Nukleinsäurepolymere gegen chronische Hepatitis B: Erste Schritte auf dem Weg zur Heilung?

Andrea Warpakowski

Interessenkonflikte

24. November 2016

Boston – Trotz guter Möglichkeiten mit einer kontinuierlichen antiviralen Therapie die Virusvermehrung dauerhaft zu unterdrücken, ist die chronische Hepatitis B bei den meisten Patienten nach wie vor nicht heilbar. Strategien für eine dauerhafte Kontrolle und Elimination des Hepatitis-B-Virus sind nötig.

Prof. Dr. Anna Lok, University Michigan Health System, Ann Arbor/USA, verwies beim Meeting der American Association for the Study of Liver Diseases auf die Hindernisse für eine Eradikation des Hepatitis-B-Virus [1]: Die im Zellkern infizierter Hepatozyten vorkommende cccDNA (covalently closed circular DNA), die nicht durch die bisherigen antiviralen Medikamente beeinflusst werden kann, eine eingeschränkte Immunantwort und die derzeitigen Therapien, die nur wenige Schritte in der Virusvermehrung hemmen.

„Es gibt zwar eine wirksame Impfung gegen Hepatitis B, aber für die weltweit rund 250 Millionen Menschen, die bereits chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert sind, ist heutzutage statt einer Heilung nur die langfristige Suppression der Viruslast mit Interferon alfa und Nukleosidanaloga die einzige Möglichkeit, die chronische Infektion zu behandeln“, fasste Lok die bisherigen Therapieoptionen zusammen.

Neben der dauerhaften Suppression der Viruslast mit einer kontinuierlichen Therapie könne auch ein Verlust des Hepatitis-B-Oberflächenantigens HBsAg und eine HBs-Serokonversion als Zeichen der immunologischen Kontrolle der Erkrankung erreicht werden. Allerdings ist laut Lok mit den bisherigen Therapien ein HBsAg-Verlust nur bei wenigen Patienten möglich: Nur 1,3 bis 11% der HBeAg-positiven Patienten („Wildtyp“-Antigen) erreichen mit einer Therapie innerhalb von 2 bis 5 Jahren einen HBsAg-Verlust. Schwieriger sei das nochmals bei der prognostisch ungünstigeren HBeAg-negativen Hepatitis B: Ein HBsAg-Verlust tritt innerhalb von 2 bis 5 Jahren bei 0,3 bis 8% der Patienten auf. Umso wichtiger sei es, neue Medikamente zu entwickeln, die eine Heilung der Hepatitis B ermöglichen, konstatierte Lok.

Therapieansatz mit Nukleinsäurepolymeren

Zurzeit werden Lok zufolge verschiedene Angriffspunkte im Replikationszyklus des Virus als mögliche Schritte auf dem Weg zu einer Heilung untersucht. Beispielsweise kann der Aufbau des viralen Capsids durch Capsid-Assembly-Inhibitoren geblockt und auf diese Weise der Replikationszyklus gestört werden, das Gene-Silencing durch Small Interfering RNA (siRNA) oder der Eintritt des Virus in die Leberzelle durch Entry-Inhibitoren blockiert werden.

Einen weiteren Therapieansatz stellte Dr. Michel Bazinet vom Unternehmen Replicor vor: Die Nukleinsäurepolymere (nucleic acid polymere, NAP) REP 2139 und REP 2165 sollen die Freigabe von sogenannten nichtinfektiösen subviralen Partikeln (SVP) aus den infizierten Hepatozyten blockieren und auf diese Weise zu einem Abfall des Serum-HBsAg führen.

In der vorgestellten randomisierten offenen Studie erhielten 40 therapienaive HBe-negative Patienten für zunächst 26 Wochen das Nukleosidanalogon Tenofovirdisoproxilfumarat (TDF) und pegyliertes Interferon alfa 2a (peg-IFN). Danach wurden sie im Verhältnis 1:1 in eine experimentelle Gruppe und eine Kontrollgruppe randomisiert aufgeteilt. Die experimentelle Gruppe erhielt 48 Wochen TDF und peg-IFN und als einmal wöchentliche Infusion 250mg REP 2139 oder REP 2165 ebenfalls im Verhältnis 1:1. Die Patienten in der Kontrollgruppe wurden 48 Wochen lang mit TDF und peg-IFN behandelt und konnten in die experimentelle Gruppe wechseln, falls ihre Viruslast nach 24 Wochen nicht um 3 Logstufen gesunken war.

Zeichen einer wieder einsetzenden Immunantwort unter der Therapie

Bazinet stellte die vorläufigen Ergebnisse von 29 Patienten vor, die bereits mindestens 12 Wochen lang nach der Randomisierung behandelt wurden. Insgesamt 18 Patienten erhielten einen der NAPs (jeweils 9 Patienten REP 2139 und REP2165).

Bei allen Patienten, die mit REP 2139 behandelt wurden, war das Serum-HBsAg um mindestens eine Logstufe gesunken. Bei Patienten, die mit REP 2165 behandelt wurden, war das bei 6 der 9 Patienten der Fall. Einen Abfall um 3 Logstufen erzielten 7 von 9 REP 2139-Patienten und 4 von 9 REP 2165-Patienten. Bei 3 Patienten sank das HbsAg bereits nach 4 Wochen um mehrere Logstufen. In der Kontrollgruppe erzielte die Therapie mit TDF und peg-IFN bei keinem Patienten einen Abfall des Serum-HBsAgs.

Laut Bazinet stiegen wie erwartet bei den Patienten aus der experimentellen Gruppe mit dem Abfalls des HBsAg die Transaminasen – diese Hepatitis-Flares sind ein Zeichen einer wieder einsetzenden Immunantwort. Bei allen Patienten trat eine Interferon-assoziierte Thrombozytopenie und Leukopenie auf.

Für Bazinet ist der Einsatz der NAPs ein vielversprechender Ansatz, da ein Abfall und Verlust des HbsAg zu einer Clearance von Virionen und zu einer verstärkten Immunantwort in der Leber führt und letztendlich bei den meisten Patienten die Wirksamkeit der Immuntherapie verbessert, sodass eine funktionelle Kontrolle der Infektion nach der Therapie möglich ist.

 

REFERENZEN:

1. AASLD The Liver Meeting; 11. bis 15. November 2016, Boston/USA

 

Kommentar

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