Open Access und faire Preise für Wissenschafts-Magazine: Verhandlungen mit Elsevier stocken – Forscher nutzen Schleichwege

Christian Beneker

Interessenkonflikte

10. Januar 2017

Die im Sommer 2016 begonnenen Verhandlungen der deutschen Wissenschaftsinstitutionen mit dem holländischen Wissenschaftsverlag Elsevier über geringere Preise für Fach-Magazine und den freien Zugang zu den Inhalten (Open Access) stocken. Die Deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) als Vertreterin der Deutschen Wissenschaftsinstitutionen hat eigens die Initiative DEAL ins Leben gerufen, um die Verhandlungen zu führen.

Ziel ist es, mit den Verlagen Elsevier, Springer und Wiley „bundesweite Lizenzverträge für das gesamte Portfolio elektronischer Zeitschriften (E-Journals) großer Wissenschaftsverlage ab dem Lizenzjahr 2017 abzuschließen“, heißt es auf der DEAL-Homepage. „Durch die Effekte eines Konsortialvertrages auf Bundesebene sollen die einzelnen Einrichtungen finanziell entlastet und der Zugang zu wissenschaftlicher Literatur für die Wissenschaft auf breiter und nachhaltiger Ebene verbessert werden. Zugleich soll eine Open-Access-Komponente implementiert werden.“

In Erwartung einer Einigung haben an die 60 Wissenschaftorganisationen, die DEAL beigetreten sind, die teuren Abonnements bei Elsevier zum 1. Januar 2017 gekündigt. Von ihnen haben 4 erklärt, Elsevier habe nun den Online-Zugang ganz gesperrt. Allerdings hätten sich auch nur insgesamt 10 Organisationen auf die Anfrage von DEAL zurückgemeldet, sagt Dr. Ralf Kellershohn von der Pressestelle der HRK.

 
Eine Umfrage bei den Deutschen Hochschulen hat ergeben, dass aus dem Wissenschaftssystem im Jahr etwa 50 Millionen Euro an Elsevier fließen. Dr. Ralf Kellershohn
 

25.000 Euro für ein Jahres-Abo

Bis zu 25.000 Euro kassiere Elsevier jährlich für das Abo einer einzigen Zeitschrift, bestätigt Kellershohn. „Eine Umfrage bei den Deutschen Hochschulen hat ergeben, dass aus dem Wissenschaftssystem im Jahr etwa 50 Millionen Euro an Elsevier fließen. Die Preissteigerung beziffert sich auf etwa 5 Prozent pro Jahr“, so Kellersohn. Kein Wunder, dass die Bezieher eine andere, bezahlbare Regelung wollen.

Aber der holländische Branchenriese lässt offenbar nicht mit sich reden. Jedenfalls beklagte die HRK im Dezember 2016, das Angebot, das Elsevier vorgelegt hat, entspreche „nicht den Prinzipien von Open Access und einer fairen Preisgestaltung“. Sie lehne das Angebot ab.

„Elsevier versucht damit, seine marktbeherrschende Stellung zu nutzen und droht allen Wissenschaftseinrichtungen, deren Verträge Ende 2016 auslaufen, mit einem Abschalten aller Zugänge“, sagt Professor Dr. Horst Hippler, Präsident der HRK und Verhandlungsführer. Nach Angaben Kellersohns sollen die Verhandlungen im Januar erneut aufgenommen werden.

Das Problem horrender Preise für wissenschaftliche Publikationen existiert indessen nicht nur in Deutschland. Beispielsweise auch die finnischen Wissenschaftseinrichtungen verhandeln über das FINELIB-Konsortium mit den Verlagen und kritisieren genauso wie die deutschen die hohen Preise. Im Jahr 2015 bezahlten die finnischen Forschungseinrichtungen 27 Millionen Euro an Abonnementgebühren und die Preise steigen weiter, obwohl sie eher sinken müssten, weil die Journale online verfügbar sind, wie es hieß.

 
Das Subskriptionswesen wird überwunden werden. Dr. Ralf Schimmer
 

Die Verhandlungen mit Elsevier sind auch nicht der erste Versuch, dem Problem beizukommen. Schon seit 2012 ruft unter anderem der Mathematiker Timothy Gowers dazu auf, Elsevier zu boykottieren. Auf der Homepage „The Cost of Knowledge“ können sich Autoren in eine Liste eintragen und sich so dazu bekennen, nicht mit Elsevier-Publikationen zu kooperieren, weder als Autor noch als Peer noch als Herausgeber. Stand 4. Januar 2014: 16.494 Wissenschaftler stimmten „mit den Füßen ab“ und meiden seither die Produkte von Elsevier.

Löst sich das Problem bald von selbst?

Apropos Abstimmung mit den Füßen: Nach Meinung von Dr. Ralf Schimmer, Bereichsleiter der Max Planck Digital Library (MPDL) in München, erledigt sich das Problem gerade selbst. Denn der klassische Weg des Abonnement-Systems passe längst nicht mehr zur Digitalisierung und dem Online-Vertrieb. „Das Subskriptionswesen wird überwunden werden“, konstatiert Schimmer. Denn schon längst teilen die Wissenschaftler weltweit die Fachartikel entweder, indem sie einander Infomieren „und das Verlags-PDF des Artikels gleich mit anhängen, das ist meine Wahrnehmung“, wie Schimmer sagt, „jedenfalls ist das bei den Spitzenwissenschaftlern so.“

 
Aber dieser Napster-Moment für die Wissenschaft hat eine schmerzhafte Botschaft für die Verlage. Dr. Ralf Schimmer
 

Oder Forscher nutzen die Schattenwege des World Wide Web: Piraterie-Plattformen, wie scihub. Sie schmälern schon seit Langem das Geschäft der großen Verlage und haben das Potential, bei den Verlagen zu einem Umdenken beizutragen, wie Schimmer meint. „An die 50 Millionen wissenschaftlicher Artikel sind hier versammelt“, so Schimmer. „Es kommt auch bei uns fast täglich vor, dass sich Gastwissenschaftler mit Verlags-PDFs versorgen, die dann irgendwann bei scihub auftauchen können.“

Natürlich könne keine seriöse Einrichtung auf scihub zurückgreifen, sagt Schimmer. „Aber dieser Napster-Moment für die Wissenschaft hat eine schmerzhafte Botschaft für die Verlage.“ Napster war ursprünglich eine Musik-Tauschbörse im Internet. „Sie hat zum Wandel in der Musikindustrie beigetragen, zum Beispiel Streaming von Musik gegen Monatsgebühr.“

Ungeachtet der Schleichwege zum Open Acces will die HRK weiter mit Elsevier verhandeln, ab Januar auch mit Wiley und Springer. Das Ziel bleibt: Open Access und die Aushandlung einer Rahmenlizenz zu deutlich günstigeren Bedingungen.

 

Kommentar

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