Mit PCSK9-Hemmern lässt sich das LDL-Cholesterin auf sehr niedrige Werte senken – aber ist das noch sicher? Eine gepoolte Analyse von 14 randomisiert-kontrollierten Studien gibt erst einmal Entwarnung [1]. LDL-Cholesterinwerte unter 25 oder gar unter 15 mg/dl waren bei Herzpatienten nicht mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen verbunden. Allerdings gab es in der Studie von Dr. Jennifer G. Robinson von der University of Iowa, USA, und ihren Kollegen Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Kataraktrisiko.
Die vorliegende Untersuchung zeige, dass „Patienten, die unter Therapie mit Alirocumab bei extrem niedrigen LDL-Cholesterinwerten landen – absichtlich stellt man eigentlich niemanden so niedrig ein – zumindest kurzfristig keine unerwünschten Effekte haben“, sagt Prof. Dr. Ulrich Laufs, der an der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes die AG Klinisch-Experimentelle Medizin leitet, im Gespräch mit Medscape. „Der Hinweis auf neurokognitive Nebenwirkungen aus früheren Studien hat sich nicht bestätigt, dafür ist nun das Signal bei Katarakten aufgetaucht, welches weiter beobachtet werden muss.“
Er betont: „Mit solchen extrem niedrigen LDL-Cholesterinwerten hat man noch keine Erfahrungen. In Statinstudien wie PROVE-IT oder IMPROVE-IT, in denen relevante Zahlen an Patienten relativ niedrige LDL-Cholesterinwerte um die 30 oder 40 mg/dl erreichten, gab es keine Sicherheitsprobleme. Aber man wusste nicht, ob es möglicherweise unerwünschte Effekte hat, wenn man das LDL-Cholesterin noch weiter senkt.“
Plausibel wäre es, da Cholesterin für eine ganze Reihe von Körperfunktionen notwendig ist, etwa die Nebennierenfunktion oder den Transport fettlöslicher Vitamine, wie Robinson und ihre Kollegen schreiben.
Häufigkeit der Nebenwirkungen unabhängig von den erreichten LDL-Werten
Sie untersuchten die Nebenwirkungsraten bei Patienten, die über bis zu 2 Jahre mit dem PCSK9-Hemmer Alirocumab behandelt wurden und 2-mal hintereinander LDL-Cholesterinwerte unter 25 oder unter 15 mg/dl hatten. Ein Wert von 25 mg/dl gilt als notwendig für eine normale Zellfunktion. Insgesamt analysierten sie die Daten von 3.340 Alirocumab-Patienten und 1.894 Kontrollen (Placebo oder Ezetimib) in 14 Studien.
Von den mit Alirocumab behandelten Patienten erreichten 839 (25,1%) 2-mal in Folge LDL-Cholesterinwerte unter 25 mg/dl und 314 (9,4%) unter 15 mg/dl.
Die Inzidenz von Nebenwirkungen unterschied sich nicht zwischen den Patienten, die LDL-Cholesterinwerte unter 25 oder unter 15 mg/dl (72,7% und 71,7%) erreichten oder von denjenigen, deren Cholesterinwerte nicht so stark absanken (76,6%). Die Autoren betonen, dass sich auch die Diabetesinzidenz sowie neurologische und neurokognitive Ereignisse wie etwa Gedächtnisverlust nicht zwischen den Gruppen unterschieden hätten.
Sicherheitssignale aus früheren Studien bestätigen sich nicht
Eine erhöhte Diabetesinzidenz war in einigen früheren Studien mit Statinen beobachtet worden. Und „ein kleiner Trend hin zu nicht näher definierten neurokognitiven Symptomen unter Alirocumab war in der ODYSSEY-LONG TERM-Studie sowie der OSLER-Studie beobachtet worden“, berichtet Laufs. „Im Gesamtstudienprogramm hat sich dies zwar nicht gezeigt, aber deshalb wurde dies hier bei den Patienten mit sehr niedrigen Werten noch einmal überprüft – und hat sich nicht bestätigt.“
Was die Analyse aber zeigt, ist eine erhöhte Inzidenz von Katarakten bei den Patienten mit LDL-Cholesterinwerten unter 25 mg/dl – im Vergleich zu denjenigen mit höheren Werten (2,6 vs 0,8%). Dieser Unterschied trat in einer per Propensity Score gematchten Analyse zutage, war aber beim Vergleich der gepoolten Alirocumab- und Kontrollgruppen nicht vorhanden.
Ob es sich dabei um einen Zufallsbefund handle oder ob wirklich eine Assoziation mit einem erhöhten Kataraktrisiko bestehe, müsse man weiter beobachten, sagt Laufs. Er verweist dafür auf die FOURIER-Studie, deren Ergebnisse im März beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) in Washington erwartet werden.
„FOURIER hat den PCSK9-Hemmer Evolocumab bei mehr als 25.000 Patienten untersucht. Nach der Veröffentlichung werden wir wesentlich mehr über die Sicherheit wissen“, erklärt Laufs. Doch auch danach werde man die Signale aus den Studien weiter beobachten müssen. „Es handelt sich um eine Therapie, die man dauerhaft geben will. Auch nach dem ACC wird die Frage offen bleiben, ob es vielleicht sehr seltene langfristige Nebenwirkungen gibt, die nur bei bestimmten Risikogruppen auftreten. Dafür wird es dann weitere Studien (z.B. ODYSSEY OUTCOMES), Register und die Langzeit-Follow-ups geben.“
REFERENZEN:
1. Robinson JG, et al: JACC 2017;69(5):471-482
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Wie niedrig ist zu niedrig? Extreme LDL-Cholesterinsenkung mit Alirocumab größtenteils sicher – mit einer Ausnahme - Medscape - 2. Feb 2017.
Kommentar