Hat die Körperhaarentfernung im Schambereich mehr als nur ästhetische Auswirkungen? Offenbar ja. Zumindest weisen laut einer aktuellen Untersuchung im Fachblatt Sexually Transmitted Infections Menschen, die sich ihre Schamhaare regelmäßig (partiell) entfernen, ein erhöhtes Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten auf. Je häufiger und intensiver die Haare im Schambereich entfernt wurden, umso deutlicher der Zusammenhang [1].

Prof. Dr. Norbert Brockmeyer
Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Leiter des Zentrums für Sexuelle Gesundheit an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum und Vorsitzender der Deutschen STI-Gesellschaft sagt auf Nachfrage von Medscape allerdings, dass die Studie „einige methodische Schwächen“ aufweise. „Die Studie liefert Hinweise auf mögliche Korrelationen, für weitere Schlussfolgerungen weist sie zu viele Limitierungen auf“, so Brockmeyer.
Wichtige Informationen, die für die Aussagekraft der Untersuchung bedeutend gewesen wären, fehlen seiner Ansicht nach. So bleibe beispielsweise offen, ob zwischen Haarentfernung und dem Erwerb der Geschlechtskrankheit überhaupt ein zeitlicher Zusammenhang bestanden habe.
Mehr als 7.500 US-Amerikaner befragt
Hintergrund der Studie des Urologen Dr. Charles Osterberg von der University of California in San Francisco und Kollegen waren vor allem 2 Beobachtungen. Zum einen habe sich gezeigt, dass die Haarentfernung, sei es durch Rasieren oder Epilieren, kutane Mikrorisse verursachen könne, welche möglicherweise das Eindringen von Bakterien und Viren bei einem anschließenden Geschlechtsverkehr erleichterten. Zum anderen korreliere die Schamhaarentfernung mit einer größeren Zahl von Sexualpartnern. Auch deshalb könne das Intimtrimming mit einem größeren Infektionsrisiko einhergehen.
Die vorliegende Studie, so Osterberg und Kollegen, sei nun die erste größere Untersuchung, die sich des möglichen Zusammenhangs zwischen sexuell übertragbaren Krankheiten und der Haarentfernung im Schambereich angenommen habe.
Die Wissenschaftler schrieben für ihre Untersuchung insgesamt 14.409 US-amerikanische Frauen und Männer zwischen 18 und 65 Jahren an. In den zugesandten Fragebögen sollten die Studienteilnehmer Angaben zu den angewandten Praktiken der Schamhaarentfernung, ihrem sexuellen Verhalten und zu den im Laufe ihres Lebens erworbenen Geschlechtskrankheiten machen.
Beantwortet wurde die Umfrage von 7.580 Personen. In die Datenauswertung einbezogen wurden nur Teilnehmer, die im Laufe ihres Lebens mindestens einen Geschlechtspartner hatten (n = 7.470).
Die Forscher differenzierten zwischen „ever groomers“ (Menschen, die sich zumindest schon einmal in ihrem Leben die Schamhaare gekürzt oder entfernt hatten), „extreme groomers“ (Menschen, die sich die Schamhaare mindestens 11 Mal pro Jahr komplett entfernen), „high-frequency groomers“ (Menschen, die sich die Schamhaare täglich bzw. wöchentlich trimmen) und „never groomers“.
Mögliche Verzerrungen
3 von 4 Befragten (74%) gaben letztlich an, dass sie sich ihr Schamhaar zumindest schon einmal gekürzt oder entfernt hatten (84% der Frauen und 66% der Männer). Männer griffen zum Schamhaartrimmen am liebsten zu einem elektrischen Rasierer (42%), während Frauen vorzugsweise Nassrasierer benutzten (61%). 17% der Teilnehmer fielen in die Kategorie der „extreme groomers“ und 22% in die der „high-frequency groomers“.
13% der Befragten gaben an, dass sie im Laufe ihres Lebens mindestens eine der folgenden Erkrankungen erworben hatten: Herpes, Humane Papillomviren (HPV), Syphilis, Dellwarzen, Gonorrhoe, Chlamydien, HIV oder Filzläuse.
Ob diese Angaben repräsentativ seien, dürfe jedoch laut Brockmeyer angezweifelt werden. Er sagt: „Nur jede zweite Person, die einen Fragebogen erhielt, beantwortete ihn auch.“ Da aus früheren Untersuchungen bekannt sei, dass sich gerade Menschen mit einem hohen Krankheitsrisiko nur ungern an solchen Umfragen beteiligten, ergeben sich dadurch wahrscheinlich Verzerrungen.
Außerdem fehlten dem Bochumer Experten weitere Details, wie etwa zum sozialen Status und zur Herkunft der Umfrageteilnehmer. „Bei einer schlechteren Anbindung an das Gesundheitssystem, wie es in den USA bei ärmeren Bevölkerungsschichten der Fall ist, steigt das Krankheitsrisiko generell an.“ Es sei also denkbar, dass sich die hier unbeachteten Faktoren auf das Ergebnis ausgewirkt haben.
Die Rolle von Safer Sex und bestimmten Sexpraktiken
Gewisse Trends zeichneten sich aber auch in der vorliegenden Studie ab: Im Vergleich zu den „never groomers“ war das Durchschnittsalter der „ever groomers“ niedriger (43 Jahre vs. 50 Jahre) und die Zahl ihrer jährlichen Geschlechtspartner höher (1,9 vs. 1,2).
Die Autoren versuchten diese Confounder auszugleichen und adjustierten in ihrer weiteren Datenauswertung sowohl auf das Alter der Befragten als auch auf die Zahl der sexuellen Kontakte. Weitere mögliche Einflussfaktoren seien dagegen unberücksichtigt geblieben, kritisiert Brockmeyer. „Nach bestimmten Sexual- oder Safer Sex-Praktiken, die sich ebenfalls auf das Ergebnis auswirken könnten, wurde nicht gefragt“, erklärt er.
STI-Risiko bei Schamhaarentfernern um 80% erhöht
Am Ende zeichnete sich ein eindeutiges Ergebnis ab. So ging nach den Berechnungen von Osterberg und Kollegen jede Form des Schamhaartrimmings mit einem um 80% erhöhten Risiko für Geschlechtskrankheiten einher (Odds ratio [OR] 1,8). Betrachtete man außerdem speziell die kutanen Geschlechtserkrankungen wie Herpes oder HPV war diese positive Korrelation bei „extreme groomers“ (OR 4,4) und „high-frequency groomers“ (OR 3,5) besonders ausgeprägt.
Hinsichtlich der Häufigkeit von Filzläusen zeigte die Gruppe der „ever groomer“ sogar ein höheres Risiko als die „never groomer“. Allerdings ließ sich diese positive Korrelation ausschließlich bei Teilnehmern feststellen, die selten zu Rasierer, Wachs oder Epiliergerät griffen (OR 2,0). Die besonders intensive und häufige Haarentfernung der „extreme“ und „high-frequency groomers“ hatte dagegen erwartungsgemäß einen eher schützenden Effekt. „Diese Form der protektiven Assoziation wurde bereits früher beobachtet und der Entfernung der Haare, an denen die Läuseeier kleben, zugeschrieben“, erklären Osterberg und Kollegen.
Eindeutiger Zusammenhang bleibt unbewiesen – aber wichtiger Denkanstoß
Ob das hier berechnete höhere Risiko für Geschlechtskrankheiten auf kleine Hautrisse infolge der Haarentfernung (kausaler Zusammenhang) oder doch auf ein risikoreicheres sexuelles Verhalten der Schamhaarentferner (statistische Assoziation) zurückzuführen sei, ließe sich aus den Resultaten nicht ablesen, resümieren die Autoren.
Nichtsdestotrotz heben sie hervor: „Unabhängig von den letztlich zugrundeliegenden Mechanismen, gehen wir davon aus, dass ein besseres Verständnis der Beziehung zwischen Schamhaarentfernung und sexuell übertragbaren Krankheiten für die Risikoreduktion nützlich sein könnte.“
Falle dem Arzt bei der körperlichen Untersuchung beispielsweise eine Schamhaarentfernung auf, könnte dies zukünftig zum Anlass genommen werden, um über STI-Risiko und Safer Sex-Praktiken zu sprechen.
Und sollte sich in Folgestudien bestätigen, dass tatsächlich die epidermalen Mikrotraumen das Krankheitsrisiko erhöhen, sollte den Personen geraten werden, sich entweder seltener zu rasieren oder zu epilieren oder sexuelle Aktivitäten zeitlich zu verschieben, so dass die Hautrisse heilen können.
Bis auf das Risiko von Infektionen und Erkrankungen durch Humane Papillomaviren sei bislang aber noch nicht bewiesen, ob die Schamhaarentfernung überhaupt mit einem höheren Erkrankungsrisiko in Zusammenhang stehe, sagt Brockmeyer. Für diese wichtige Antwort habe die Studie zu viele Fragen unbeantwortet gelassen. Als weiterer Denkanstoß sei die Studie jedoch sehr gut.
REFERENZEN:
1. Osterberg EC, et al: Sex Transm Infect (online) 5. Dezember 2016
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Sexuell übertragbare Krankheiten: Bei Schamhaar-Entfernung um 80 Prozent höheres Risiko – Mikrotraumata als Ursache? - Medscape - 13. Dez 2016.
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