Die Behandlung der Hepatitis C mit direkt antiviral wirkenden Arzneimitteln (direct-acting antivirals, DAA) birgt die – wenn auch geringe – Gefahr einer Hepatitis-B-Reaktivierung. Zu diesem Ergebnis kommt ein Risikobewertungsverfahren des Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Über das potenziell erhöhte Risiko für Leberkrebsrezidive unter DAA-Behandlung lasse sich, so der Ausschuss bei seinem Treffen Ende November, derzeit noch keine sichere Aussage treffen [1].
Das Risikobewertungsverfahren zu den DAA war im März dieses Jahr eingeleitet worden. Berichten zufolge war es bei Patienten mit gleichzeitiger Hepatitis-C- und Hepatitis-B-Infektion unter DAA-Behandlung zu einer Reaktivierung der zuvor inaktiven Hepatitis-B-Infektion gekommen.
Vor Behandlung mit DAA auf Hepatitis B screenen
Die Überprüfung der Arzneimittel durch den PRAC bestätigt nun, dass Hepatitis-C-Patienten, die mit DAA behandelt werden, für eine Hepatitis-B-Reaktivierung gefährdet sind. Aufgrund dessen empfiehlt der Ausschuss, dass alle Patienten vor der Behandlung mit einem DAA auf das Hepatitis-B-Virus gescreent werden sollen. Liegt eine Koinfektion mit den beiden Hepatitisviren vor, sollen die Patienten überwacht und bei einer Reaktivierung entsprechend den aktuellen klinischen Leitlinien behandelt werden.
In der EU sind die DAA Daklinza®, Exviera®, Harvoni®, Olysio®, Sovaldi®, Viekirax®, Epclusa® und Zepatier® zugelassen. Bei einer Koinfektion mit Hepatitis C und B unterdrückt das Hepatitis-C-Virus das Hepatitis-B-Virus. Kommt es durch die DAA zu einer schnellen Reduktion der Hepatitis-C-Viren, können sich die Hepatitis-B-Viren wieder vermehren, insbesondere da DAA nicht gegen Hepatitis-B-Viren wirken.
Zwar scheint die Häufigkeit, mit der es zu einer Reaktivierung kommt, gering zu sein: Der Ausschuss gibt eine Zahl von 30 Reaktivierungen unter vielen tausend bislang mit DAA behandelten Patienten an. Dennoch empfiehlt der PRAC, dass die Verschreibungsinformationen der DAA künftig einen entsprechenden Warnhinweis enthalten sollen.
Noch zu wenige Informationen zu Leberkrebsrezidiven
Neben der Gefahr einer Hepatitis-B-Reaktivierung untersuchte der PRAC im Rahmen dieses Risikobewertungsverfahrens auch, ob es unter DAA-Therapie möglicherweise schneller zu Rezidiven von hepatozellulären Karzinomen kommt. Entsprechende Hinweise hatte im April dieses Jahres eine kleine Studie geliefert. Sie legte nahe, dass bei Patienten, die mit DAA behandelt wurden, das Risiko besteht, dass die Krebserkrankung früher wieder auftritt als bei Patienten, die nicht mit DAA behandelt wurden.
Anders als bei der Hepatitis-B-Reaktivierung kommt der PRAC hier allerdings zu keinem eindeutigen Fazit. Nach Überprüfung aller zur Verfügung stehenden Daten stehe fest, dass noch weitere Studien durchgeführt werden müssten. Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich keine verlässliche Schlussfolgerung ziehen.
Neues Risikobewertungsverfahren: Allergiemittel mit Laktose
Bei seinem Treffen Ende November hat der PRAC ein neues Risikobewertungsverfahren eingeleitet. Es geht darin um injizierbare Allergiemittel, die neben dem Wirkstoff Methylprednisolon als Zusatzstoff Laktose enthalten. Diese könnte Spuren von Kuhmilchproteinen enthalten, die die Behandlung akuter Reaktionen bei der kleinen Zahl von hochempfindlichen Patienten, die allergisch auf diese Proteine sind, beeinträchtigen könnte. Es gab Berichte, dass Patienten mit akuten allergischen Reaktionen, die auch allergisch auf Kuhmilchproteine reagieren, auf die Arzneimittel selbst allergisch reagiert haben.
REFERENZEN:
1. Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC): Meeting highlights, 2. Dezember 2016
Diesen Artikel so zitieren: EMA-Sicherheitswarnung: Hepatitis-B-Reaktivierung unter DAA-Therapie bestätigt – Risiko für Leberkrebs weiter unklar - Medscape - 2. Dez 2016.
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