Hohes LDL-Cholesterin in der Primärprävention – da ist die Abschätzung des individuellen kardiovaskulären Risikos des Patienten oft gar nicht so einfach. Vielleicht könnte hier der Biomarker kardiales Troponin hilfreich sein – ebenso wie für die Verlaufskontrolle einer Statintherapie. Darauf deuten die Ergebnisse einer Studie im Journal of the American College of Cardiology hin [1].
Zwar wird Troponin derzeit vor allem in der Diagnostik des akuten Koronarsyndroms genutzt. Doch seit der Einführung hochsensitiver Assays überlegen Ärzte, kardiale Troponine auch zur Einschätzung des kardiovaskulären Risikos heranzuziehen, wie Medscape bereits berichtete.
„Das Konzept, das in der WOSCOPS-Studie verfolgt wurde, ist schon sehr wichtig. Zumal die Bestätigung, dass Troponin nicht nur ein guter Biomarker für die Infarktdiagnose und Risikostratifizierung, sondern auch für die Auswahl einer Therapie und deren Erfolgskontrolle ist, von großer Bedeutung wäre“, kommentiert Prof. Dr. Evangelos Giannitsis, Oberarzt der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie und Leiter der Chest Pain Unit der Universität Heidelberg, im Gespräch mit Medscape die neuen Ergebnisse.
Troponinwert unabhängiger Prädiktor für einen Myokardinfarkt
Dr. Ian Ford und seine Kollegen der University of Glasgow versuchten mittels ihrer aktuellen Auswertung von WOSCOPS (West of Scotland Coronary Prevention Study) das diagnostische Potenzial des hochsensitiven Troponins (hscTn) und vor allem dessen Vorhersagewert für koronare Ereignisse genauer zu klären.
Tatsächlich erwies sich der Troponinwert zu Studienbeginn als unabhängiger Prädiktor für das Auftreten eines Myokardinfarktes oder eines kardiovaskulär bedingten Todes innerhalb der nächsten 5 bis 15 Jahre. Patienten, deren Troponin-Werte in der höchsten Quartile des Referenzbereichs (≥ 5,2 ng/l) lagen, wiesen dabei ein mehr als doppelt so hohes Infarkt- und kardiovaskuläres Todesrisiko auf wie Probanden, deren Werte in der niedrigsten Quartile (≤ 3,1 ng/l) lagen (Hazard Ratio: 2,3).
„Ich persönlich halte Troponin für einen sehr geeigneten Biomarker. Doch dass er das ist, muss sich noch durchsetzen und in klinischen Studien zeigen“, meint Giannitsis. Wie groß das Potenzial tatsächlich ist, und welche Rolle die Pravastatin-Gabe bei der Troponinsenkung spielt, konnte WOSCOPS allerdings nur bedingt klären: „Die jetzige Studie ist leider nicht wirklich geeignet, um das Potenzial von Troponin als Biomarker bewerten zu können“, kommentiert Giannitsis und rät, „die Studienergebnisse aus WOSCOPS nicht überzuinterpretieren“. Denn: „Die Limitationen der Studie wurden kaum thematisiert“.
Niedriges Troponin: 5-fach geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse
Ford und seine Kollegen analysierten 6.595 schottische Männer im Alter zwischen 45 und 64 Jahren mit erhöhtem LDL-Cholesterin (152 bis 228 mg/dl) und ohne Infarkt in der Vorgeschichte, die randomisiert 40 mg Pravastatin täglich oder Placebo erhalten hatten. Im Schnitt wurden die Probanden über 5 Jahre nachverfolgt.
Es zeigte sich im Verlauf eines Jahres bei denjenigen Probanden, deren hscTn-Spiegel am deutlichsten abgenommen hatten (unabhängig davon, ob die Veränderungen der Troponinspiegel unter Placebo oder unter Pravastatin aufgetreten waren) ein 5-fach geringeres Risiko für ein kardiales Ereignis als bei denjenigen Teilnehmern, deren Spiegel sogar gestiegen waren (HR: 0,29 vs 1,95; p < 0,001).
Unter Pravastatin hatte allerdings bei doppelt so vielen Teilnehmern das Troponin um 25% abgenommen wie unter Placebo. Diese Patienten wiesen auch das niedrigste kardiovaskuläre Risiko auf (1,4% innerhalb der nächsten 5 Jahre). Im Schnitt nahmen die Troponin-Spiegel unter Pravastatin um 13% ab. Überraschend war, dass weder die LDL-Cholesterinwerte der Männer zu Studienbeginn noch ihre Veränderungen signifikant mit dem kardiovaskulären Risiko assoziiert waren. Allerdings ließen sich nur bei rund der Hälfte der Studienteilnehmer (n = 3.318) die hscTn-Messungen auswerten.
Troponin geeignet um Therapie-Nutzen abzuschätzen
„Kardiales Troponin ist ein unabhängiger Prädiktor für koronare Herzerkrankungen bei Männern mittleren Alters mit Hypercholesterinämie und ohne vorhergehenden Infarkt. Die Konzentrationen werden durch Statingabe verringert. Die niedrigeren Troponin-Werte sind mit einer besseren kardiovaskulären Prognose assoziiert, dies unabhängig von einer LDL-Cholesterin-Senkung“, bilanziert Ford.
Dies, so Ford, könne die These stützen, dass Statine neben ihrer Wirkung auf den LDL-Cholesterin-Stoffwechsel auch andere unabhängige biologische Mechanismen beeinflussen. So wurden ihnen bereits entzündungshemmende, immunmodulierende Effekte und günstige Wirkungen auf die Endothelfunktion zugeschrieben. Ford und seine Kollegen sehen in seriellen Troponinmessungen ein großes Potenzial, das genutzt werden könne, um kardiovaskuläre Risiken abzuschätzen und den Einfluss von therapeutischen Interventionen zu überwachen. Es sei ein großer Fortschritt wenn sich das kardiovaskuläre Risiko anhand eines Biomarkers überwachen ließe, schreibt Ford.
Bereits eine Substudie der Jupiter-Studie aus 2008 hatte ebenfalls in der Primärprävention gezeigt, dass von einer Statintherapie mit Rosuvastatin gerade die Patienten mit den höchsten Troponinwerten profitieren. Und in der PARADIGM-HF-Studie, in der bei Patienten mit Herzinsuffizienz die Therapie mit dem Sacubitril/Valsartan (Entresto®) mit Enalapril verglichen worden war, erwies sich ebenfalls eine stärkere Troponinreduktion als möglicher Hinweis für die bessere Effektivität von Entresto®. „Die Arbeit von Ford und Kollegen baut auf diesen Hinweisen auf“, erklärt Giannitsis.
Dass hochsensitive Troponintests eine neue Dimension in der Diagnostik von Krankheits- und Umbauprozessen des Herzens eröffnen, heben auch Dr. Allan S. Jaffe und Dr. R. Scott Wright von der Mayo Clinic in Rochester/Minnesota, USA, im begleitenden Editorial hervor [2]. Sie halten es für möglich künftig über Troponin therapeutische Interventionen auf ihre Effektivität zu testen und den Therapieerfolg anhand der Troponinspiegel zu kontrollieren.
„Doch wie können wir jetzt diese Daten nutzen? Die Messwerte zu Studienbeginn in WOSCOPS sind niedrig und überlappen zu stark mit den Normwerten, um aus ihnen individuelle Patientenrisiken bestimmen zu können“, schränken Jaffe und Wright ein. Die in der Studie beobachteten Troponin-Veränderungen könnten auch Folge natürlicher Schwankungen sein. Und es überrasche, dass Troponinabfälle auch in der Placebogruppe vorkamen.
Senkung der Troponinkonzentration durch die lange Lagerung der Blutproben ?
Die Schwankungen bei den Troponinveränderungen greift auch Giannitsis auf: Er gibt zu bedenken, dass die verwendeten Blutproben über 20 Jahre alt sind: „Auch bei fachgerechter Lagerung degradieren die Marker im Blut. Im Ergebnis findet man dann viel geringere Konzentrationen. Bei 30% der Patienten fanden sich sehr ausgeprägte Troponinsenkungen, über 25% vom Ausgangswert.“
Die aber gehen – bedenkt man den Konzentrationsverlust aufgrund der langen Lagerung – womöglich gar nicht auf die Statingabe zurück. „Die Senkung der Troponinkonzentrationen kann auch durch die lange Lagerung hervorgerufen worden sein“, bestätigt Giannitsis. Die Konzentrationsveränderungen des Troponins seien nicht schlüssig, zumal sie unterhalb von 4,7 ng/l lagen, ein Bereich, in dem nicht mehr wirklich präzise gemessen werden kann. „Die Impräzision steigt dann exponentiell an und kann leicht 50 Prozent oder mehr betragen“, so Giannitsis.
In der Diskussion berichten Ford und seine Kollegen von „Interferenzen mit Fibrinmikropartikeln“, was im Text nicht weiter ausgeführt wird. Der Aspekt ist aber wichtig, betont Giannitsis: „Das bedeutet, dass die Blutproben geronnen sind. Falls dies der Fall wäre, sind kaum noch präzise Bestimmungen der Troponinkonzentration zu erwarten. „Wir kennen das aus der Klinik, dass ältere Blutproben nach dem Auftauen beim Pipettieren gerinnen“, so Giannitsis.
Die Studie könnte auch unter einem Selektionsbias leiden, da zwar rund 6.000 Patienten in die Originalstudie eingeschlossen worden waren, doch für diese Subanalyse nur 50% (3.318 Patienten) mit 2 Blutmessungen untersucht wurden. „Die Ergebnisse der Studie basieren also auf stark selektionierten Patienten und können nicht auf die gesamte Studienpopulation übertragen werden“, so Giannitsis. Unklar ist ferner, weshalb es auch in der Placebogruppe zu einer Senkung der Herzinfarktrate und der koronarbedingten Todesfälle kam und warum die Prognoseverbesserung unabhängig von der Senkung des LDL-Cholesterins war.
REFERENZEN:
1. Ford I, et al: JACC (online) 27. Dezember 2016
2. Jaffe AS, et al: JACC (online) 27. Dezember 2016
Medscape Nachrichten © 2017 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Nicht nur zur Infarkt-Diagnostik – taugt kardiales Troponin auch als Marker des Infarkt-Risikos in der Primärprävention? - Medscape - 3. Jan 2017.
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