Auch orale Sexualpraktiken führen zur Verbreitung sexuell übertragbarer Infektionen (Sexually Transmitted Diseases, STD). Dagegen wollen Forscher nun unter anderem mit handelsüblichen Mundspüllösungen vorgehen. In einer australischen Studie war die auch bei uns verfügbare Mundspülung Listerine® gegen orale Gonokokken wirksam.
Gonorrhoe breitet sich wieder aus
Dass Forscher nach einfachen, preisgünstigen Möglichkeiten zur STD-Prävention suchen, ist angesichts von Statistiken naheliegend. Weltweit nimmt die Zahl an Menschen mit STD rapide zu. Laut „Sexually Transmitted Disease Surveillance Report“ infizieren sich Jugendliche und junge Erwachsene besonders häufig.
Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, sind wie in früheren Untersuchungen die wichtigste Risikogruppe geblieben. Rund 8 von 10 Gonorrhoe-Fällen treten bei MSM auf. Genaue Zahlen gibt es allerdings nur in den USA. Die Centers für Disease Control and Prevention (CDC) geben für 2015 genau 395.216 Fälle an.
In Deutschland ist die Erkrankung mit Ausnahme von Sachsen seit rund 15 Jahren nicht mehr meldepflichtig. Der Freistaat meldet eine Verdopplung der Infektionen pro 100.000 Einwohner von 6,8 in 2003 auf 13,7 Fälle in 2011.
Angesichts dieses Trends raten Experten am Robert Koch-Institut (RKI) neben regelmäßigen Untersuchungen vor allem zur Prävention. „Zu beachten ist, dass bei bestehender pharyngealer Gonorrhoe eine Übertragung durch oralen Kontakt (oral-oral und oral-genital) möglich ist“, heißt es in einem Übersichtsbeitrag.
In-vitro- und in-vivo-Studien mit Listerine®
Jetzt berichtet der australische Wissenschaftler Dr. Eric P.F. Chow von einer überraschenden Präventionsmöglichkeit der oralen Übertragung der Erreger: „Tägliches Spülen und Gurgeln erweist sich als preisgünstiger, einfacher Weg, um die Verbreitung bakterieller Infektionen zu stoppen“, schreibt der Wissenschaftler in der Zeitschrift Sexual Transmitted Infections [1]. Er arbeitet am Melbourne Sexual Healt Centre, Australien.
Chow wählte handelsübliche Listerine®-Präparate, die es in australischen Apotheken oder Supermärkten gibt – und die auch in Deutschland verfügbar sind. Die Flüssigkeit enthält neben 1,8-Cineol, Menthol, Thymol und Methylsalicylat vor allem Ethanol als wirksame Komponente.
Für In-vitro-Tests setzte der Forscher Listerine® (Cool Mint und Total Care) mit je 21,6% Alkohol in verschiedenen Konzentrationen bis 1:32 ein. Mit dieser Lösung behandelte er Kulturen von Neisseria gonorrhoeae. Eine Kochsalzlösung kam mit hinzu. Das Ergebnis: Listerine® reduzierte die Bakterien noch in der Verdünnung 1:4 signifikant. Als Einwirkungszeit gibt Chow 60 Sekunden an.
Nach diesen vielversprechenden In-vitro-Experimenten folgte eine klinische Studie mit 196 Männern. Alle gaben an, bi- oder homosexuell zu sein. Bei ihnen hatten Ärzte schon früher N. gonorrhoeae im Bereich von Mund oder Rachen gefunden und therapiert. Kurz darauf ließen sich Bakterien aber wieder bei 58 Patienten (30%) nachweisen.
Von ihnen wurden 33 randomisiert der Listerine®- und 25 der Kochsalz-Gruppe zugeordnet. Sie erhielten die Anweisung, mit der jeweiligen Lösung eine Minute zu gurgeln. Anschließend ließ sich das Bakterium noch bei 52 versus 84% der Teilnehmer nachweisen. 5 Minuten nach der Anwendung verringerte sich die Wahrscheinlichkeit, positiv getestet zu werden, in der Listerine®-Gruppe um 80% gegenüber der Kochsalz-Gruppe.
Methode mit großer Bedeutung oder falsches Signal?
Jetzt plant Chow eine größere Studie, um die Ergebnisse zu verifizieren. „Falls tägliche Mundspülungen die Dauer unbehandelter Infektionen oder das Infektionsrisiko verringern, hat die Methode große Bedeutung für die öffentliche Gesundheit“, schreibt der Forscher. Sein Verfahren bewertet er als „überall verfügbar, kostengünstig und unabhängig von Kondomen“.
Genau dies ist aber auch ein möglicher Kritikpunkt. Natürlich geht es im Alltag nicht nur um eine pharyngeale Gonorrhoe. Für STI spielt der anale oder vaginale Übertragungsweg immer noch die größte Rolle. Das Vertrauen in die anti-bakterielle Wirksamkeit von Mundspüllösungen, könnte Infektionsgefährdete in falscher Sicherheit wiegen und sie häufiger als bislang auf Kondome verzichten lassen, ist zu befürchten.
Was Chow auch nicht getestet hat, ist die Adhärenz unter Alltagsbedingungen: Wird die Mundspüllösung tatsächlich regelmäßig eingesetzt – und auch wirklich eine Minute lang gegurgelt?
REFERENZEN:
1. Chow EPF, et al: Sex Transm Infect 2016;0:1-6
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Gurgeln gegen Gonorrhoe: Mundspülung Listerine verringert Übertragungsrisiko beim Oralsex - Medscape - 6. Jan 2017.
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