Die ersten Aortenklappen sind für den interventionellen Ersatz bei Patienten mit nur intermediärem Operationsrisiko zugelassen und der Weg scheint vorgezeichnet: Schon bald könnte auch für Patienten mit signifikanter Aortenstenose und geringem operativem Risiko oder auch für junge Patienten der interventionelle Aortenklappenersatz (TAVI) zur bevorzugten Therapie werden – und das herzchirurgische Vorgehen abhängen.
Die Erkenntnisse aus 3 aktuellen Studien, die im JACC Cardiovascular Interventions publiziert worden sind, stellen diesen Trend jedoch in Frage – zumindest bei Patienten mit einem hohen Risiko für Schrittmacherpflichtigkeit. So lautet das Fazit von Dr. Marina Urena, Bichat Claude Bernard Hospital-Paris, Frankreich, und Prof. Dr. Josep Rodés-Cabau, Quebec Heart & Lung Institute, Kanada, in einem begleitenden Editorial.[1]
Sapien-3-Klappe auf dem Prüfstand
In der 1. Studie untersuchten Dr. Victor Mauri und Kollegen vom Herzzentrum der Universität Köln, welche technischen und anatomischen Voraussetzungen bei der Implantation der Sapien-3-Klappe Hinweise darauf geben könnten, wann ein Patient aufgrund der Transkatheter-Klappenimplantation schrittmacherpflichtig wird. In der Studie benötigten 14,4% der Patienten nach TAVI einen Schrittmacher.[2]
Neben einem Rechtsschenkelblock scheinen deutliche Kalzifikationen des linksventrikulären Ausflusstraktes in Höhe der linken und rechten Klappensegel und die Implantationstiefe der künstlichen Aortenklappe unabhängige Risikofaktoren für eine Schrittmacherpflichtigkeit nach TAVI zu sein. Bei nur 1,1% der Patienten, bei denen keiner dieser Risikofaktoren nachweisbar war, musste ein Herzschrittmacher eingesetzt werden.
Wurde die künstliche Aortenklappe nur 3 Millimeter höher eingesetzt, konnte die Schrittmacherrate um mehr als die Hälfte reduziert werden, ohne dass die Inzidenz paravalvulärer Leckagen anstieg. Urena und Rodés-Cabau gehen in ihrem Kommentar vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Notwendigkeit für eine Schrittmacherimplantation nach Einsetzen der Sapien-3-Klappe eher von der Interventionstechnik abhängt als von Faktoren, die die Klappe direkt betreffen.
Schrittmacher: Eigenständiger Risikofaktor oder nur ein Marker?
Eine Auswertung von Registerdaten des American College of Cardiology (ACC) sowie der Society of Thoracic Surgeons (STS) wirft einen Blick auf die klinischen Folgen einer Herzschrittmacherimplantation nach TAVI. Hier zeigte sich, dass Patienten, die ein Device erhalten hatten (6,6% der Studienpopulation), zwar nur wenig, aber signifikant länger auf der Intensivstation und im Krankenhaus verweilen mussten. Vor allem war in dieser Patientengruppe die Sterblichkeit erhöht – genauso wie die Rate für den kombinierten Endpunkt aus Mortalität und Krankenhausaufnahme aufgrund einer Herzinsuffizienz nach einem Jahr.[3]
Urena und Rodés-Cabau verweisen darauf, dass die Beobachtungen konsistent sind mit Ergebnissen aus einer Subgruppen-Analyse der PARTNER-Studie. Gleichzeitig machen sie auch auf die Schwächen der Registerstudie aufmerksam, u.a. darauf, dass die Studie keine Daten über Todesursachen, den Typ des eingesetzten Schrittmachers und über den Langzeiteinsatz der Schrittmacher zur Verfügung stellt.
Vorsicht beim Rechtsschenkelblock
Dr. Yusuke Watanabe von der Teikyo Universität Tokyo, Japan, und Kollegen untersuchten, inwiefern ein bestehender Rechtsschenkelblock bei Patienten, die sich einer TAVI unterzogen haben, Auswirkungen auf die Reizweiterleitung nach der Intervention haben. Wie sich zeigte, hatten die Patienten mit Rechtsschenkelblock im Vergleich zu jenen Patienten ohne eine insgesamt schlechtere 30-Tages-Überlebensrate. Im 1-Jahres-Verlauf hatten die Patienten mit der schon bestehenden Reizleitungsstörung eine signifikant höhere Mortalitätsrate und eine ebenso signifikante höhere Rate für Todesfälle aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse.[4]
Der Rechtsschenkelblock wurde als unabhängiger Vorhersagefaktor für die kardiovaskuläre Sterblichkeit erkannt. Dabei hatten Patienten mit Rechtschenkelblock und ohne Schrittmacherversorgung ein höheres Risiko kurz nach der Krankenhausentlassung, während bei den Patienten mit Schrittmachern das Risiko nach TAVI langfristig zunahm. Keine erhöhte kardiovaskuläre Sterblichkeit wurde bei Patienten ohne Rechtschenkelblock, aber mit Schrittmacherversorgung nachgewiesen.
Weitere Studien sind notwendig
In ihrer Bewertung der Studien heben Urena und Rodés-Cabau hervor, dass es nach wie vor dringend notwendig ist, die Rate für Schrittmacherimplantationen nach TAVI zu reduzieren. Aus ihrer Sicht sollte bei Patienten mit einem hohen Risiko für eine Schrittmacherpflicht der herzchirurgische Aortenklappenersatz in Betracht gezogen werden.
Sie betonen, dass zukünftige Studien den Zusammenhang zwischen Sterblichkeit und Schrittmacherimplantation nach TAVI untersuchen müssen, um Patienten zu identifizieren, bei denen mit schlechteren Ergebnissen zu rechnen ist. Solange diese und weitere Fragen nicht geklärt seien, müsste in laufenden Studien beobachtet werden, wie sich Patienten mit Schrittmachern nach TAVI und niedrigem operativen Risiko entwickelten.
TAVI: Standardtherapie der Zukunft?
2 weitere Studien in der Ausgabe von JACC Cardiovascular Interventions beschäftigen sich mit der Ausweitung von TAVI auf junge Patienten sowie auf Patienten mit niedrigem operativem Risiko. Damit verbunden war auch die Frage der Langzeithaltbarkeit der künstlichen Aortenklappen.[5,6] Während Dr. Francesco Nappi und Kollegen auf die im Vergleich zum chirurgischen Klappenersatz noch kurze Zeitspanne (5 vs 20 Jahre) an Erfahrung bei TAVI hinsichtlich der Haltbarkeit der Klappen hinweisen, hebt Prof. Dr. Lars Søndergaard auf die besser werdende Datenlage bei jungen Patienten mit signifikanter Aortenstenose ab, so dass nach Ansicht der Autoren davon auszugehen ist, dass TAVI die Standardtherapie der Zukunft sein wird.
Prof. Dr. Spencer B. King, Chefredakteur von JACC Cardiovascular Interventions, gibt im Editorial zur Ausgabe zu bedenken, dass beide Autorengruppen auf dieselben offenen Fragen hinweisen, wie zum Beispiel jene zur kardialen Erregungsleitung nach TAVI.[7]
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Diesen Artikel so zitieren: Herzklappenersatz: Neue Studien stellen TAVI-Trend in Frage – vor allem bei hohem Risiko für Schrittmacherpflicht - Medscape - 13. Dez 2016.
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