Verdacht auf Prostatakrebs: Vorab-Scan mittels multiparametrischem MRT erspart einem von 4 Männern die Biopsie

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

6. Februar 2017

Ein multiparametrisches MRT (mpMRT) kann bei Männern mit Verdacht auf Prostatakrebs die Diagnose verbessern und unnötige Biopsien vermeiden – das legt eine Studie nahe, die jetzt im Lancet publiziert worden ist [1]. Dr. Hashim U. Ahmed von der Division of Surgery and Interventional Science am University College London und seine Kollegen schätzen, dass das Hinzunehmen von mpMRT als Vorab-Scan einem von 4 Männern vor unnötigen Biopsien bewahren und die Zahl von Überdiagnosen senken könnte.

Prof. Dr. Peter Hammerer, Chefarzt der Urologie und Uroonkologie am Klinikum Braunschweig und Mitglied des Vorstandes der AUO (Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie) sieht in den Ergebnissen von PROMIS noch keinen Anlass, bei jedem Patienten zu einem mpMRT zu raten. „Das MRT ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik und gehört wie der PSA-Wert und die ultraschall-gestützte Biopsie zum Gesamtbild. Soweit, dass bei einem leicht erhöhten PSA-Wert direkt ein multiparametrisches MRT folgt, sind wir aktuell noch nicht“, sagt Hammerer.

Dass ein mpMRT nicht gleich zu Diagnosebeginn eingesetzt wird, hat mehrere Gründe. Der Hauptgrund ist die Aussagekraft der Bildgebung: „In auf Prostatapatienten spezialisierten Zentren ist die Aussagekraft eines mpMRT hoch. Doch außerhalb von spezialisierten Zentren werden ja nicht nur MRT der Prostata gemacht. Eine Vielzahl von Befunden ist deshalb wenig aussagekräftig“, erklärt Hammerer.

 
Soweit, dass bei einem leicht erhöhten PSA-Wert direkt ein multiparametrisches MRT folgt, sind wir noch nicht. Prof. Dr. Peter Hammerer
 

Auch deshalb seien die Ergebnisse der PROMIS-Studie – deren mpMRT in spezialisierten Zentren durchgeführt wurden – nicht so einfach auf den Diagnosealltag in Deutschland übertragbar. Ein weiterer Grund seien die Kosten: In Großbritannien ist eine mpMRT deutlich günstiger als in Deutschland.

Multiparametrisches MRT versus TPM-Biopsie

Aufgrund von erhöhten PSA-Werten würden in Großbritannien jedes Jahr 100.000 Biopsien durchgeführt, in Europa liege die Zahl bei 1 Million, schreibt Ahmed. Vor diesem Hintergrund testeten die britischen Mediziner in einer multizentrischen Kohortenstudie die diagnostische Präzision von mpMRT und transrektal-ultraschallgeführter Biopsie (TRUS) gegen die TPM-Biopsie (Template Prostate Mapping) als Referenz.

Im Zeitraum Mai 2012 bis November 2015 nahmen 576 Männer an der Studie teil. Ihre PSA-Konzentrationen lagen über 15 ng/ml und sie hatten keine vorangegangenen Biopsien. Die Probanden unterzogen sich einer 1,5 Tesla mpMRT, gefolgt von einer TPM-Biopsie zur Referenz und einer TRUS-Biopsie, die als Standard bei Verdacht auf Prostatakrebs mit erhöhtem PSA eingesetzt wird.

Die jeweiligen Testverfahren und -resultate waren gegeneinander verblindet. Klinisch signifikante Tumoren waren definiert für einen Gleason Score 7 und höher (≥ 4 + 3) oder eine Karzinomlänge von 6 mm oder länger.

Bei der TPM-Biopsie wurden bei 408 der 576 Männer (71%) Tumoren festgestellt, in 230 von 576 Fällen (40%) handelte es sich dabei um klinische relevante Karzinome. Bei den klinisch relevanten Prostatakarzinomen war das mpMRT sensitiver: 93% wurden mittels mpMRT diagnostiziert (95%-Konfidenzintervall:  88-96%), durch die Standard-TRUS-Biopsie dagegen nur 48% (95%-KI: 42-55%), p < 0,0001.

Allerdings war die mpMRT mit 41% (95%-KI: 36-46%) weniger spezifisch: als die TRUS-Biopsie mit 96% (95%-KI: 94-98%), p < 0,0001. Die TRUS-Biopsie schloss damit verlässlicher als die mpMRT ein Prostatakarzinom aus.

PROMIS-Ergebnisse ändern die Leitlinien-Empfehlungen nicht

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass mpMRT vor dem Einsatz einer Biopsie genutzt werden sollten. Denn zur Triage eingesetzt, ließen sich durch mpMRT bei 27 Prozent der Patienten primäre Biopsien vermeiden“, bilanzieren Ahmed und seine Kollegen. Gelenkt durch die mpMRT-Ergebnisse könnten anschließende TRUS-Biopsien bis zu 18% mehr klinisch signifikante Karzinome entdecken – im Vergleich zur ausschließlichen Standard-TRUS-Biopsie.

 
Unsere Ergebnisse zeigen, dass MP-MRT vor dem Einsatz einer Biopsie genutzt werden sollten. Dr. Hashim U. Ahmed und Kollegen
 

Weil TRUS-Biopsien aber der Standard seien, erhielten manche Männer, die kein Karzinom haben oder an einer vergleichsweise harmlosen, wenig aggressiven Form erkrankt sind, die falsche Diagnose. Sie würden therapiert, obwohl das keinen Überlebensvorteil bringe und häufig Nebenwirkungen verursachen könne. mpMRT hingegen lieferten Informationen über Karzinomgröße, Zelldichte und eine mögliche Nähe und Anbindung an das Blutgefäßsystem: „Das kann dabei helfen, zwischen aggressiven und harmloseren Karzinomen zu unterscheiden“, schreibt Ahmed.

„Prinzipiell bieten MRT zusätzliche Informationen. Doch die Frage ist ja: Wie hoch ist der tatsächliche zusätzliche Nutzen durch ein MRT?“, sagt Hammerer. Und dabei spielt die Aussagekraft des MRT-Befunds eben eine große Rolle. Grundsätzlich gilt: Tieferliegende, eher aggressive Tumoren lassen sich besser über MRT erkennen. Oberflächlich lokalisierte Karzinome mit geringerer Aggressivität sind mittels Ultraschall besser sichtbar.

Auch die PROMIS-Ergebnisse ändern deshalb nichts an den Empfehlungen der deutschen S3-Leitline und der Empfehlung der Europäischen Fachgesellschaft, betont Hammerer. Diese sehen vor: Erhebung des PSA-Wertes, Tastuntersuchung und transrektaler Ultraschall nach entsprechender Aufklärung bei Patienten mit einer weiteren Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren. „Finden sich bei der Tastuntersuchung suspekte Befunde oder bleibt der PSA-Wert erhöht, folgt eine ultraschallgestützte Biopsie. Bleibt der Befund dann unklar oder ist der PSA weiterhin erhöht, dann folgt ein multiparametrisches MRT“, fasst Hammerer zusammen.

 

REFERENZEN:

1. Ahmed HU, et al: Lancet (online) 19. Januar 2017

 

Kommentar

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