Primäre biliäre Cholangitis: Obeticholsäure bewährt sich in Phase-3-Studie als Behandlungsalternative

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

7. November 2016

Obeticholsäure kann allein oder in Kombination mit Ursodeoxycholsäure (UDC) das Fortschreiten einer primären biliären Cholangitis (PBC) verlangsamen. Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Phase-3-Studie POISE (PBC OCA International Study of Efficacy), die von einer Arbeitsgruppe um den Hepatologen Prof. Dr. Frederik Nevens, Universitätsklinik Katholische Universität Löwen, im New England Journal of Medicine publiziert worden ist [1].

Erste Ergebnisse der Studie hatte Nevens bereits 2014 beim europäischen Leberkongress in London vorgestellt (wie Medscape berichtete). Die neue Therapie verminderte die alkalische Phosphatase und die Bilirubin-Werte signifikant stärker als Placebo. „Die Daten der POISE-Studie belegen den Wert von Obeticholsäure als wichtige neue Therapieoption für PBC-Patienten, die auf Ursodeoxycholsäure nicht ausreichend ansprechen oder intolerant sind“, so Nevens in einer Pressemitteilung des Studiensponsors.

Auf Basis der POISE-Daten hat die amerikanische FDA Obeticholsäure am 27. Mai 2016 beschleunigt für die Behandlung der PBC in Kombination mit Ursodeoxycholsäure zugelassen. „Obeticholsäure ist ein willkommene Ergänzung der Therapieoptionen bei PBC, aber sie bedeutet nicht das Ende unserer Suche nach wirksamen Therapien für diese herausfordernde und wenig verstandene Erkrankung“, kommentiert Prof. Dr. Daniel S. Pratt, Autoimmune and Cholestatic Liver Center, Massachusetts General Hospital und Harvard Medical School, Boston, im begleitenden Editorial [2].

Seltene Autoimmunerkrankung mit wenigen Therapiemöglichkeiten

 
Obeticholsäure ist ein willkommene Ergänzung der Therapieoptionen bei PBC, aber sie bedeutet nicht das Ende unserer Suche nach wirksamen Therapien für diese … Erkrankung. Prof. Dr. Daniel S. Pratt
 

Die primäre biliäre Cholangitis, früher als primäre biliäre Zirrhose bezeichnet, ist eine seltene Autoimmunerkrankung der Leber, an der vorwiegend Frauen erkranken. Entzündungsvorgänge greifen zunächst die Gallengänge in der Leber an. Später greift die Entzündung auf das gesamte Lebergewebe über, im Endstadium entsteht eine Zirrhose. Frühe Hinweise sind erhöhte Werte von alkalischer Phosphatase (AP) und Gamma-Glutamyltransferase (GGT). Der Bilirubinspiegel steigt bei weiterem Fortschreiten der Erkrankung. Höhere AP- und Bilirubinspiegel korrelieren mit der Progression.

UDC ist seit vielen Jahren die einzige zugelassene Therapie, die bei einem Teil der Patienten zu einer Reduktion der Leberwerte führt und damit die Zeit bis zur Transplantation verzögert. Ihre Wirkung bei Leber- und cholestatischen Erkrankungen beruht nach derzeitigen Erkenntnissen vermutlich auf einem Austausch lipophiler, detergenzienartig wirkender, toxischer Gallensäuren gegen die hydrophile, zytoprotektive UDC, auf einer Verbesserung der sekretorischen Kapazität der Leberzelle sowie auf immunregulatorischen Prozessen. Etwa 50% der PBC-Patienten sprechen jedoch auf diese Therapie nicht an.

Obeticholsäure, ein Derivat der körpereigenen Chenodeoxycholsäure, ist ein selektiver Agonist am Farnesoid-X-Rezeptor (FXR), der im Zellkern als Transkriptionsfaktor die Aktivität der Cholesterol-7-alpha-Hydroxylase hemmt, die ein Schlüsselenzym bei Synthese, Konjugation und Transport der Gallensäuren ist. Bei Aktivierung von FXR werden Gallensäuren vermehrt abgebaut und weniger synthetisiert. Hierdurch werden die Hepatozyten vor den Gallensäuren geschützt. Darüber hinaus wirkt FXR auf weitere Stoffwechselwege direkt antientzündlich und antifibrotisch.

Zulassungsrelevante Phase-3-Studie POISE

In 59 Zentren in 13 Ländern wurden 217 PBC-Patienten im Alter ab 18 Jahren in die doppelblinde, randomisierte Studie aufgenommen, wenn ihr AP-Wert über dem 1,67-fachen oberen Normwert und/oder der Bilirubinwert unterhalb des 2-fachen oberen Normwerts lag. Alle Patienten wurden mit UDC (13-15 mg/kg Körpergewicht täglich) behandelt. Wenn sie UDC nicht vertrugen, mussten sie es mindestens 3 Monate vor Studieneinschluss abgesetzt haben.

Randomisiert erhielten sie entweder einmal täglich Placebo (n = 73), einmal täglich Obeticholsäure 5 bis 10 mg (n = 70) oder einmal täglich 10 mg (n = 73). Die Patienten der 5-bis-10-mg-Gruppe wurden zunächst über 6 Monate mit 5 mg/Tag behandelt. Danach wurde die Dosis auf 10 mg in Abhängigkeit von den Nebenwirkungen und vom Ansprechen erhöht. Wenn die Patienten z.B. unter einem schweren Juckreiz litten oder bereits mit 5 mg den primären Endpunkt erreicht hatten, erhielten sie weiterhin 5 mg Obeticholsäure/Tag. Die doppelblinde Phase der Studie dauerte 12 Monate. Der primäre Endpunkt nach 12 Monaten umfasste eine Senkung des AP-Werts um mindestens 15% vom Ausgangswert und einen Bilirubin-Wert im Normbereich.

 
Die endgültige Zulassung für Obeticholsäure für die Behandlung der PBC ist abhängig vom Nachweis des klinischen Nutzens in konfirmatorischen Studien. Prof. Dr. Daniel S. Pratt
 

Alle Patienten, die die Doppelblind-Phase vollständig durchliefen, wurden in die offene 5-jährige Extensionsphase überführt, wo sie die ersten 3 Monate mit 5 mg Obeticholsäure/Tag behandelt wurden. Anschließend konnte die Dosis erhöht werden.

Primärer Endpunkt erreicht

Von den 216 auswertbaren Patienten waren 91% Frauen. 93% wurden mit UDC behandelt. In der 5-bis-10-mg-Gruppe erreichten 46%, in der 10-mg-Gruppe 47% und in der Placebogruppe 10% den primären Endpunkt (jeweils p < 0,001). AP- und Bilirubin-Werte wurden in den beiden Verumgruppen jeweils signifikant stärker gesenkt als in der Placebogruppe. 

Juckreiz als Nebenwirkung war unter Obeticholsäure (56% bzw. 68%) signifikant häufiger als unter Placebo (38%). „Ein Therapiebeginn mit 5 mg und eine Aufdosierung auf 10 mg nach Bedarf führte zu einer niedrigeren Abbruchrate wegen Juckreiz, als ein Therapiebeginn mit 10 mg/Tag. „Der Mechanismus des Obeticholsäure-assoziierten Pruritus ist unklar“, so die Autoren. Schwere Nebenwirkungen traten mit einer Häufigkeit von 16% in der 5-bis-10-mg-Gruppe, von 11% in der 10-mg-Gruppe und von 4% in der Placebogruppe auf.

193 Patienten wurden in die offene Langzeitphase übernommen. Auch nach 2 Jahren sprachen die Patienten noch auf Obeticholsäure an. Teilnehmer, die in der Doppelblindphase Placebo erhalten hatten, sprachen in der Extensionsphase ähnlich gut auf Obeticholsäure an wie die Teilnehmer in den Verumgruppen.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die PBC eine chronische Erkrankung ist, bislang aber erst Ergebnisse für eine Behandlung über 2 Jahre vorliegen. Der Schwerpunkt der Studie habe daher auf Biomarkern als Surrogatparametern gelegen, sie habe keine Power gehabt, um klinische Endpunkte zu bewerten. Und Pratt ergänzt im Editorial: „Die endgültige Zulassung für Obeticholsäure für die Behandlung der PBC ist abhängig vom Nachweis des klinischen Nutzens in konfirmatorischen Studien. Eine Phase-3b-Studie mit klinischen Endpunkten läuft derzeit, sie untersucht die Wirkung von Obeticholsäure auf die Sterblichkeit und Leber-assoziierte klinische Endpunkte.“

Welches Vorgehen ist sinnvoll?

Nach Aussage von Pratt steht nun in den USA eine neue Therapie zur sofortigen Anwendung bei einer Gruppe von Patienten zur Verfügung, die dringend eine Zweitlinienbehandlung benötigen. Es hänge von den behandelnden Ärzten ab, ob sie einen Patienten als Non-Responder auf UDC einordnen und dann für ihn eine Therapie mit Obeticholsäure in Erwägung ziehen. Und er stellt die Frage, was mit den Patienten sei, die die neue Substanz länger als 12 Monate nehmen.

„Patienten mit biochemischem Ansprechen werden sie vermutlich über unbestimmte Zeit weiter nehmen. Aber was ist mit den Patienten, die nach zwölf Monaten nicht ansprechen? Das sind nach der Ergebnissen der POISE-Studie etwa 50 Prozent.“ Es stelle sich die Frage, ob sie auch über längere Zeit weiter behandelt werden sollten, ohne dass entsprechende Daten vorliegen, und das zu einem Preis von etwa 70.000 Dollar pro Jahr. „Obwohl die vorgestellten Daten ermutigend sind, bleiben Fragen“, so Pratts Fazit.

 

REFERENZEN:

1. Nevens F, et al: NEJM 2016;375:631-43

2. Pratt DS, et al: NEJM 2016;375:685-687

 

Kommentar

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