„Durchbruch“ bei Morbus Crohn? Oraler JAK-Hemmer Filgotinib in Phase 2 gut wirksam, mit wenig Nebenwirkungen

Dr. Martina Frei

Interessenkonflikte

9. Februar 2017

Neue Therapieansätze sind bei Morbus Crohn dringend gesucht. Ein Erfolg versprechender Kandidat könnte Filgotinib heißen. In einer aktuellen Publikation in The Lancet war dieser Januskinase-Hemmer wirksam und relativ sicher [1].

„Das ist ein Durchbruch“, urteilt Prof. Dr. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Schreiber ist Co-Autor der S3-Leitlinie zu Morbus Crohn und war sowohl an der jetzt publizierten Studie beteiligt als auch an einer früheren Phase-2b-Studie zum JAK-Hemmer Tofacitinib. Nachdem Tofacitinib in einer Phase-2b-Studie und einer Phase-2-Studie zu M. Crohn keine signifikant besseren Remissionsraten erzielt hatte als Placebo, war fraglich, ob und wie Filgotinib nun reüssiert.

Erste Phase der Studie: Nach 10 Wochen mehr klinische Remissionen unter Filgotinib

Für die aktuelle Doppelblindstudie FITZROY randomisierten die Autoren um Prof. Dr. Séverine Vermeire, University Hospitals Leuven, Belgien, 174 Patienten aus 9 europäischen Ländern. Sie litten seit mindestens 3 Jahren an Morbus Crohn; ihr Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) lag im Durchschnitt bei circa 290. Bisherige Medikamente, wie zum Beispiel Budesonid oder Mesalazin, durften die Studienteilnehmer während des Experiments wie gewohnt weiter einnehmen.

Prof. Dr. Stefan Schreiber

Die vom Hersteller gesponserte Studie bestand aus 2 Phasen. Zunächst erhielten die Probanden 10 Wochen lang entweder 200 mg Filgotinib täglich oder Placebo.

Den primären Outcome, klinische Remission (definiert als CDAI unter 150), erreichten in der Filgotinib-Gruppe nach 10 Wochen 47%, unter Placebo waren es 23%. In der Untergruppe der Patienten, die noch nie mit Anti-TNF-Antikörpern behandelt worden waren, sprachen 60% auf Filgotinib an, versus 13% unter Placebo. Bei den mit Anti-TNF Vorbehandelten waren es 37 respektive 29%.

Wegen unerwünschter Wirkungen stoppten in dieser 1. Studienphase 7% der Probanden die Placebo-Einnahme; genauso viele brachen die Einnahme wegen mangelnder Wirkung ab. In der Filgotinib-Gruppe setzten 3% die Medikation wegen Nebenwirkungen ab und 8% wegen mangelnder Effektivität.

 
Das ist ein Durchbruch. Prof. Dr. Stefan Schreiber
 

„Der neue Wirkstoff hat großes Potenzial“, sagt Schreiber. „Er wirkt sehr gut, ist oral verfügbar und hat bisher wenig Nebenwirkungen gezeigt.“

Zweite Phase der Studie: Ähnlich gute Ergebnisse

Im (statistisch underpowerten) zweiten Teil der Studie, der weitere 10 Wochen dauerte, wurden die Patienten, die ansprachen, erneut randomisiert, diesmal in 3 Studienarme: täglich 200 mg oder 100 mg Wirkstoff oder Placebo. Gleichzeitig reduzierten die Teilnehmer etwaige Steroide, die sie bis dahin zusätzlich genommen hatten.

Non-Responder in der ersten Studienphase erhielten – nach Re-Randomisierung – erneut täglich 200 mg Filgotinib oder aber Placebo. Probanden, die auf Placebo reagiert hatten, bekamen im 2. Teil weiterhin das Scheinmedikament; die „Placebo-Non-Responder" wechselten auf Filgotinib 100 mg täglich.

Nach 20 Wochen lagen die Remissionsraten der Patienten, die in mindestens einem der Studienphasen Filgotinib genommen hatten, zwischen 50 und 71%.

Sicherheitsanalyse: 3% der Filgotinib-Probanden bekamen schwere Infektionen

 
Der neue Wirkstoff hat großes Potenzial: Er wirkt sehr gut, ist oral verfügbar und hat bisher wenig Nebenwirkungen gezeigt. Prof. Dr. Stefan Schreiber
 

Für die gesamte Sicherheitsanalyse fassten die Studienautoren die Daten aller Patienten zusammen, die Filgotinib bekamen, egal wann und in welcher Dosierung: Unter Verum stoppten demnach 18% der Probanden wegen unerwünschter Wirkungen die Einnahme, in der Placebo-Gruppe waren es 9%. Ernsthafte Nebenwirkungen betrafen 9% unter Filgotinib, 4% mit Placebo. 3% der Filgotinib-Probanden bekamen schwere Infektionen.

Auffallend war der Anstieg der HDL-Cholesterinwerte unter Filgotinib nach 20-wöchiger Behandlung. Das Verhältnis von LDL zu HDL stieg um 3%, unter Placebo um 10%.

„Endoskopische Daten sehen gut aus“

Zu den sekundären Outcomes zählten unter anderem C-reaktives Protein, Calprotectin, endoskopischer Befund, Abheilen der Schleimhautläsionen, Schmerzen und Stuhlfrequenz sowie Lebensqualität. Filgotinib schnitt in allen Punkten tendenziell besser ab als Placebo.

 
Zur Heilung der Mukosa gibt es eine Folgestudie; die endoskopischen Daten sehen gut aus. Prof. Dr. Stefan Schreiber
 

Die Quote an Patienten mit deutlicher Heilung der Mucosa (Verbesserung des ‚Simplified Endoscopy Score for Crohn’s Disease‘ SES-CD um mindestens 50%) betrug unter Placebo-Behandlung 14% bzw. 25% unter Filgotinib – wobei dies der kurzen Behandlungsdauer anzulasten sei, wie die Studienautoren schreiben. „Zur Heilung der Mukosa gibt es eine Folgestudie; die endoskopischen Daten sehen gut aus“, sagt Schreiber.

Filgotinib: Reiner JAK-1-Hemmer

Der Grund, weshalb Filgotinib bei Morbus Crohn wirkt und Tofacitinib nicht, liegt vermutlich darin, dass Filgotinib sehr selektiv die Januskinase 1 hemmt. Im Gegensatz dazu inhibiert Tofactinib zusätzlich auch JAK 2 und JAK 3. „Filgotinib ist ein reiner JAK 1-Hemmer“, sagt Schreiber. „Deshalb verursacht er im Vergleich zu Inhibitoren, die mehrere Januskinasen hemmen, weniger Nebenwirkungen, und man kann ihn höher dosieren.“

Sollten sich die jetzigen Studienresultate in der Phase 3 bestätigen, wäre die orale Verfügbarkeit „eine attraktive Option“, findet auch Dr. Ashwin Ananthakrishnan vom Massachusetts General Hospital, Boston, der die Studie in The Lancet kommentiert [2]. Überdies würde die Wirkung der „small molecules“ nicht durchs Immunsystem unterlaufen.

Dennoch gibt Ananthakrishnan zu bedenken: „Es könnte sein, dass die neuen Behandlungsmöglichkeiten die Bedürfnisse der wachsenden Anzahl von Patienten, die auf Anti-TNF-Therapien nicht mehr ansprechen, nicht ausreichend erfüllen.“

 

REFERENZEN:

1. Vermeire S, et al: Lancet 2017;389:266-275

2. Ananthakrishnan AN: Lancet. 2017;389:228-229

 

Kommentar

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