In Erst- und Zweitlinie wirksam: Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren nun auch bei Blasenkrebs

Zosia Chustecka

Interessenkonflikte

18. Oktober 2016

Kopenhagen – Beim diesjährigen Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) sind neue Daten präsentiert worden, die die Wirksamkeit einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren beim Blasenkarzinom belegen [1].

Die Ergebnisse stammen aus 2 neuen Phase-2-Studien: In der CheckMate-275-Studie ist der PD (Programmed Death)-1-Inhibitor Nivolumab (Opdivo®, Bristol-Myers Squibb) bei Patienten mit metastasiertem Blasenkarzinom eingesetzt worden, die trotz einer Erstlinien-Chemotherapie auf Platinbasis eine Progression zeigten. Die KEYNOTE-052-Studie untersuchte die Aktivität eines anderen PD-1-Hemmers, nämlich von Pembrolizumab (Keytruda®, Merck), bei Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem Blasenkarzinom, bei denen eine Erstlinientherapie mit Cisplatin nicht infrage gekommen war.

Die Hersteller wollen sich mit diesen Daten um eine Erweiterung der Indikationen für das Blasenkarzinom bewerben – dies neben den bereits bestätigten Indikationen beim Melanom und beim Lungenkarzinom.

Zahlreiche Immuntherapien gegen Blasenkrebs in der Pipeline

Die erste Immuntherapie beim Blasenkarzinom hat die FDA (Food and Drug Administration) bereits zu Beginn des Jahres für Atezolizumab (Tecentriq, Genentech) bewilligt. Die Entscheidung darüber basierte auf der IMvigor-210-Studie an Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Karzinomen, die unter oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie oder innerhalb von 12 Monaten bei einer neoadjuvanten oder adjuvanten platinhaltigen Behandlung eine Progression erfahren hatten.

Scheinbar führe jedes Unternehmen Phase-2-Studien für die eigene Immuntherapie durch, um an die Zulassung für die Blasenkarzinom-Indikation zu gelangen, sagte einer der Kongressvorsitzenden, Dr. Bernard Escudier, vom Institut Gustave Roussy in Villejuif,Frankreich, gegenüber Medscape: „Doch was wir brauchen, sind Phase-3-Studien.“

„Nach allem, was wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, ist die Immuntherapie beim Blasenkarzinom wirksam, wahrscheinlich besser als die Chemotherapie – zumindest insgesamt gesehen“, erklärte er weiter. Alle Evidenzen deuteten darauf hin, dass die Immuntherapie beim Blasenkarzinom eine wichtige Option darstelle. „Doch müssen wir immer noch herausfinden, welche Patienten davon mehr profitieren und welche weniger, weil wir auch einige Patienten haben, die sehr von einer Chemotherapie profitieren.“

In einem ersten Schritt hält er eine randomisierte vergleichende klinische Studie für erforderlich, die die Chemotherapie mit der Immuntherapie als Erstlinienbehandlung beim Blasenkarzinom vergleicht. Eine solche Studie ist auch in Planung. Danach könne man dann eine Kombination beider Ansätze untersuchen.

Medikamentenauswahl muss individuell sein

 
Nach allem, was wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, ist die Immuntherapie beim Blasenkarzinom wirksam, wahrscheinlich besser als die Chemotherapie … Dr. Bernard Escudier
 

Bisher hätten sich die PD-L1-Biomarker (programmed cell death 1 ligand) bei der Selektion von Patienten, die auf eine Immuntherapie ansprechen könnten, noch nicht als sonderlich hilfreich erwiesen, kritisierte er. Und auch PD-L1-negative Patienten sprächen manchmal darauf an. Es gebe Hinweise darauf, dass in diesen Fällen am besten mit einer Kombinationstherapie begonnen würde.

Doch er stimmte auch anderen Rednern zu, dass die Frage, welches Medikament nun zu verwenden sei, eine vornehmlich klinische Entscheidung ist. So sei es z.B. bei einem Patienten, der einen schweren Krankheitsverlauf zeigt, wahrscheinlich besser, mit einer Chemotherapie zu beginnen, um den Tumor schrumpfen zu lassen und dann eine Immuntherapie anzuschließen. „So machen wir es jedenfalls“, fügte Escudier hinzu.

Immuntherapie mit Pembrolizumab als Erstlinienbehandlung

Die KEYNOTE-025-Studie mit Pembrolizumab war die erste Untersuchung zur Immuntherapie als Erstlinienbehandlung. Sie wurde bei Patienten mit einem metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinom durchgeführt, bei denen eine Platinbehandlung nicht infrage kam, was in bis zu 50% der Fälle zutreffen könne. Wenn eine Cisplatin-Anwendung keine Option ist, beträgt die mittlere Überlebenszeit mit anderen Chemotherapeutika 9 bis10 Monate.

Dr. Arjun Balar, Privatdozent am NYU Langone Medical Centre in New York, stellte auf dem Kongress einen Zwischenbericht über die ersten 100 Patienten vor, die an der Studie teilgenommen hatten. Der primäre Endpunkt war die objektive Ansprechrate. Sie lag bei 24%. Die mittlere Ansprechdauer wurde noch nicht erreicht und die Behandlung wurde bislang gut vertragen.

„Pembrolizumab hat als Erstlinientherapie eine deutliche Aktivität mit zugleich hervorragendem Sicherheitsprofil bei Blasenkarzinompatienten mit Metastasen, bei denen eine Cisplatin-Behandlung nicht möglich ist“, fasste er das Ergebnis zusammen.

Als Grenzwert, um Patienten zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Behandlung ansprechen, setzen die Untersucher eine PD-L1-Expression auf 10% der gesamten Immun- bzw. Tumorzellen an. Dieses Niveau erreichten 30% der Patienten, von denen 11 (37%) auf die Behandlung ansprachen.

 
Pembrolizumab hat als Erstlinientherapie eine deutliche Aktivität mit zugleich hervorragendem Sicherheitsprofil bei Blasenkarzinompatienten mit Metastasen … Dr. Arjun Balar
 

Balar sagte dazu, dass dieser Biomarker-Grenzwert in der gesamten Studienpopulation geprüft werden sollte, es jedoch wahrscheinlich sei, dass er Patienten identifiziere, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Pembrolizumab-Therapie ansprechen. „Die Immuntherapie krempelt unsere Behandlungsansätze bei Patienten, die mit dieser schlimmen Krankheit zu kämpfen haben, ordentlich um“, sagte er.

Immuntherapie auch als Zweitlinientherapie wirksam

Sowohl die Nivolumab- als auch die Atezolizumab-Studie konnten zeigen, dass die Immuntherapie als Zweitlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem Blasenkarzinom, bei denen es trotz einer platinbasierten Erstlinientherapie zu einer Progression gekommen war, eine positive Wirkung hat.

Bei der Nivolumab-Wirksamkeitsprüfung an 265 Patienten lag der primäre Endpunkt, die objektive Ansprechrate, insgesamt bei 19,6% (bei Patienten mit einer geringen oder nicht vorhandenen PD-L1-Expression bei 16,1%). Die mittlere Ansprechdauer wurde nicht erreicht (mittleres Follow-up 7 Monate), wobei das Ansprechen bei 76,9% der Responder anhaltend war. Die mittlere progressionsfreie Überlebenszeit betrug 2 Monate (95%-Konfidenzintervall: 1,87–2,63) und die mittlere Gesamtüberlebenszeit 8,74 Monate (95%-KI: 6,05 bis nicht bestimmbar).

Insgesamt sei bei den Tumorpatienten,  egal ob mit hoher oder geringer PD-L1-Expression (einschließlich < 1% PD-L1), die objektive Ansprechrate höher gewesen als die bisher mit der Chemotherapie erreichte, erklärte Prof. Dr. Matthew Galsky von der Mount Sinai School of Medicine in New York.

Die Immuntherapie verändert die Therapielandschaft

Prof. Dr. Maria De Santis vom Cancer Research Center der University of Warwick in Großbritannien, äußerte sich in einer Presseerklärung der ESMO zum aktuellen Management des Blasenkarzinoms so: „Für Patienten, die nicht für eine platinbasierte Therapie infrage kommen oder unter Cisplatin eine Progression zeigen, stehen zu wenige Behandlungsalternativen zur Verfügung.“

 
Mit den Checkpoint-Inhibitoren verändert sich das gesamte Therapiegefüge des Blasenkarzinoms. Prof. Dr. Maria De Santis
 

Und weiter: „In diesem Jahr wurde mit Atezolizumab der erste Checkpoint-Inhibitor zur Behandlung des Blasenkarzinoms zugelassen und in der Nivolumab-Studie CheckMate-275 zeigen sich für die Zweitlinienbehandlung ganz ähnliche Ergebnisse.“

Die Ergebnisse der KEYNOTE-052-Studie „bestätigen, dass die Immuntherapie auch bei Patienten, die für eine Cisplatin-Behandlung ungeeignet sind, als Erstlinientherapie wirksam ist, wobei die Ansprechrate gegenüber der Chemotherapie nur geringfügig niedriger ist“, sagte de Santis. „Allerdings scheint älteren Kontrolluntersuchungen zufolge die Ansprechdauer von Pembrolizumab die der Chemotherapie zu übersteigen.“

„Mit den Checkpoint-Inhibitoren verändert sich das gesamte Therapiegefüge des Blasenkarzinoms. Wir erwarten in den kommenden Jahren mit dem Einsatz der Immuntherapie auch in anderen klinischen Stadien und als Kombinationsbehandlung noch dramatische Veränderungen.“


Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus http://www.medscape.com/viewarticle/870020 übersetzt und adaptiert.

 

REFERENZEN:

1. Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO), 7. bis 11. Oktober 2016, Kopenhagen/Dänemark

 

Kommentar

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