MEINUNG

Alzheimer-Demenz: Aktuelle Studien zu Diagnostik und Therapie

Dr. Shari Langemak

Interessenkonflikte

14. November 2016

Prof. Dr. Christine von Arnim

Während die Fortschritte in der Therapie noch auf sich warten lassen, ist man bei der In-vivo-Diagnostik der Alzheimer-Demenz bereits ein paar entscheidende Schritte weiter. Prof. Dr. Christine von Arnim vom Universitätsklinikum Ulm berichtet im Interview mit Medscape, welche Techniken und Therapien derzeit erforscht werden, und welche Hoffnungen sich daraus für Patienten und ihre Angehörige ergeben.

Medscape: Die Hoffnung ist groß, dass wir mit Hilfe von Biomarkern eine Alzheimer-Demenz zunehmend besser und früher diagnostizieren können. Welche Bedeutung haben Amyloid-Beta und Tau bereits jetzt in der klinischen Praxis?

Prof. Dr. von Arnim: Die Assays zu A-Beta und Tau werden tatsächlich immer besser – und wir als Ärzte und Forscher verstehen ebenso immer besser, wie wir die Präanalytik durchführen müssen. Wichtig ist vor allem, dass die richtigen Röhrchen verwendet werden. A-Beta ist extrem klebrig, und klebt an bestimmten Plastikarten besser als an anderen. Entsprechend variiert der Wert von Röhrchen zu Röhrchen. Auch die Geschwindigkeit, mit der die Probe analysiert wird, ist entscheidend. Und zuletzt ist es wichtig, dass das Labor, das die Analyse vornimmt, an Ringversuchen teilnimmt, um so seine Werte mit anderen Laboratorien zu eichen. Je mehr wir diese Einflussfaktoren berücksichtigen, umso genauer werden auch unsere Analysen.

Medscape: Kann eine Alzheimer-Demenz denn überhaupt anhand von Liquormarkern diagnostiziert werden? Oder ist das weiterhin nur post mortem möglich?

Prof. Dr. von Arnim: So gut wie die post-mortem Analyse ist die In-vivo-Diagnostik leider noch nicht – aber sie wird immer spezifischer und sensitiver, auch durch die Kombination mit der Neurobildgebung. Das Amyloid-PET gibt es zum Beispiel seit 2004, und es ist extrem hilfreich dabei, Amyloid-positive Demenzen zu finden. Zudem explodiert die Anwendung von Tau-Tracern in den letzten Jahren geradezu. Diese Methode wird bereits weltweit in verschiedenen Zentren untersucht und in großen Studien eingesetzt – obwohl man noch längst nicht genau weiß, wie man die Ergebnisse eigentlich interpretieren soll. Dennoch sind die Daten schon jetzt sehr eindrucksvoll und vielversprechend.

Medscape: Angenommen eine Alzheimer-Demenz könnte bald zuverlässig in-vivo diagnostiziert werden – hätte dies überhaupt eine große therapeutische Konsequenz? Letztlich sind die Therapie-Optionen derzeit leider noch sehr rar.

Prof. Dr. von Arnim: Tatsächlich gibt es derzeit noch keine kurative oder eindrucksvolle symptomatische Therapie, selbst im Frühstadium. Trotzdem geht es Alzheimer-Patienten, bei denen mit den aktuell zur Verfügung stehenden Möglichkeiten frühzeitig interveniert wird, heute besser als noch vor 20-30 Jahren. Zudem werden Biomarker und Neurobildgebung bereits in laufenden Medikamenten-Studien berücksichtigt. Das Ziel ist es, dass uns diese Diagnostika künftig dabei helfen, Patienten-Gruppierungen zu unterscheiden, die auf bestimmte Medikamente besser oder schlechter ansprechen.

Medscape: Wie könnten diese Therapien denn aussehen? Was sind die derzeit größten Hoffnungsträger?

Prof. Dr. von Arnim: Beim Amyloid sind wir bereits recht weit. Es laufen weiterhin Studien zu Solanezumab, das sich gegen das Beta-Amyloid richtet. In der post-hoc-Analyse der den primären Outcome betreffenden negativen Ergebnisse [2] zeigte sich in den sehr früh betroffenen Amyloid-positiven Patienten ein positiver Trend. Die Ergebnisse der Folgestudie mit genau diesem Patientenklientel werden noch 2016 erwartet.

 
Ziel ist es, Patienten-Gruppierungen zu unterscheiden, die auf bestimmte Medikamente besser oder schlechter ansprechen.
 

Einen weiteren Amyloid-zentrierten Ansatz verfolgen die Beta-Sekretase-Inhibitoren, die die primäre Amyloid-Beta-Produktion bremsen. Das funktioniert ganz gut, und ist auch gut verträglich. Dazu laufen aktuell mehrere Phase 3-Studien. Das Tau-Protein ist dagegen schon schwieriger zugänglich, aber auch hier laufen derzeit ein paar Studien, die nach neuen Therapie-Ansätzen forschen.

Medscape: Bis wir die hoffentlich positiven Studien-Ergebnisse haben, bleibt hauptsächlich die Prävention – was beugt der Alzheimer-Demenz am besten vor bzw. bremst den Progress?

Prof. Dr. von Arnim: Dazu gibt es verschiedene epidemiologische Daten. Ein bestimmter, aktiver Lebensstil scheint zwar mit einem geringeren Risiko verbunden zu sein. Aber sobald man einzelne Faktoren auf einen möglichen Zusammenhang prüft, wird der Nachweis schwierig. Grundsätzlich scheinen kardiovaskuläre Erkrankungen und die Alzheimer-Demenz ähnliche Risikofaktoren zu haben: Übergewicht, Bluthochdruck, hohe Cholesterinspiegel scheinen das Risiko zu erhöhen, eine mediterrane Kost das Risiko zu senken. Zudem beugen geistige Aktivität und Komplexität im Berufsalltag einer Demenz vor.

 
„Ziel ist es, Patienten-Gruppierungen zu unterscheiden, die auf bestimmte Medikamente besser oder schlechter ansprechen.
 

Wann man allerdings mit der Prävention anfangen sollte, ist schwer zu sagen. Möglicherweise hat das Verhalten in der Kindheit bereits einen Einfluss. In den kommenden Jahren werden wir mit Sicherheit mehr darüber erfahren, da wir einen riesigen Zuwachs an Daten haben.

Medscape: Was können wir Patienten empfehlen, die bereits an Alzheimer erkrankt sind?

Prof. Dr. von Arnim: Nicht-medikamentöse Interventionen wie Ergotherapie und kognitives Training sind bereits in die Leitlinien mit aufgenommen worden. Allerdings gestaltet sich der Nachweis für deren Effektivität schwierig. Doppelblindstudien sind ja letztlich nicht möglich.

Zudem finde ich es schwierig, Patienten zu nicht-medikamentösen Therapien zu zwingen. Die eigene Motivation entscheidet, sonst werden Ergotherapie und kognitives Training nur zu einem frustrierenden Erlebnis und können sogar einen negativen Effekt haben. Dieses Spannungsfeld müssen Ärzte verstehen.

 

REFERENZEN:

1. 89. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 21. bis 24. September 2016, Mannheim

2. Doody RS, et al: NEJM, 23. Januar 2014

 

Kommentar

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