Verschiedene Studien haben das Potenzial von Radiopharmaka zur Darstellung von Beta-Amyloid-Plaques mit Hilfe der Positronenemissionstomografie (PET) belegt. Bislang gab es jedoch keine Studi zur klinischen Relevanz der Untersuchung. Dr. Marina Boccardi vom LANVIE-Laboratory of Neuroimaging of Aging der Universität Genf hat nun eine entsprechende Studie zur Amyloid-PET mit dem Marker [18F]-Florbetapir veröffentlicht. Ihr Fazit: Diese Form der Bildgebung verändert Diagnose und Pharmakotherapie in der klinischen Praxis [1].
Allerdings: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt schätze ich die klinische Relevanz, wenn die Erkrankung entsprechend den Vorgaben der S3-Leitilinie Demenz diagnostiziert wird, in der Routineanwendung als gering ein“, meint dagegen Prof. Dr. Richard Dodel von der Klinik für Geriatrie, Universitätsklinikum Essen, zu Medscape. Er führt mehrere Argumente an.
Keine Medikamente, keine Sicherheit
„Wir haben derzeit keine Medikamente, die den Krankheitsverlauf modifizieren“, erklärt Dodel. „Wenn ich nun Jahre vor Beginn der Erkrankung schon weiß, dass ich ein hohes Risiko trage, aber nichts dagegen einnehmen kann, halte ich dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt für kritisch.“ Dies würde sich sofort ändern, sollten entsprechende Medikamente zur Verfügung stehen.
Damit nicht genug. „In zwei vorangegangenen Ausgaben der Zeitschrift JAMA hat man die Häufigkeit von Plaque-Ablagerungen im Gehirn in Abhängigkeit vom Alter untersucht“, so der Experte. Demnach fanden Wissenschaftler bei 23% aller 70-jährigen kognitiv gesunden Senioren diese Anomalie.
Gleichzeitig betont Dodel, die Amyloid-Bildgebung sei sehr wichtig, um Prozesse der Plaque- und Krankheitsentwicklung besser zu verstehen.
Therapien häufig umgestellt
Um ein besseres Verständnis der Zusammenhänge ging es auch Boccardi. An ihrer Incremental Diagnostic Value of Amyloid PET With [18F]-Florbetapir (INDIA-FBP)-Studie nahmen 18 Zentren teil. Ärzte rekrutierten 228 erwachsene Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen. Sie hatten alle eine routinemäßige klinische beziehungsweise instrumentelle Diagnostik und bei Bedarf eine leitliniengerechte Medikation.
Durch den Amyloid-Scan änderten sich einige Bewertungen: 46 Patienten hatten trotz anfänglicher Alzheimer-Diagnose keine Plaques. Bei 16 Personen ohne Alzheimer-Diagnose zeigte die Bildgebung jedoch Amyloid-Ablagerungen.
Auch die Medikation wurde daraufhin in einigen Fällen geändert. Aufgrund der neuen Bildgebung und bereits vorhandener Daten erhielten 61 Patienten, die zuvor keine Medikation bekommen hatten, Acetylcholinesterase-Hemmer und Memantin. Bei 6 Studienteilnehmern mit anfänglicher Pharmakotherapie wurden dagegen die Präparate abgesetzt.
Praxisnahe Handlungsempfehlungen
Eine solche Bildgebung wird nicht nur in Studien eingesetzt. In Deutschland befinden sich mittlerweile einige Radiopharmaka in der klinischen Routineanwendung. Dazu gehören [11C]PIB, [18F]-Florbetapir, [18F]-Florbetaben und [18F]-Flutemetamol. Umso wichtiger sind Handlungsempfehlungen für die Praxis. Deshalb hat die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin vor wenigen Monaten eine Leitlinie zur sachgerechten Durchführung und Auswertung der Beta-Amyloid-PET publiziert. Federführend waren Prof. Dr. Henryk Barthel und Prof. Dr. Osama Sabri vom Universitätsklinikum Leipzig.
„Diese Handlungsanweisungen werden für die Amyloid-Radiopharmaka anwendenden Nuklearmediziner sicherlich eine große Hilfe darstellen“, erklärt Barthel in einer Presseinformation. „Auf diese Weise soll eine hohe diagnostische Qualität der Amyloid-PET garantiert werden.“ Gesundheitsökonomische Fragen bleiben aber unbeantwortet.
Noch keine Kostenübernahme
„Die Kostenerstattung für die Durchführung von ambulanten PETs in Deutschland besteht nur in ganz wenigen Indikationen“, weiß Dodel. „Meist werden die Patienten stationär aufgenommen, und dann werden die entsprechenden Untersuchungen durchgeführt.“
Versicherte in den USA dagegen profitieren schon heute von einem Modellprojekt. Medicare nimmt 18.000 Versicherte in die IDEAS-Studie (Imaging Dementia – Evidence for Amyloid Scanning) auf. Ziel ist, herauszufinden, ob und inwieweit die Amyloid-PET relevante Informationen liefern kann, um die Therapie zu optimieren.
REFERENZEN:
1. Boccardi M, et al: JAMA Neurol (online) 31. Oktober 2016
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Bilder vom Kopf – Was bringt die Amyloid-PET bei Alzheimer für die klinische Praxis? - Medscape - 21. Nov 2016.
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