Auch bei metastasiertem Mammakarzinom ist immer öfter eine Chronifizierung möglich

Dr. Susanna Kramarz

Interessenkonflikte

3. November 2016

Prof. Dr. Nadja Harbeck

Stuttgart – Trotz erfolgreicher Ersttherapie des Mammakarzinoms entwickelt nach wie vor etwa jede 4. Patientin – jährlich 15.000 bis 20.000 Frauen in Deutschland – Fernmetastasen. Vollständige Remission und Lebensverlängerung treten als Optionen in diesem Krankheitsstadium trotz aller therapeutischen Fortschritte eher in den Hintergrund.

Linderung tumorbedingter Beschwerden, ein möglichst langfristiger Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit und einer guten Lebensqualität sind hier die vorrangigen Therapieziele, erläuterte Prof. Dr. Nadja Harbeck, Universitätsfrauenklinik der Ludwig-Maximilian-Universität München, auf dem 61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. „Wir sollten uns aber darauf einstellen, dass das Leben mit einer Metastasierung allmählich die typische Lebensform eines chronisch Kranken wird: Einschränkungen durch die Krankheit und die Behandlung müssen hingenommen werden, aber das Leben geht weiter.“

Auf Veränderungen der Tumorbiologie achten

Treten Fernmetastasen auf, gilt es laut Harbeck zwingend, erneut die Tumorbiologie zu überprüfen und das Therapiekonzept von Anfang an auf neu aufgetretene Resistenzen einzustellen: Nicht selten hat sich der Tumor angepasst und reagiert nicht mehr auf die endokrinen oder „targeted“ Therapien, die zu Beginn der Erkrankung erfolgreich waren.

 
Einschränkungen durch die Krankheit und die Behandlung müssen hingenommen werden, aber das Leben geht weiter. Prof. Dr. Nadja Harbeck
 

Wenn Tumorbiologie und Rezeptorstatus nach dem Auftreten der Metastasen nicht erneut geprüft werden, droht ein fatales Therapieversagen: „Nach dem Versagen einer gewählten Erstlinientherapie kann ein großer Teil der Patientinnen mit Fernmetastasen keiner weiteren Behandlung zugeführt werden, weil die Krankheit zu schnell fortschreitet“, betont Harbeck. Mit jedem Medikamentenversagen gingen in dieser Situation etwa 30% der Patientinnen verloren. Diese Zahl ist über viele Studien konstant.

Wünsche der Patientinnen berücksichtigen

„Wir haben aber heute trotzdem deutlich bessere Möglichkeiten als noch vor 20 Jahren“, betonte die Senologin, „und sollten nicht aufgeben mit unseren Versuchen, Therapieresistenzen zu durchbrechen und an eine mögliche Lebensverlängerung zu glauben, selbst wenn dies bisher nur bei wenigen Patientinnen gelingt.“ Vor allem im Rahmen von klinischen Studien sei das möglich, in denen die Patientin von neuen und effektiveren Behandlungsprinzipien profitieren könne lange vor deren Zulassung (siehe Tabelle).

 
Wir haben aber heute trotzdem deutlich bessere Möglichkeiten als noch vor 20 Jahren. Prof. Dr. Nadja Harbeck
 

„Dabei achten wir heute sehr auf den Wunsch der Patientin – was hat sie in ihrem Leben noch vor? Wobei können wir sie unterstützen? Was ist ihr persönlich angemessen?“ Diese Fragen, so Harbeck, gehören bereits vor Therapiebeginn in die Tumorkonferenz. In einem Fall kann das bedeuten, dass eine Frau mit Wissen um die möglichen Nebenwirkungen effektive, aber belastende Behandlungskonzepte auf sich nimmt und motiviert mit den Nebenwirkungen umgeht, um in eine Remission zu gelangen, im anderen Fall werde man eher behutsam den Übergang in die palliative Situation vorbereiten.

Um Patientinnen zu motivieren und trotz Nebenwirkungen und krebstypischen Fatigue- und Depressionsphasen compliant zu halten, sei es wichtig, die Kommunikation mit der Patientin über ein eHealth-System aufrechzuerhalten. Zu diesem Zweck hat das Brustzentrum der Ludwig-Maximilian-Universität München die eHealth-Plattform Cankado entwickelt, die eine enge Verbindung zwischen Arzt, Klinik und Patientin auch zwischen den Präsenzterminen ermöglicht.

Kommentar

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