Senken Nicht-Statine wie Ezetimib oder PCSK9-Hemmer das kardiovaskuläre Risiko ähnlich effektiv wie Statine?

Dr. Ingrid Horn

Interessenkonflikte

7. November 2016

Während Statine das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse deutlich senken können, ist der klinische Nutzen von Nicht-Statin-Therapien weniger klar belegt. Eine in JAMA publizierte Meta-Regressions-Analyse zeigt nun, dass alternative Maßnahmen das kardiovaskuläre Risiko ähnlich effektiv verringern können wie der Einsatz von Statinen [1].

Prof. Dr. Ulrich Laufs

„Die von uns erhobenen Daten sprechen dafür, dass Interventionen, die vorwiegend die LDL-Rezeptor-Expression heraufsetzen, eine Behandlungsoption bei kardiovaskulärem Risiko sind“, so das Fazit von Dr. Michael G. Silverman von der Harvard Medical School in Boston und seinen Kollegen, die unter der Leitung von Prof. Dr. Marc S. Sabatine von der Abteilung für kardiovaskuläre Medizin am dortigen Brigham and Women’s Hospital entstanden ist.

Aktuelle Leitlinien bestätigt

Trotz der überzeugenden Statistik läuft das Ergebnis aber keineswegs auf einen Strategiewechsel hinaus, wie Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leitender Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin des Universitätsklinikums des Saarlandes in Homburg gegenüber Medscape erläutert. „Die Analyse unterstützt erneut die aktuellen Empfehlungen der Europäischen und Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und das Prinzip der individuellen LDL-Zielwerte“, betont der Kardiologe. Danach seien Statine die erste Wahl. Wenn die LDL-Zielwerte mit einer optimalen Statin-Therapie nicht erreicht würden, käme als Kombinationspartner das Nicht-Statin Ezetimib in Frage.

Auf die LDL-Rezeptor-Expression kommt es an

Wie Silverman und Co-Autoren anhand der Auswertung von 49 Studien mit insgesamt 312.175 Teilnehmern feststellten, war das relative Risiko (RR) für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis für beide Arten von Behandlung annährend gleich groß. Pro 1 mmol/l (38,6 mg/dl) Absenkung des LDL-Cholesterin(C)-Spiegels ergab sich für Statin-Therapien ein Wert von 0,77 (95%CI, 0,71-0,84; p < 0,001) und für Nicht-Statin-Therapien von 0,75 (95%CI, 0,66-0,86; p = 0,002). Also eine relative Risikoreduktion um 23 bzw. 25% pro 1 mmol/l niedrigerem LDL.

Bei den Nicht-Statin-Interventionen handelte sich um 4 Maßnahmen: Ernährungsinterventionen, Gallensäurebinder, Ileumausschaltung und Ezetimib. „Für alle fünf Interventionsarten gemeinsam beträgt das RR 0,77 (95% CI, 0,75-0,79, p < 0,001)“, schreiben die Autoren.

Die Meta-Analyse bestätigt zudem, dass proportional zu den niedrigeren absoluten LDL-C-Spiegeln die Häufigkeit schwerer kardiovaskulärer Ereignisse einschließlich Herztod oder Myokardinfarkt entsprechend abnimmt. Über den Zeitraum von 5 Jahren betrachtet sank bei den Studien zur primären Prävention die Häufigkeit um 1,5% pro 1 mmol/l Reduktion des LDL-C-Spiegels, bei denjenigen zur sekundären Prävention um 4,6%.

 
Die Analyse unterstützt die aktuellen Empfehlungen der Europäischen und Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und das Prinzip der individuellen LDL-Zielwerte. Prof. Dr. Ulrich Laufs
 

Das Datenmaterial bezogen die Autoren aus den Datenbanken MEDLINE und EMBASE, in denen sie nach entsprechenden klinischen Studien für den Zeitraum von 1966 bis 2016 suchten. Um berücksichtigt zu werden, mussten diese mindestens die folgenden beiden Kriterien erfüllen: Randomisierung und den Einschluss von Myokardinfarkt als klinischen Endpunkt. Das letztlich in der Meta-Analyse ermittelte relative Risiko basiert auf einem Konglomerat aus Herztod, akutem Myokardinfarkt sowie anderen akuten koronaren Syndromen, koronarer Revaskularisierung und Schlaganfall.

Uneinheitliches Bild bei anderen Nicht-Statin-Therapien

Insgesamt haben Silverman und Mitautoren 9 Behandlungsstrategien zur Senkung des LDL-C-Spiegels untersucht. Zu den Interventionen, die ihre Wirkung nicht primär über ein Heraufregulieren der LDL-Rezeptor-Expression entfalten, gehören Fibrate, Nikotinsäure und Cholesterylester-Transfer-Protein (CETP)-Inhibitoren sowie PCSK9-Inhibitoren, wobei letztere die LDL-C-Clearance über die LDL-Rezeptoren steigern. Beide erhöhen die Aufnahme von LDL-C durch die LDL-Rezeptoren aus dem Blut in die Leberzellen, indem sie die Serinprotease blockieren. Wie ein Vergleich des anhand der LDL-C-Senkung geschätzten RR zu dem in der jeweiligen Studie beobachteten RR zeigt, können Fibrate das kardiovaskuläre Risiko stärker reduzieren als erwartet, während sich CETP-Inhibitoren als weniger wirksam erwiesen als angenommen.

Nach Ansicht von Laufs steht die klinische Relevanz einiger der untersuchten Behandlungsoptionen ohnehin in Frage. Der Einsatz von Nikotinsäure sei obsolet, abdominelle Operationen wie die Ileumausschaltung sind in seinen Augen völlig abwegig und Fibrate kämen ohnehin nur in seltenen Spezialfällen zum Einsatz, so der Homburger Kardiologe. „Aktuell gelten PCSK9-Inhibitoren als Reserve-Therapie für spezielle Hochrisiko-Patienten, die trotz optimaler oraler Therapie einen hohen LDL-C-Spiegel aufweisen“, meint Laufs und verweist dabei auf laufende Studien. Diese sollen zeigen, ob PCSK9-Inhibitoren entsprechend ihrer LDL-C-Senkung auch klinische Ereignisse reduzieren.

Nicht-Statine als Add-on prüfenswert

Die Autoren sind sich einiger Einschränkungen ihrer Analyse durchaus bewusst. Wie sie schreiben, basiere diese nicht auf Patientendaten, sondern auf der Korrelation zwischen der LDL-C-Reduktion und dem relativen Risiko in der jeweiligen Studie. Die individuelle absolute Risikoreduktion für einen Patienten lasse sich deshalb nur über Umwege herleiten.

Sie verweisen unter anderem auch darauf, dass die Anzahl der Studien, die sich mit Statinen beschäftigen, die Anzahl der Studien für die anderen Therapieoptionen um ein Vielfaches übertrifft und nicht jede Studie dieselben kardiovaskulären Ereignisse einbezieht. Der lange Analysezeitraum von 51 Jahren trage ebenfalls zur Heterogenität bei, weil sich therapeutische Ansätze im Laufe der Zeit ändern.

Die statistisch fundierten Ergebnisse sprächen allerdings dafür – so das Fazit von Silverman und seinen Kollegen –­ eingehend zu überprüfen, welchen klinischen Nutzen Nicht-Statin-Therapien zusätzlich zu Statin-Therapien tatsächlich bieten können.

 

REFERENZEN:

1. Silverman MG, et al: JAMA 2016;316(2):1289-1297

 

Kommentar

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