet.

Therapie: Bronchodilalatoren werden deutlich aufgewertet

Zusammengefasst wertet GOLD die Bronchodilalatoren deutlich auf und setzt sie an die erste Stelle der Therapie bei allen Schweregraden der COPD. Das Komitee zieht damit die Konsequenz aus einer Reihe von Studien der letzten Jahre, etwa der FLAME-Studie, die gezeigt hatte, dass LABA/LAMA Exazerbationen effektiver vorbeugt als LABA/ICS, oder der WISDOM-Studie, in der das Absetzen von ICS selbst bei schwer kranken COPD-Patienten nicht mit einer erhöhten Rate an Exazerbationen einherging.

Die neuen Therapieempfehlungen

  • Die am leichtesten erkrankte Gruppe A erhält einen Bronchodilatator, egal ob Anticholinergikum oder Beta2-Agonist, kurz oder lang wirksam. Bleibt das ohne Erfolg, soll die Substanzklasse gewechselt werden. Vorgesehen ist auch, dass die Therapie beendet werden soll, wenn sie keinen Nutzen (mehr) bringt.

  • Gruppe B (viele Symptome, jedoch ohne Exazerbationen) soll einen lang wirksamen Bronchodilatator erhalten, wobei keine Präferenz für Anticholinergikum (LAMA) oder Beta2-Agonist (LABA) besteht. Persistieren die Symptome, werden LAMA und LABA kombiniert. Leidet der Patient an schwerer Atemnot, ist auch die initiale Kombitherapie eine Option.

  • Auch Gruppe C (wenig Symptome, gehäuft Exazerbationen) erhält zum Therapieeinstieg eine Monotherapie, wobei GOLD ganz klar dem LAMA den Vorzug einräumt, weil er Exazerbationen effektiver vorbeugt als ein LABA. Bei schwerer Atemnot wird auch hier der Einstieg mit der dualen Bronchodilatation empfohlen. Auch eskaliert wird vorzugsweise mit der bronchodilatatorischen Zweifachkombination. Alternativ kann ein inhalatives Kortikosteroid (ICS) mit einem LABA gegeben werden, diese Strategie gilt wegen des erhöhten Pneumonierisikos unter ICS aber nur als 2. Wahl.

  • Die Gruppe D der schwer kranken COPD-Patienten sollte grundsätzlich initial eine duale Bronchodilatation erhalten und, wenn weitere Exazerbationen auftreten, entweder ein ICS obendrauf bekommen (bevorzugte Option) oder auf LABA/ICS umgestellt werden. Als weitere Optionen für ausgesuchte Patienten werden Roflumilast und Makrolide aufgeführt.


Welte hätte sich gewünscht, dass GOLD sich noch klarer positioniert und die ICS ganz aus dem Algorithmus herausnimmt: „Man hätte sie im Begleittext als mögliche Option für einzelne Patienten mit definierten Merkmalen aufführen sollen, etwa in dem Sinne: ICS können erwogen werden bei Häufig-Exazerbierern.“

Seine größten Bedenken gehen dahin, dass gar zu viele COPD-Patienten auf dem Triple LABA/LAMA/ICS landen, das laut GOLD allenfalls bei Gruppe D infrage kommt. „Das wäre klinisch und wissenschaftlich ein Desaster.“ Es steht aber zu befürchten, dass es dazu kommt. Derzeit erhalten in Deutschland ein Drittel der nicht exazerbierenden COPD-Patienten ein ICS –selbst nach der alten Empfehlung besteht hier keine Indikation dafür und übrigens auch keine Zulassung.

Welte erinnerte ferner daran, dass Ärzte auch die Möglichkeit im Hinterkopf behalten sollten, dass eine Therapie wieder beendet werden kann, wenn sie nicht oder nicht mehr nutzt – das gilt natürlich auch für ICS (und LAMA und LABA).

 
Wenn gar zu viele COPD-Patienten auf dem Triple LABA/LAMA/ICS landen, wäre das klinisch und wissenschaftlich ein Desaster. Prof. Dr. Tobias Welte
 

Aufgewertet wurde auch die nicht-medikamentöse Therapie. GOLD räumt Maßnahmen wie Schulung, Rauchentwöhnung, Trainingstherapie und Rehabilitation einen hohen Stellenwert ein, mindestens gleichberechtigt mit der medikamentösen Behandlung.

Impfungen nicht zu vergessen: Jeder Patient mit COPD sollte gegen Influenza und Pneumokokken geschützt sein. In Deutschland liegt die Rate bei gerade mal 40% für die Influenza, für die Pneumokokken bei unter 20%.

Management von Exazerbationen

Ein eigenes Kapitel in GOLD 2017 ist dem Management von Exazerbationen gewidmet. Es beginnt mit einer revidierten Definition, der zufolge Exazerbationen eine akute Verschlechterung der Symptomatik darstellen, die eine Intensivierung der Therapie erfordert. Leichte Exazerbationen kann der Patient selbst mit mehr Bedarfsmedikation managen, moderate Exazerbationen erfordern Antibiotika und/oder orale Kortikosteroide, schwere eine notärztliche oder stationäre Behandlung.

Eigens aufgenommen wurde auch ein Abschnitt zum poststationären Follow-up, das so früh wie möglich beginnen sollte, um Re-Exazerbationen vorzubeugen. Dazu gehören u. a. die Sicherstellung der korrekten Inhalationstechnik, die Überprüfung der Symptomatik (CAT oder mMRC) und die Überprüfung und das optimale Management von Begleiterkrankungen.

 

REFERENZEN:

1. GOLD-Report 2017

 

Kommentar

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