Medscape-Gehaltsreport 2016: Einkommen steigen – Ärztinnen und Hausärzte nach wie vor „unterbezahlt“

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

29. November 2016

Wieviel haben Ärzte 2015 verdient? Konnten sie ihr Einkommen steigern? Welche Unterschiede zeigen sich zwischen Klinik und Praxis? Verdienen Ärztinnen weiterhin weniger als ihre männlichen Kollegen? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert der Medscape-Gehaltsreport 2016. Medscape hat dazu 604 Ärzte befragt, darunter 427 Männer und 177 Frauen. 253 der Befragten waren unter 45 Jahre alt, 351 älter als 45 Jahre. Unter den Befragten waren 108 Hausärzte und 496 Fachärzte.

Demnach hatten hierzulande 37% der befragten Ärzte 2015 ein höheres Einkommen als im Vorjahr. Bei der Hälfte der Befragten blieb das Einkommen unverändert, während es bei 13% gesunken ist. Das Einkommen deutscher Ärzte lag 2015 bei durchschnittlich 110.000 €. Männer verdienten im Schnitt 121.000 € und damit deutlich mehr als Frauen mit 83.900 €. 2014 lag das Verhältnis noch bei 120.000 zu 78.000 €.

„Dass Ärztinnen im Schnitt weniger verdienen als Ärzte hat viele Gründe“, sagt Dr. Christiane Groß, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. „Einmal nehmen sich Ärztinnen mehr Zeit für ihre Patienten, betrachten diese eher ganzheitlich und setzen mehr auf die sprechende Medizin. Das führt natürlich dazu, dass der Durchlauf an Patientinnen und Patienten durchschnittlich geringer ist als bei Ärzten“, erklärt die Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin.

 
Ärztinnen setzen mehr auf die sprechende Medizin. Dr. Christiane Groß
 

Der Trend zur sprechenden Medizin spiegle sich auch in der Fächerwahl wider: Ärztinnen bevorzugen Fachgebiete wie Allgemeinmedizin, Kinder-und Jugendmedizin, Frauenheilkunde, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Ihre männlichen Kollegen setzen auf technikaffinere und damit besser honorierte Fächer. Sie setzen in Diagnose und Therapie grundsätzlich mehr Technik ein, die sich abrechnen lässt. Auch der Standort der Praxis wirke sich direkt auf den Durchschnittsverdienst aus: „Untersuchungen zeigen, dass Ärztinnen häufiger in Stadtteilen mit weniger Privatpatienten praktizieren als ihre männlichen Kollegen“, berichtet Groß.

„Entscheiden sich Frauen doch für Fächer wie HNO oder Augenheilkunde, zeigt sich, dass sie eher kleine konservative Praxen führen.“ Männer hätten hingegen häufig die großen Praxen, in denen auch operiert werde. Zudem spiele die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wichtige Rolle. „Alle Aspekte führen im Resultat dazu, dass Ärztinnen tatsächlich weniger verdienen als Ärzte“, fasst Groß zusammen.

Wenig überraschend dagegen: Ältere Ärzte ab 45 Jahre verdienten mit 132.500 € deutlich mehr als die jüngeren Kollegen unter 45, die auf 86.000 € kamen. Mit durchschnittlich 131.500 € hatten Niedergelassene ein höheres Einkommen als ihre Klinik-Kollegen mit 106.700 €. Für Hausärzte lag das Einkommen bei durchschnittlich 103.800 € gegenüber 110.000 € im Jahr 2014. Auch Fachärzte verdienten 2015 weniger als 2014 (112.400 vs 114.000 €).

Fortschritte für Hausärzte, aber nach wie vor Nachholbedarf

„Was die wirtschaftliche Situation in den Praxen angeht, gab es auch bei den Hausärzten in den vergangenen Jahren zweifelsohne Fortschritte. Das ist natürlich erfreulich, trotzdem zeigt auch der aktuelle Gehaltsreport, dass die Hausärzte im Vergleich zu anderen Fachärzten immer noch hinterherhinken“, kommentiert Vincent Jörres, Sprecher des Hausärzteverbandes, die Zahlen. Er ergänzt: „Hier besteht nach wie vor Nachholbedarf. Man darf nicht vergessen, dass Hausärzte im Durchschnitt die meisten Arbeitsstunden leisten“. Er erinnert daran, dass die Fortschritte der letzten Jahre fast ausschließlich durch die Maßnahmen im selektivvertraglichen Bereich erreicht worden seien, vor allem durch Hausarztverträge. „Durch die Hausarztzentrierte Versorgung wird natürlich auch Druck auf die Honorare im Kollektivvertrag ausgeübt, dies hatte mit Sicherheit auch Einfluss auf die Honorarentwicklung“, so Jörres.

Einkommensaufbesserung: Ein Viertel der Befragten setzt auf IGeL

 
Studien zeigen, dass Ärztinnen häufiger in Stadtteilen mit weniger Privatpatienten praktizieren als männliche Kollegen. Dr. Christiane Groß
 

Gut ein Viertel der befragten Ärzte (27%) bietet seit 2 bis 3 Jahren IGeL an, wobei 39% der Hausärzte individuelle Gesundheitsleistungen zur Einkommenssteigerung einsetzen. Bei den Fachärzten gaben das nur 24% an. Beim Nachbar Frankreich ist „IGeLn“ übrigens weniger verbreitet: Nur 11% der Ärzte gab an, dass sie oder ihre Praxis in den vergangenen 2 bis 3 Jahren neue Angebote zur Einkommenssteigerung eingeführt hätten.

Die Höhe der Nebeneinkünfte außerhalb der Patientenversorgung war in den unterschiedlichen Gruppen ähnlich und lag – über alle Kategorien hinweg – bei durchschnittlich 6.300 €. 48% der Befragten gaben an, kein zusätzliches Einkommen zu haben. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich zwischen Klinikärzten und Niedergelassenen, wobei letztere 1.800 € mehr durch Nebeneinkünfte erzielten. Der durchschnittliche Nebenverdienst von Ärztinnen lag deutlich über dem männlicher Kollegen (7.400 vs 6.000 €). Ein Vorsprung, der sich im Median nicht widerspiegelt. Dort schneiden Ärztinnen wieder schlechter ab. Wahrscheinlich ist der hohe durchschnittliche Nebenverdienst das Ergebnis einiger weniger „Ausrutscher“ nach oben.

Niedergelassene: „Regress-Gefahr“ beeinflusst Verordnungsverhalten

Fast die Hälfte der Niedergelassenen gibt an, dass die Arzneimittelkosten und die Gefahr von Regressforderungen ihr Verordnungsverhalten beeinflusst. Hinsichtlich der Stärke der Beeinflussung zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede zwischen Praxis und Klinik sowie zwischen Haus- und Fachärzten. So gibt ein Fünftel der Hausärzte (21%)  an, sich schon immer beeinflusst gefühlt zu haben. Unter den Fachärzten sagt das nur jeder Zwanzigste. Ähnlich ausgeprägt ist der Unterschied zwischen Praxis und Klinik: Während sich 20% der Niedergelassenen durch hohe Regressforderungen beeinflusst fühlt, sind es bei den Klinikern nur 3%.

 
Hausärzte haben beim Einkommen nach wie vor Nachholbedarf. Vincent Jörres
 

„Viele Hausärzte haben die Gefahr von Regressforderungen natürlich ständig im Hinterkopf. Diese nachvollziehbaren Sorgen wirken sich übrigens auch auf den dringend benötigten hausärztlichen Nachwuchs abschreckend aus. Unter den Hausärzten sind die Regresse nach wie vor ein viel diskutiertes Thema. Als Hausärzteverband vertreten wir seit vielen Jahren die Position, dass Schluss sein muss mit Regressen“, erklärt Jörres.

Der deutsche Arzt: Vermögend, sparsam und schuldenfrei?

Knapp 40% der befragten Ärzte geben ein Vermögen zwischen 200.000 € und einer 1 Millionen € an, wobei Männer vermögender als Frauen sind und Niedergelassene im Schnitt mehr auf der „hohen Kante“ haben als Kliniker. So besitzen 17% der Niedergelassenen ein Vermögen zwischen 500.000 € und 1 Millionen €; 14% sogar zwischen 1 und 5 Millionen €.

 
Viele Hausärzte haben die Gefahr von Regressforderungen ständig im Hinterkopf. Vincent Jörres
 

Zudem gibt mehr als die Hälfte der deutschen Ärzte an, entsprechend oder unter den eigenen Verhältnissen zu leben und kaum Schulden zu haben. 24% bezeichnen sich als sparsam. Nur 8% der deutschen Ärzte leben nach eigenen Aussagen über den eigenen Verhältnissen. In Frankreich geben das übrigens doppelt so viele Ärzte an.

Die befragten Ärzte waren häufiger der Hauptverdiener: Bei 53% der Befragten verdiente der Lebenspartner deutlich weniger als sie selbst. Einen deutlicher Unterschied zeigte sich auch hier zwischen Ärztinnen und Ärzten: Während 66% der Männer deutlich mehr als ihr Lebenspartner verdienten, waren es bei den Frauen nur 23%.

 

Kommentar

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