Bei Zweitlinien-Behandlung mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib leben Patienten mit fortgeschrittenem T790M-positivem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit 10,1 Monaten signifikant länger progressionsfrei als bei platinhaltiger Therapie plus Pemetrexed (4,4 Monate). Die Gesamtansprechrate war mit 71% versus 31% ebenfalls signifikant besser. Das ergab die randomisierte, offene Phase-3-Studie AURA3, die unter Leitung von Prof. Dr. Tony S. Mok, Abteilung für klinische Onkologie, Chinesische Universität Hong Kong, durchgeführt und online im New England Journal of Medicine publiziert wurde [1].
„AURA3 ist die erste randomisierte Phase-3-Studie eines EGFR-TKI der 3. Generation gegenüber Platin-basierter Chemotherapieduplette bei Patienten mit EGFR-T790M-positivem NSCLC. Osimertinib demonstrierte eine statistisch überlegene und klinisch bedeutsame Wirksamkeit gegenüber Platin-Pemetrexed“, so Prof. Dr. Martin Kohlhäufl, Chefarzt der Klinik Schillerhöhe, Zentrum für Pneumologie, Thoraxchirurgie und Beatmungsmedizin, Gerlingen bei Stuttgart.
„Der Osimertinib-Vorteil wurde sowohl bei Patienten ohne als auch mit ZNS-Metastasen beobachtet. Osimertinib ist die neue Standardtherapie bei Patienten mit EGFR-T790M-positivem NSCLC nach Progression unter EGFR-TKI-Erstlinientherapie.“ Kohlhäufl wies darauf hin, dass die geplante Analyse des Gesamtüberlebens separat vorgestellt werden. Außerdem sollten seiner Meinung nach ergänzend Studien zu kaukasischen Patienten durchgeführt werden.
AURA3 bestätigt Phase1/2-Studien
Die Ergebnisse der AURA3 bestätigen die Befunde der Phase1/2-Studien AURA und AURA2, die Grundlage für die beschleunigte Zulassung des Tyrosinkinase-Inhibitors durch die EU-Kommission waren. Allerdings hatte AstraZeneca den Vertrieb von Osimertinib (Tagrisso®) Anfang November in Deutschland als Konsequenz aus der negativen Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vorerst eingestellt (wie Medscape berichtete). Mit den nun publizierten Ergebnissen wird der Hersteller versuchen, eine Neubewertung zu erreichen.
Osimertinib ist ein oral applizierbarer Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), der irreversibel epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptoren (EGFR) mit aktivierenden Mutationen (EGFRm) und mit der TKI-Resistenz-Mutation T790M hemmt. Es ist von der EU-Kommission in Form von Tabletten für die Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC zugelassen, deren Tumor eine T790M-EGFR-Mutation aufweist. Der EGFR-T790M-Mutationsstatus muss durch ein validiertes Testverfahren von einem Labor bestimmt werden.
Vergleich mit Standard-Chemotherapie
In die randomisierten internationalen offenen Phase-3-Studie AURA schlossen Mok und seine Kollegen 419 Patienten mit T790M-positivem fortgeschrittenem NSCLC ein, deren Erkrankung nach der initialen Behandlung mit einem EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor fortgeschritten war. Sie erhielten 2:1 randomisiert Osimertinib (80 mg/Tag oral, n = 279) oder Pemetrexed (500 mg/m² Körperoberfläche i.v.) plus Carboplatin (Ziel-AUC 5) oder Cisplatin (75 mg/m²) alle 3 Wochen für maximal 6 Zyklen. Eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed war erlaubt. Die Behandlung dauerte bis zur Progression oder bis zum Auftreten nicht akzeptabler Nebenwirkungen.
Der primäre Endpunkt, das von den Untersuchern beurteilte progressionsfreie Überleben (PFS), war mit Osimertinib signifikant länger als mit Pemetrexed plus Platin: 10,1 versus 4,4 Monate (HR: 0,30, p < 0,001). Das PFS war in allen vordefinierten Subgruppen unter Osimertinib-Therapie signifikant länger als unter Vergleichstherapie.
Die Dauer des PFS war in der Osimertinib-Gruppe mit 10,1 Monaten im Median signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 4,4 Monaten. Die objektive Ansprechrate war mit Osimertinib ebenfalls signifikant besser (71 versus 31%, p < 0,001). Bei einer Untergruppe von 144 Patienten mit Hirnmetastasen verlängerte Osimertinib das PFS im Vergleich zu Kontrolltherapie von 4,2 auf 8,5 Monate (HR: 0,32).
Bei der Behandlung mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor traten weniger unerwünschte Wirkungen vom Grad 3 oder höher auf als in der Platin-Pemetrexed-Gruppe (23 vs 47%). Häufige Nebenwirkungen unter Osimertinib waren Durchfall, Hautausschlag, trockene Haut und Paronychie, unter Platin-Pemetrexed verminderter Appetit, Verstopfung und Anämie. In der Osimertinib-Gruppe wurde bei 10 Patienten (4 %) eine interstitielle Lungenerkrankung vom Schweregrad 1/2 beobachtet, in der Platin-Pemetrexed-Gruppe kam es bei einem Patienten zu einem Grad-3-Ereignis.
7% der Patienten in der Osimertinib-Gruppe und 10% in der Platin-Pemetrexed-Gruppe brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab. In der Osimertinib-Gruppe kam es zu 4 nebenwirkungsbedingten Todesfällen (2 respiratorisches Versagen, 1 Pneumonitis, 1 ischämischer Schlaganfall), in der Vergleichsgruppe starb 1 Patient an hypovolämischem Schock.
Mok und seine Kollegen weisen darauf hin, dass die Studie zu einem Zeitpunkt geplant und initiiert wurde, zu dem die Chemotherapie noch Standardkontrolle war. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Immuntherapie seien jedoch Studien erforderlich, in denen die Rolle dieser Therapien bei Patienten mit EGFR-Mutations-positiven Tumoren untersucht würde.
REFERENZEN:
1. Mok TS, et al. NEJM (online) 6. Dezember 2016
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Lungenkrebs-Zweitlinientherapie mit Osimertinib: AURA3-Studie stellt negativen G-BA-Beschluss infrage - Medscape - 28. Dez 2016.
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