New Orleans – Bei Patienten über 70 mit einem mittleren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen kommt es nach einer durchschnittlich 5,6 Jahre währenden Behandlung mit Blutdrucksenkern zu keiner Verbesserung der kognitiven Funktionen, eine zusätzliche Statin-Gabe verschlechtert die kognitiven Leistungen aber auch nicht.
Dr. Jackie Bosch von der McMaster University in Hamilton in Kanada stellte diese Ergebnisse in einem Presse-Briefing auf der diesjährigen Jahrestagung der American Heart Association (AHA) vor [1]. Die Daten stammten aus Beobachtungen in einer Subpopulation älterer Patienten aus der HOPE-3-Studie (Heart Outcomes Prevention Evaluation).
Bedenken gegen Statine ausgeräumt
Damit sollten die Bedenken gegenüber Statinen und ihren vermeintlich negativen Auswirkungen auf das Gedächtnis (die nach dem Absetzen verschwinden) ausgeräumt sein, sagte sie gegenüber Heartwire von Medscape. „Die FDA [US Food and Drug Administration] setzte einen Warnhinweis auf der Verpackung durch, der sich auf Anwendungsbeobachtungen stützte, so wie es auch die MHRA [Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency] als entsprechende Behörde in Großbritannien gemacht hatte. Diese Befunde konnten jedoch in randomisierten kontrollierten Untersuchungen nie bestätigt werden … Unsere Untersuchung zeigt jetzt deutlich, dass es keine negativen Auswirkungen auf die Kognition gibt.“
Für Dr. Mark Creager von der Harvard Medical School in Boston und AHA-Pressesprecher hat diese Meldung eine gute und eine schlechte Seite: „Gut ist, dass sich in dem Statin-Arm keine Hinweise für eine Gefährdung der Patienten erkennen ließ, womit sich die Befürchtungen von Patienten, denen eine Statin-Medikation widerstrebt, zerstreuen lassen sollten … Schlecht ist jedoch, dass die Blutdrucksenkung in dieser Population den Rückgang der kognitiven Leistungsfähigkeit nicht abbremsen konnte“ – obwohl genau diese Hoffnung bestanden hatte.
„Wir sollten bei mehr Menschen und auch früher gegen einen hohen Blutdruck vorgehen, denn damit würden wir eine Reihe von Ereignissen einschließlich des Schlaganfalls und wohl auch den kognitiven Abfall, der bei Patienten mit hohem Blutdruck zu beobachten ist, verhindern“, sagte Creager.
Die Studie ist für Dr. Ralph L. Sacco von der University of Miami Health System ein Lichtblick. „Wahrscheinlich sollten wir Hochrisikopatienten bereits in jüngeren Jahren und über eine längere Zeit behandeln, um einen möglichen positiven Effekt auf den Rückgang der kognitiven Funktionen beobachten zu können. “ Bosch und Creager stimmten ihm zu. „Rosuvastatin kam und kommt auch weiterhin bei Patienten mit einem mittleren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse angesichts einer Risikoabsenkung von 24 Prozent in Betracht, denn das ist ein hoher Wert“, betonte zudem Bosch.
Über 70-jährige Patienten aus der HOPE-3-Studie untersucht
Wie Medscape bereits berichtete, wurden in der HOPE-3-Studie Personen mit mittlerem kardiovaskulären Risiko an 228 Zenten in 21 Staaten randomisiert, die Candesartan/Hydrochlorothiazid oder Placebo bzw. Rosuvastatin oder Placebo erhielten. Die Blutdrucksenkung verringerte die kardiovaskulären Ereignisse bei Hypertoniepatienten um 24%, Statine verringerten das Risiko für alle Patienten um 25%.
„Nach der ursprünglichen HOPE-3-Studie profitiert jeder mit mittlerem Risiko“, erläuterte Bosch. Die aktuelle Studie ging da noch ein Stück tiefer, um den Effekt auf die Kognition zu bewerten. Bei HOPE-3 haben von den 3.086 Männern und Frauen ab einem Alter von 70 Jahren 1.626 am Anfang und am Ende kognitive Leistungstests absolviert, und zwar den DSST (Digit Symbol Substitution Test), den 11-Punkte umfassenden MoCA (Montreal Cognitive Assessment) sowie den TMT-B (Trail Making Test Part B).
Der DSST ist Teil des WAIS-IV (Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene), der die Fähigkeit zum schnellen Denken misst, erklärte Bosch. „Ein sehr stressiger Test … aber im Hinblick auf Veränderungen in der Verarbeitungsgeschwindigkeit auch sehr sensitiv.“
Zu Beginn der Erhebungen lag das Durchschnittsalter bei 74 Jahren, 59% waren Frauen. Der mittlere Blutdruck betrug 140/79 mmHg und der mittlere LDL-C-Wert 127 mg/dl. Während der Studie sanken der Blutdruck im Mittel um 6/2,9 mmHg und der LDL-C-Wert um 24,9 mg/dl.
Kein signifikanter Vorteil durch die Medikation, aber ein positiver Trend
Im DSST als primären Endpunkt fanden sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen Placebo versus Rosuvastatin, Placebo versus Candesartan/Hydrochlorothiazid oder Placebo versus beide Wirkstoffe.
Bei Patienten mit kombinierter Medikation und höchsten Ausgangswerten für Blutdruck und LDL-C war ein Trend (p = 0,04) zu einem positiven Einfluss auf die Kognition gegenüber Placebo erkennbar, dem in einer weiteren Untersuchung nachgegangen werden sollte, während die Vorteile eines früheren Beginns und einer längeren Behandlungsdauer im Dunkeln blieben, wie Bosch ausführte.
Creager relativierte die Untersuchungsergebnisse: „Meine Einstellung als Kliniker hat sich dadurch nicht geändert. Ich halte Statine, wenn sie nach den Leitlinien angewendet werden, für ausgesprochen wirkungsvoll und glaube, dass der Rückgang an kardiovaskulären Ereignissen und Todesfällen ihnen zugeschrieben werden kann“, sagte er. „Ich habe jetzt weitere Argumente, wenn ich mit Patienten über den Nutzen von Statinen diskutiere, um sie bezüglich ihres Denkvermögens zu beruhigen.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. Scientific Session 2016 der American Heart Association, 12. bis 16. November 2016, New Orleans/USA
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: HOPE-3 und Kognition: Statine schaden nicht, aber Antihypertensiva helfen auch nicht - Medscape - 28. Nov 2016.
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