Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seinem November-Meeting 9 neue Arzneimittel zur Zulassung empfohlen, darunter ein Medikament gegen Blutungen bei Hämophilie A, ein Mittel zur Behandlung der chronischen Hepatitis B und 2 Insulinpräparate für die Diabetestherapie. Außerdem soll die bedingte Marktzulassung für ein Mittel erneuert werden, welches bei Patienten mit der seltenen Muskeldystrophie vom Typ Duchenne eingesetzt wird.
Afstyla® (Lonoctocog alfa, CSL Behring) dient der Prävention und Behandlung von Blutungen bei Patienten mit Hämophilie A. Es wird – nach Zulassung durch die Europäische Kommission – in Form eines Pulvers (250 IU, 500 IU, 1.000 IU, 1.500 IU, 2.000 IU, 2.500 IU und 3.000 IU) und eines Lösungsmittels zur Zubereitung einer Injektions- oder Infusionslösung zur Verfügung stehen. Der Wirkstoff Lonoctocog alfa ist ein einzelkettiger rekombinant hergestellter humaner Faktor VIII und ersetzt den bei Hämophilie A fehlenden, für eine wirksame Hämostase notwendigen Blutgerinnungsfaktor VIII.
Ein Molekül mit besserer Affinität
Lonoctocog alfa unterscheidet sich von anderen Faktor-VIII-Produkten durch sein einzelkettiges Design. Die beiden Molekülketten, aus denen der Blutgerinnungsfaktor VIII besteht, sind durch eine starke Bindung miteinander verknüpft und bilden so ein Molekül. Dadurch erhöht sich die Affinität für den von-Willebrand-Faktor und Lonoctocog alfa verbleibt länger im Blutkreislauf.
In klinischen Studien wurde gezeigt, dass Lonoctocog alfa sowohl als Bedarfsmedikation als auch bei chirurgischen Eingriffen Blutungen bei Hämophilie-A-Patienten vorbeugen und kontrollieren kann. Das Medikament kann bei Patienten aller Altersgruppen eingesetzt werden, soll aber von Ärzten verordnet werden, die Erfahrung in der Behandlung der Hämophilie A haben. Die häufigsten Nebenwirkungen in Studien waren Hypersensibilität, Schwindel, Parästhesie, Ausschlag und Fieber.
Anhaltendes virales Ansprechen bei Hepatitis B
Eine weitere Zulassungsempfehlung des CHMP hat das Hepatitis-B-Medikament Vemlidy® (Tenofovir Alafenamid, Gilead) erhalten. Die Filmtabletten enthalten 25 mg des Wirkstoffes Tenofovir Alafenamid, ein Nukleotid-Reverse-Transkriptase-Inhibitor. Tenofovir Alafenamid ist ein Substrat der reversen Transkriptase des Hepatitis-B-Virus (HBV) und gleichzeitig ein kompetitiver Inhibitor. Nach Phosphorylierung wird es in die virale DNS eingebaut, was zum Kettenabbruch führt.
In Studien führte das Medikament zu einem anhaltenden viralen Ansprechen bei therapienaiven und therapieerfahrenen Patienten. Es ist indiziert bei Erwachsenen und Jugendlichen (ab 12 Jahren und einem Gewicht von mindestens 35 kg) mit chronischer Hepatitis B und sollte von Ärzten verabreicht werden, die Erfahrung in der Behandlung der Erkrankung haben.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen. Im Vergleich zu dem bereits zugelassenen Tenofovirdisoproxil hat es einen geringen Effekt auf Nieren und Knochen.
Zur Behandlung von Diabetes hat der Ausschuss 2 neue Insulinpräparate zur Zulassung empfohlen. Fiasp® (Insulin aspart, Novo Nordisk), eine Injektionslösung mit 100 Einheiten/ml. Es ist ein schnellwirksames Insulinanalogon, das vom Körper rasch aufgenommen wird und deshalb schneller wirkt als Humaninsulin. Es ist indiziert zur Behandlung des Diabetes mellitus bei Erwachsenen.
Fixkombination: Wenn Metformin nicht mehr ausreicht
Suliqua (Sanofi) ist eine Fixkombination aus dem Basalinsulinanalogon Insulin glargin (100 Einheiten/ml) und dem GLP-1-Rezeptoragonisten Lixisenatid (33 oder 50 µg/ml). Es wird als Injektionslösung zur Verfügung stehen und ist – in Kombination mit Metformin – indiziert bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes, wenn mit Metformin alleine, Metformin in Kombination mit einem anderen oralen Antidiabetikum oder mit einem Basalinsulin keine ausreichende Verbesserung der glykämischen Kontrolle erzielt werden konnte.
Das Präparat verhält sich gewichtsneutral, die häufigsten Nebenwirkungen sind Hypoglykämien, Schwindel und Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Diarrhoe.
Biosimilars, Generika und Indikationserweiterungen
Des Weiteren hat der CHMP 3 Biosimilars zur Zulassung empfohlen: Lusduna® (Insulin glargin, MSD) für die Diabetestherapie und Movymia™ (Stada) und Terrosa® (Gedeon Richter plc) – beide enthalten Teriparatid – für die Osteoporose-Behandlung.
Eine Zulassungsempfehlung erhielten außerdem die beiden Generika Darunavir Mylan® (Darunavir), ein HIV-Medikament, und Tadalafil Generics (Tadalafil), in der Indikation „Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie“.
Indikationserweiterungen empfiehlt der Ausschuss für die Medikamente Arzerra®, Caprelsa®, Humira®, Nimenrix® und Vimpat®.
Translarna: Erneuerung der bedingten Marktzulassung
Der CHMP empfiehlt die bedingte Marktzulassung von Translarna (Ataluren, PTC Therapeutics) zu erneuern. Das Medikament dient der Behandlung von Patienten mit der seltenen und schweren Muskeldystrophie vom Typ Duchenne. Es wird bei Patienten ab dem 5. Lebensjahr eingesetzt, die in der Lage sind zu gehen und deren Erkrankung durch eine Nonsense-Mutation im Gen für das Muskelprotein Dystrophin verursacht wird.
Die bisher aus einer vom Hersteller durchgeführten Studie zur Verfügung stehenden Daten deuten darauf hin, dass Ataluren die Krankheitsprogression verlangsamt und dass es keine schweren Sicherheitsbedenken gibt. Deshalb und weil für diese Form der Muskeldystrophie sonst keine anderen Medikamente zur Verfügung stehen, hat Ataluren eine bedingte Marktzulassung erhalten.
Die bedingte Marktzulassung ist ein Instrument der EMA, um den Zugang der Patienten zu neuen Medikamenten zu beschleunigen, wenn ein hoher Bedarf an (zusätzlichen) Therapieoptionen besteht. Für diese Art der Zulassung müssen die Daten aus klinischen Studien noch nicht vollständig sein und können vom Hersteller nachgeliefert werden, während das Mittel bereits auf dem Markt ist.
Der Ausschuss hat, um das Risiko-Nutzen-Verhältnis umfassend bewerten zu können, vom Hersteller eine weitere, 18-monatige, randomisierte, placebokontrollierte Studie gefordert, in der alle Patienten auf Ataluren umgestellt werden. Die Ergebnisse dieser Studie werden im 1. Quartal 2021 erwartet.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Aktuelle EMA-Empfehlungen: Neun „Neue“ – darunter eins bei Hämophilie A, eins gegen Hepatitis B und zwei Insulinpräparate - Medscape - 11. Nov 2016.
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