Kurz vor Silvester sorgt das International Council of Ophthalmology (ICO) für Schlagzeilen: Augenärzte der Fachgesellschaft fordern, den Verkauf von Feuerwerkskörpern an Laien weltweit zu verbieten. Ziel sei, Augenärzte und nationale Fachgesellschaften zu ermutigen, sich bei Regierungen für nationale Regelungen einzusetzen, heißt es in einem Positionspapier. Denn selbst strenge Vorschriften zum Erwerb und Einsatz von Pyrotechnik im Konsumentenbereich hätten die Inzidenz von Augenverletzungen nicht verringert.
Laut „Fireworks Annual Report“ der US-amerikanischen Verbraucherschutzkommission mussten Ärzte im Jahr 2014 rund 10.500 Patienten nach Verletzungen durch Feuerwerk behandeln. In 19% aller Fälle waren die Augen betroffen.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus? „Derzeit gibt es nur punktuelle Daten“, sagt Dr. Ameli Gabel-Pfisterer zu Medscape. Sie arbeitet am Klinikum Ernst von Bergmann, Klinik für Augenheilkunde, und ist Mitglied der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Das Klinikum hat daher eine Umfrage unter allen bettenführenden Klinken Deutschlands initiiert.
Nur vereinzelte Daten aus Deutschland
Einer Untersuchung der Universitätsklinik Leipzig zufolge behandelten Augenärzte zwischen 2005 und 2013 insgesamt 122 Personen (28 Frauen und 94 Männer) mit 137 traumatisierten Augen. Nur 23,8% hatten selbst Feuerwerkskörper gezündet. 50 Augen von 46 Patienten erlitten ein schweres Bulbustrauma, und 26 mussten stationär behandelt werden. 11 Augen erblindeten. Statistisch gesehen war das Risiko für jüngere, nicht aktiv beteiligte Männer besonders hoch. Ältere Patienten erlitten meist schwerere Verletzungen.
Vanessa Frommherz von der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg analysierte Daten zu 1.138 Patienten, die sie beim Kongress der DOG 2016 in Berlin präsentiert hat: In den Jahren 2008 bis 2015 wiesen 10 bis 20% der Patienten, die sich an Silvester über die Rettungsstelle der Universitäts-Augenklinik Freiburg vorgestellt haben, eine Verletzung durch Feuerwerkskörper oder Böller auf.
Bundesweite Abfrage gestartet
Gabel-Pfisterer gibt sich mit dem Status quo nicht zufrieden: „Deshalb haben wir eine Umfrage unter allen bettenführenden Klinken Deutschlands initiiert.“ Ziel sei es, erstmals flächendeckend Angaben zu sammeln und auszuwerten.
Die Expertin weiter: „In dem Fragebogen erfassen wir die Einseitigkeit oder Beidseitigkeit von Augenverletzungen sowie eine Abschätzung der Schwere beziehungsweise der erforderlichen Therapie.“ Abgefragt werden Lid-Verletzungen, Schäden an Binde- und Hornhaut bis hin zu schwersten Verletzungen mit geborstenem Augapfel, die in einer Notoperation enden. „Wir brauchen mehr Aufklärung und als Basis hierfür zunächst Daten“, so Gabel-Pfisterer.
Im ersten Schritt will sie zusammen mit ihren Kollegen Prof. Dr. Hansjürgen Agostini und Prof. Dr. Daniel Böhringer von der Universitäts-Augenklinik Freiburg die Tragweite des Problems erfassen. „Anschließend müssen wir die Bevölkerung sensibilisieren“, sagt Gabel-Pfisterer. „Die Risiken von Eigen- und Fremdgefährdung durch Knall- und Feuerwerkskörper scheinen vielen Benutzern nicht klar zu sein.“
Verkaufsverbote würden nutzen
Ob sich ein Verbot politisch durchsetzen lässt, ist derzeit offen, aber nicht auszuschließen. Dass politische Maßnahmen – sprich gesetzliche Lockerungen oder Restriktionen – durchaus medizinische Effekte zeigen, ist erwiesen. In Norwegen ging die Zahl an Augenverletzungen nach Einführung von Verkaufsverboten für Privatpersonen um 87% zurück. Der US-Bundesstaat Minnesota hob frühere Restriktionen auf und liberalisierte seine Gesetze. Prompt meldeten Kliniken einen Anstieg der Fallzahlen um 100%.
Gabel-Pfisterer kann sich jedenfalls vorstellen, dass Pyrotechnik in Deutschland nicht mehr an Privatpersonen abgegeben wird. Städte wie Paris und viele Städte in Holland organisieren Feuerwerke, die von professionellen Pyrotechnikern durchgeführt werden. In Australien gelten ähnlich strenge Regelungen.
Bleibt als Alternative, eine Schutzbrille zu tragen. „Diese kann das Risiko für Verletzungen reduzieren, jede nicht gezündete Rakete aber noch deutlich mehr“, so die Expertin.
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Diesen Artikel so zitieren: Augenverletzungen durch Feuerwerk: Internationale Fachgesellschaft fordert Verkaufsverbot an Laien - Medscape - 29. Dez 2016.
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