Lungenkrebs-Zweitlinientherapie mit Osimertinib: AURA3-Studie stellt negativen G-BA-Beschluss infrage

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

28. Dezember 2016

Bei  Zweitlinien-Behandlung mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Osimertinib leben  Patienten mit fortgeschrittenem T790M-positivem nichtkleinzelligem  Lungenkarzinom (NSCLC) mit 10,1 Monaten signifikant länger progressionsfrei als  bei platinhaltiger Therapie plus Pemetrexed (4,4 Monate). Die  Gesamtansprechrate war mit 71% versus 31% ebenfalls signifikant besser. Das  ergab die randomisierte, offene Phase-3-Studie AURA3, die unter Leitung von Prof. Dr. Tony S. Mok, Abteilung für klinische  Onkologie, Chinesische Universität Hong Kong, durchgeführt und online im New England Journal of Medicine publiziert wurde [1].

„AURA3 ist die erste randomisierte Phase-3-Studie  eines EGFR-TKI der 3. Generation gegenüber Platin-basierter  Chemotherapieduplette bei Patienten mit EGFR-T790M-positivem NSCLC. Osimertinib demonstrierte eine  statistisch überlegene und klinisch bedeutsame Wirksamkeit gegenüber  Platin-Pemetrexed“, so Prof. Dr. Martin  Kohlhäufl, Chefarzt der Klinik Schillerhöhe, Zentrum für Pneumologie,  Thoraxchirurgie und Beatmungsmedizin, Gerlingen bei Stuttgart.

 
Osimertinib demonstrierte eine statistisch überlegene und klinisch bedeutsame Wirksamkeit gegenüber Platin-Pemetrexed. Prof. Dr. Martin Kohlhäufl
 

„Der  Osimertinib-Vorteil wurde sowohl bei Patienten ohne als auch mit ZNS-Metastasen  beobachtet. Osimertinib  ist die neue Standardtherapie bei Patienten mit EGFR-T790M-positivem NSCLC nach  Progression unter EGFR-TKI-Erstlinientherapie.“ Kohlhäufl wies darauf  hin, dass die geplante Analyse des Gesamtüberlebens separat vorgestellt werden.  Außerdem sollten seiner Meinung nach ergänzend Studien zu kaukasischen  Patienten durchgeführt werden.

AURA3 bestätigt Phase1/2-Studien

Die  Ergebnisse der AURA3 bestätigen die Befunde der Phase1/2-Studien AURA und AURA2,  die Grundlage für die beschleunigte Zulassung des Tyrosinkinase-Inhibitors  durch die EU-Kommission waren. Allerdings hatte AstraZeneca den Vertrieb von  Osimertinib (Tagrisso®) Anfang November in Deutschland als Konsequenz aus der  negativen Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im  Gesundheitswesen (IQWiG) vorerst eingestellt (wie Medscape berichtete). Mit den nun publizierten Ergebnissen wird der Hersteller  versuchen, eine Neubewertung zu erreichen.

Osimertinib  ist ein oral applizierbarer Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), der irreversibel  epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptoren (EGFR) mit aktivierenden Mutationen  (EGFRm) und mit der TKI-Resistenz-Mutation T790M hemmt. Es ist von der  EU-Kommission in Form von Tabletten für die Behandlung von Patienten mit lokal  fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC zugelassen, deren Tumor eine  T790M-EGFR-Mutation aufweist. Der EGFR-T790M-Mutationsstatus muss durch ein  validiertes Testverfahren von einem Labor bestimmt werden.

 
Osimertinib ist die neue Standardtherapie bei Patienten mit EGFR-T790M-positivem NSCLC nach Progression unter EGFR-TKI-Erstlinientherapie. Prof. Dr. Martin Kohlhäufl
 

Vergleich mit Standard-Chemotherapie

In die  randomisierten internationalen offenen Phase-3-Studie AURA schlossen Mok und  seine Kollegen 419 Patienten mit T790M-positivem fortgeschrittenem NSCLC ein,  deren Erkrankung nach der initialen Behandlung mit einem  EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor fortgeschritten war. Sie erhielten 2:1 randomisiert  Osimertinib (80 mg/Tag oral, n = 279) oder Pemetrexed (500 mg/m²  Körperoberfläche i.v.) plus Carboplatin (Ziel-AUC 5) oder Cisplatin (75 mg/m²) alle  3 Wochen für maximal 6 Zyklen. Eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed war  erlaubt. Die Behandlung dauerte bis zur Progression oder bis zum Auftreten  nicht akzeptabler Nebenwirkungen.

Der  primäre Endpunkt, das von den Untersuchern beurteilte progressionsfreie  Überleben (PFS), war mit Osimertinib signifikant länger als mit Pemetrexed plus  Platin: 10,1 versus 4,4 Monate (HR: 0,30, p < 0,001). Das PFS war in allen  vordefinierten Subgruppen unter Osimertinib-Therapie signifikant länger als  unter Vergleichstherapie.

Die  Dauer des PFS war in der Osimertinib-Gruppe mit 10,1 Monaten im Median  signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 4,4 Monaten. Die objektive  Ansprechrate war mit Osimertinib ebenfalls signifikant besser (71 versus 31%, p < 0,001). Bei einer Untergruppe von 144 Patienten mit Hirnmetastasen  verlängerte Osimertinib das PFS im Vergleich zu Kontrolltherapie von 4,2 auf  8,5 Monate (HR: 0,32).

Bei der  Behandlung mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor traten weniger unerwünschte  Wirkungen vom Grad 3 oder höher auf als in der Platin-Pemetrexed-Gruppe (23 vs  47%). Häufige Nebenwirkungen unter Osimertinib waren Durchfall, Hautausschlag,  trockene Haut und Paronychie, unter Platin-Pemetrexed verminderter Appetit,  Verstopfung und Anämie. In der Osimertinib-Gruppe wurde bei 10 Patienten (4 %)  eine interstitielle Lungenerkrankung vom Schweregrad 1/2 beobachtet, in der  Platin-Pemetrexed-Gruppe kam es bei einem Patienten zu einem Grad-3-Ereignis.

7% der  Patienten in der Osimertinib-Gruppe und 10% in der Platin-Pemetrexed-Gruppe  brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab. In der Osimertinib-Gruppe kam  es zu 4 nebenwirkungsbedingten Todesfällen (2 respiratorisches Versagen, 1 Pneumonitis, 1 ischämischer Schlaganfall), in der Vergleichsgruppe starb 1 Patient an hypovolämischem Schock.

Mok und  seine Kollegen weisen darauf hin, dass die Studie zu einem Zeitpunkt geplant  und initiiert wurde, zu dem die Chemotherapie noch Standardkontrolle war.  Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Immuntherapie seien jedoch Studien  erforderlich, in denen die Rolle dieser Therapien bei Patienten mit  EGFR-Mutations-positiven Tumoren untersucht würde.

 

REFERENZEN:

1. Mok TS, et  al. NEJM (online) 6. Dezember 2016

 

Kommentar

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