Säurehemmende Medikamente wie Protonenpumpeninhibitoren (PPI) gelten im Allgemeinen als relativ nebenwirkungsarm. Einige Präparate sind sogar frei verkäuflich. Eine aktuelle Studie aus Schottland zeigt jedoch, dass die Einnahme der häufig angewendeten Medikamente mit einem erhöhten Risiko für bakterielle Infektionen des Darmes einhergeht [1].

Prof. Dr. Christian Trautwein
Die Anwendung von Säurehemmern war mit einem um das 1,7-Fache erhöhten Risiko für Infektionen mit dem Bakterium Clostridium difficile (C. difficile) verknüpft. Das Risiko für Infektionen mit Campylobacter war um das 3,7-Fache erhöht. Bei Patienten im Krankenhaus stieg das Risiko sogar um das 1,4- bzw. 4,5-Fache.
Mit die ersten Hinweise, dass die Einnahme von säurehemmenden Medikamenten das Risiko für bakteriell bedingte Diarrhoe erhöht, lieferte 2014 eine Studie am Universitätsklinikum Aachen: „Wir untersuchten eine große Kohorte von Intensivpatienten, die zur Prophylaxe von stressbedingten Magengeschwüren eine Säurehemmung – vorwiegend PPI – erhalten hatten. Sie hatten ein wesentlich erhöhtes Risiko für C. difficile-bedingte Diarrhoe“, berichtet Prof. Dr. Christian Trautwein, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin des Universitätsklinikums und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. „Die aktuell vorgelegte Studie zeigt nun, dass diese Korrelation offensichtlich auch in der normalen Bevölkerung besteht.“
Magensäurebildung gehemmt – Infektionsrisiko erhöht
Erstautor Dr. Li Wei und seine Kollegen vom Department of Practice and Policy am University College London verglichen 188.323 Patienten, die säurehemmende Medikamente – Protonenpumpeninhibitoren oder H2-Rezeptorantagonisten (H2RA) – eingenommen hatten, und 376.646 Kontrollen, die nicht gegenüber säurehemmenden Medikamenten exponiert gewesen waren. Als Exposition galt mindestens ein eingelöstes Rezept für diese Medikamente im Studienzeitraum. Endpunkt der Studie waren positive Stuhltests auf C. difficile, Campylobacter, Salmonellen, Shigellen oder E. coli O157.
Insgesamt waren 22.705 Testresultate positiv – 15.273 auf C. difficile, 6.590 auf Campylobacter, 852 auf Salmonellen, 129 auf Shigellen und 193 auf E. coli O157; Mehrfachinfektionen waren möglich.
Die um potenzielle Störfaktoren korrigierte Hazard Ratio für Diarrhoe mit positiver Bakterienkultur betrug in der mit säurehemmenden Medikamenten behandelten Gruppe 2,72 für Proben aus dem ambulanten Bereich und 1,28 für Proben aus Krankenhäusern. Im Vergleich zur nicht exponierten Kohorte hatten Patienten in der exponierten Gruppe erhöhte Risiken für C. difficile und Campylobacter. Die Hazard Ratios betrugen 1,70 und 3,71 für Proben aus dem ambulanten Bereich und 1,42 und 4,53 für Proben aus dem Krankenhaus.
Mehr Infektionen im Krankenhaus
Krankenhauspatienten, die PPI oder H2RA eingenommen hatten, wiesen ein höheres Risiko für bakteriell bedingte Diarrhoe als ambulante Patienten auf. Ebenfalls erhöht war das Risiko bei Patienten mit HIV-Infektion/AIDS oder Lungen- oder Nierenerkrankungen. In den Sommermonaten war das Risiko etwas höher als im ersten Quartal des Jahres. Alter und sozioökonomischer Status spielten dagegen keine Rolle.
„Die Magensäure stellt eine natürliche Barriere für Bakterien und andere Krankheitserreger dar. Erhöht sich durch die säurehemmende Therapie der pH-Wert im Magen, können Erreger in den Darm eintreten, die normalerweise abgetötet worden wären, dies hat Auswirkungen auf die normale Darmflora“, erklärt Trautwein. Dabei bestehe zum einen die Möglichkeit, dass ein natürlich in der Darmflora vorhandener Keim wie C. difficile sich ausbreite, und zum anderen die Möglichkeit, dass eine Neuinfektion mit einem Keim wie Campylobacter stattfinde. In Folge der Infektion entzündet sich die Darmschleimhaut und es kommt zur bakteriellen Gastroenteritis.
Indikation genau überprüfen
„Die Säurehemmung wird häufig als relativ nebenwirkungsarm angesehen, doch unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ihr Einsatz signifikante gastrointestinale Konsequenzen haben kann“, schlussfolgern die Autoren um Wei. Trautwein warnt aber davor, „eine Medikamentengruppe, die gute Dienste leiste und auch deshalb häufig verschrieben werde, plötzlich zu verteufeln“.
Doch Ärzten und Patienten müsse bewusst sein, dass „diese Medikamente eines vorsichtigen Umganges bedürfen“, betont der Gastroenterologe im Gespräch mit Medscape. „Der Arzt ist gefragt, die Indikation für diese Medikamente genau zu überprüfen, insbesondere wenn sie längerfristig gegeben werden. Und der Patient sollte sie nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt in der Apotheke kaufen und unkontrolliert schlucken.“ Die beobachtete Risikoerhöhung sei bei Patienten mit Magengeschwür oder Refluxkrankheit eher zu vertreten als bei Patienten mit Reizdarmsyndrom, so Trautwein.
Worauf ist bei der Ernährung zu achten?
In einer Pressemitteilung des British Journal of Clinical Pharmacology, in dem die Studie erschienen ist, rät Seniorautor Prof. Dr. Thomas MacDonald von der Medicines Monitoring Unit der University of Dundee, Schottland: „Patienten, die diese Medikamente einnehmen, sollten besonders sorgfältig auf Hygiene bei der Essenszubereitung achten, da die Entfernung der Säure aus dem Magen sie anfälliger für Infektionen mit Bakterien wie Campylobacter macht, den man zum Beispiel häufig auf Geflügel findet.“
Ob solcherlei Maßnahmen tatsächlich helfen, sei allerdings bislang unklar, betont Trautwein. Er rät bei der Einnahme von Säurehemmern, insbesondere bei langfristiger Therapie, stattdessen eher dazu, die Vitamin-D- und Kalziumversorgung im Blick zu behalten, denn „PPI reduzieren die Resorption von Vitamin D und Kalzium, so dass über die Zeit ein höheres Risiko für Osteoporose besteht“.
REFERENZEN:
1. Wie L, et al. British Journal of Clinical Pharmacology (online) 5. Januar 2017
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Sauer hält gesund: Erhöhen Säurehemmer das Risiko für bakterielle Darminfektionen? - Medscape - 17. Jan 2017.
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