Mit Laser-Licht gegen das frühe Prostata-Karzinom: Ein Balance-Akt zwischen Effektivität und Organ-Schonung

Dr. Thomas Meißner

Interessenkonflikte

9. Januar 2017

Mit einer photodynamischen Therapie lassen sich Männer mit Niedrigrisikokarzinom der Prostata gewebsschonend behandeln und womöglich radikale Behandlungsmethoden für den jeweiligen Patienten vermeiden. Die Frage ist, wann der richtige Therapiezeitpunkt dafür ist.

Die Kombination aus intravenös verabreichten Photosensibilisatoren und Laserlicht sei bei lokal begrenzten Prostatakrebsformen im Frühstadium eine Alternative zur Strategie der aktiven Überwachung (Watchful Waiting), meinen Prof. Dr. Abdel-Rhamène Azzouzi, Urologe am Universitätskrankenhaus Angers, Frankreich, und seine Kollegen aus 9 weiteren europäischen Ländern. Sie hatten sich in 47 Zentren an einer entsprechenden, vom Unternehmen Steba Biotech finanzierten Studie beteiligt [1].

Als gut wirksam und exzellent verträglich bezeichnet Ko-Autor Prof. Dr. Christian Stief von der Ludwigs-Maximilians-Universität in München gegenüber Medscape die photodynamische Therapie. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen, wonach unklar sei, wer denn nun wirklich profitiere: Für Patienten in sehr frühen Stadien sei die Therapie nicht verträglich und für andere Patienten nicht effektiv genug, heißt es in einem Editorial zur in Lancet Oncology erschienenen Studie [2].

Randomisierte Phase-3-Studie

Bei der photodynamischen Therapie wird kanzeröses Gewebe toxisch geschädigt, indem zunächst ein Photosensibilisator verabreicht und danach dieses Gewebe gezielt mit Licht bestrahlt wird. Das Licht induziert Nekrosen, freie Sauerstoffradikale greifen zudem die den Tumor versorgenden Gefäße an.

Das Therapieprinzip wird z.B. bei dermatologischen Präkanzerosen oder Basaliomen angewendet oder auch von Gastroenterologen genutzt, etwa bei Barrett-Ösophagus.

In den vergangenen Jahren hatte es verschiedene Machbarkeitsstudien zur fokalen Therapie bei Prostatakarzinom-Patienten gegeben. Daraus ließ sich bei lokal begrenzten Tumoren eine gute Effektivität und Sicherheit ableiten, vor allem schätzten die so behandelten Patienten die guten funktionellen Ergebnisse – gerade mit Blick auf die radikale Prostatektomie.

In der nun von Azzouzi und seinen Mitarbeitern veröffentlichten, randomisierten Phase-3-Studie hatten 206 Studienteilnehmer mit lokal begrenzten Prostatakarzinomen niedrigen Risikos (Gleason Score 3) Padeliporfin (4 mg/kg Körpergewicht) intravenös per Kurzinfusion erhalten. Die Aktivierung des photoaktiven Stoffes erfolgte mit Laserlicht einer Wellenlänge von 753 nm, das 22 Minuten lang mit einer Energie von 150 mW/cm über perineal eingeführte optische Fasern in den entsprechenden Gewebeabschnitt geleitet wurde. Die etwa 2-stündige Prozedur erfordert eine Allgemeinanästhesie, der Patient muss über Nacht zu Beobachtung im Krankenhaus bleiben.

 
Wir können damit eine Behandlungsform anbieten, die Krebszellen vernichtet, ohne dass wir die Prostata entfernen oder zerstören müssen. Prof. Dr. Mark Emberton
 

Als Vergleichsgruppe dienten 207 Patienten, die aktiv überwacht wurden. Alle Teilnehmer erhielten digitorektale Untersuchungen und PSA-Wert-Bestimmungen alle 3 Monate sowie Prostatabiopsien nach 12 und 24  Monaten. Die Befunde waren verblindet ausgewertet worden. In der Interventionsgruppe war eine erneute Therapie bei positiver Prostatabiopsie zum Kontrollzeitpunkt 12 Monate erlaubt.

Lichttherapie signifikant besser als aktive Überwachung

Innerhalb von 2 Jahren nach Studienbeginn war bei 58% der Patienten in der Beobachtungsgruppe eine Progression der Krankheit festzustellen und bei 28% der Patienten, die sich der photodynamischen Therapie unterzogen hatten – ein statistisch signifikanter Unterschied. Die Gewebeproben aus Prostatabiopsien waren nach 2 Jahren bei 14% der Männer in der Kontrollgruppe frei von Tumorzellen und bei der Hälfte der Männer nach aktiver Therapie. 12 Patienten in der Interventionsgruppe, aber 60 Patienten in der Kontrollgruppe mussten im Studienzeitraum operiert werden oder benötigten die Strahlentherapie.

Insgesamt war die photodynamische Therapie gut vertragen worden. Zwar traten zeitweise Erektions- oder Miktionsprobleme auf, zu Studienende zeigten die Scores IIEF-15 (International Index of Erectile Function) und IPSS (International Prostate Symptom Score) jedoch ähnliche Ergebnisse in den beiden Studiengruppen. Über perineale Schmerzen nach photodynamischer Therapie berichteten 15% der Patienten. Die häufigsten höhergradigen Nebenwirkungen waren Prostatitis bei 2%, akuter Harnverhalt bei 2% und erektile Dysfunktion bei 1% der aktiv behandelten Männer.

Insgesamt sei keine messbare Einschränkung der Lebensqualität festgestellt worden, so Senior-Autor Prof. Dr. Mark Emberton, Urologe am University College London, Großbritannien, in einer Pressemitteilung. „Das sind sehr gute Nachrichten für Männer mit frühem, lokal begrenztem Prostatakrebs. Wir können damit eine Behandlungsform anbieten, die Krebszellen vernichtet, ohne dass wir die Prostata entfernen oder zerstören müssen.“ Emberton vergleicht die Entwicklung hin zu Organ-schonenden Behandlungsmethoden mit jener bei Brustkrebs: Früher habe man fast jeder betroffenen Frau die Brust abgenommen, heute sei das nur noch selten nötig.

 
Eine Behandlung, die – wie in dieser Studie – bei der Hälfte der Männer Krebsresiduen hinterlässt, kann nicht als ideal bezeichnet werden. Prof. Dr. Stephen Freedland
 

Behandeln oder nicht behandeln?

Weniger begeistert äußert sich dagegen Prof. Dr. Stephen Freedland vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles, USA, in einem Editorial: „Eine Behandlung, die – wie in dieser Studie – bei der Hälfte der Männer Krebsresiduen hinterlässt, kann nicht als ideal bezeichnet werden.“ Immerhin sei es bei mehr als einem Viertel der aktiv behandelten Patienten zu einem Progress gekommen.

Freedland hält die Verträglichkeit der photodynamischen Therapie bei sehr frühen Krebsstadien im Vergleich zur aktiven Überwachung immer noch für zu schlecht, als dass diese Therapieform gerechtfertigt sei. Andererseits scheine sie für manche Patienten nicht aggressiv genug zu sein, wenn doch nach 2 Jahren noch recht häufig positive Biopsieresultate aufträten.

Stief ist zwar ebenfalls der Meinung, dass das Therapieziel bei Patienten, wie sie in der Studie eingeschlossen waren, die „Auslöschung des Karzinoms“ sein müsse. „Denn wir wissen aus neuesten molekularbiologischen Forschungen, dass auch frühe und kleine Karzinome metastasieren können.“ Andererseits hält er die Wirksamkeit der photodynamischen Therapie für gut.

Und: Wiederholungsbehandlungen oder Operationen seien möglich, falls die erste Therapie ungenügende Erfolge zeige. Nach Stiefs Ansicht sind jene Patienten gute Kandidaten für die photodynamische Therapie, deren Prostatakarzinom auf eine Seite beschränkt ist, dessen Durchmesser nicht größer als 1,5 cm und dessen Gleason-Score nicht über 7 liege.

Die Studienautoren schauen jedenfalls optimistisch in die Zukunft: Moderne diagnostische Methoden würden eine verbesserte Risiko- und damit Therapiestratifizierung bei neu diagnostizierten Prostatakarzinomen erlauben. Letztlich wird es darauf ankommen, wie sich organschonende Therapien im Langzeitverlauf auf die Kontrolle der Krebserkrankung auswirken werden.

 

REFERENZEN:

1. Azzouzi AR, et al. Lancet Oncology (online) 19 Dezember 2016

2. Freedland SJ: Lancet Oncology (online) 19. Dezember 2016  

 

Kommentar

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