Kopenhagen – Der PD-L1-Antikörper Atezolizumab verlängert bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) das Gesamtüberleben (OS) signifikant um 4,8 Monate im Vergleich zur Behandlung mit Docetaxel. Dies ergab die bislang erste und größte Phase-3-Studie mit einem PD-L1-Antikörper, deren Ergebnisse von Dr. Fabrice Barlesi, Leiter der Abteilung für multidisziplinäre Onkologie und therapeutische Innovationen an der Aix-Marseille Universität und der Assistance Publique Hôpitaux, Marseille, Frankreich, bei der Jahrestagung der European Society of Medical Oncology (ESMO) in Kopenhagen vorgestellt worden sind [1].
Interessant und überraschend: Der Überlebensvorteil war unabhängig davon, ob die Patienten PD-L1 exprimierten oder nicht und er war in fast allen Subgruppen zu sehen. „Mit Atezolizumab steht eine neue Strategie in der Zweitlinienbehandlung von Patienten mit NSCLC zur Verfügung – und dies unabhängig von ihrem PD-L1-Status“, betonte Barlesi.
Auch nach Aussage von Diskutant Prof. Dr. Naiyer Rizvi, Direktor der Abteilung für Thoraxonkologie und Immuntherapie, Universitätsklinik der Columbia-Universität, New York (USA), ist „Atezolizumab eine geeignete Option für die Zweitlinientherapie bei unselektierten Patienten mit NSCLC“. Der gute Effekt von Atezolizumab bei Patienten, die nie geraucht hatten, sollte nach seiner Ansicht weiter untersucht werden.
Bestätigung der Phase-2-Ergebnisse
Der Checkpoint-Inhibitor Atezolizumab ist ein humanisierter PD-L1-Antikörper, der die Bindung von PD-L1 an PD-1 verhindert. Die Wechselwirkung von PD-1 mit PD-L2 wird durch Atezolizumab nicht verändert. Hierdurch soll die periphere Immunhomöostase erhalten bleiben. In der randomisierten Phase-2-Studie POPLAR hatte Atezolizumab im Vergleich zu Docetaxel bei vorbehandelten NSCLC-Patienten das mediane Gesamtüberleben von 9,7 auf 12,6 Monate verlängert (wie Medscape berichtete).
„Die OAK-Studie ist die erste Phase-3-Studie mit einem PD-L1-Antikörper“, erläuterte Barlesi. In die Studie waren 1.225 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC unabhängig vom PD-L1-Status eingeschlossen worden, die vorher mit 1 bis 2 Chemotherapien behandelt worden waren, wovon eine Platin enthalten musste. Die Patienten wurden stratifiziert nach PD-L1-Expression, Histologie und Zahl vorheriger Chemotherapien. Randomisiert wurden sie mit Atezolizumab (1.200 mg i.v. alle 3 Wochen) bis zur Krankheitsprogression oder dem Verlust des klinischen Nutzen oder mit Docetaxel (75 mg/m² alle 3 Wochen) bis zur Krankheitsprogression behandelt.
Die Studie hatte 2 primäre Endpunkte: das Gesamtüberleben in der ITT-Population und das Gesamtüberleben bei Patienten mit einer PD-L1-Expression von ≥ 1% in Tumorzellen (TC) oder tumorinfiltrierenden Immunzellen (IC). Sekundäre Endpunkte waren Gesamtansprechrate, progressionsfreies Überleben, Dauer des Ansprechens und Sicherheit.
Präspezifiziert war eine Analyse nach 850 Patienten, die Barlesi in Kopenhagen vorstellte. Je 425 Patienten hatten Atezolizumab oder Docetaxel erhalten. Das mediane Alter lag zwischen 63 und 64 Jahren. 74% litten an einem Nichtplattenepithelkarzinom und 26% an einem Plattenepithelkarzinom. 75% hatten zuvor eine, 25% zwei Therapien erhalten.
Klinisch bedeutsame Lebensverlängerung
„Die OAK-Studie erreichte ihren primären Endpunkt“, so Barlesi. Die Auswertung von 850 Patienten ergab, dass das mediane Gesamtüberleben in der Intention-to-Treat-Population von 9,6 Monaten unter Docetaxel auf 13,8 Monate unter Atezolizumab verlängert wurde (HR 0,73, 95%-KI 0,62-0,87, p = 0,003). „Dies bedeutet eine Überlebensverlängerung um vier Monate, was klinisch von Bedeutung ist“, sagte Barlesi. Die Überlebenskurven trennten sich sehr früh und blieben über die Beobachtungszeit getrennt. Das 1-Jahres-Überleben betrug 55% unter Atezolizumab und 41% unter Docetaxel, nach 18 Monaten lebten noch 40% im Atezolizumab- und 27% im Docetaxelarm.
Der zweite primäre Endpunkt, das OS in der PD-L1-Expressions-positiven Gruppe (55% der Patienten) war ebenfalls signifikant verlängert von 10,3 auf 15,7 Monate im Median (HR 0,74, 95 %-KI 0,58-0,93, p = 0,0102). Dies bedeutet eine ebenfalls klinisch bedeutsame Lebensverlängerung um mehr als 5 Monate durch die Behandlung mit dem PD-L1-Antikörper. Die Patienten mit der höchsten PD-L1-Expression (16%) profitierten von Atezolizumab am besten mit einer Lebensverlängerung von 8,9 auf 20,5 Monate (HR 0,41, 95 %-KI 0,27-0,64, p < 0,0001). Besonders bemerkenswert war, dass Atezolizumab die Überlebenszeit auch bei den 45% der Patienten ohne PD-L1-Expression signifikant von 8,9 auf 12,6 Monate verlängerte (HR 0,75, 95 %-KI 0,59-0,96, p = 0,0205).
Ein Effekt von Atezolizumab auf das Gesamtüberleben war in fast allen Subgruppen nachweisbar, z.B. bei Plattenepithel- und Nichtplattenepithelkarzinom sowie bei Nicht-Rauchern. Rizvi fand vor allem den Effekt bei denjengen, die nie geraucht hatten, bemerkenswert. Hier lag die HR bei 0,71. Er empfahl diesen Befund in weiteren Studien näher zu untersuchen. Patienten mit EGFR-Mutation profitierten allerdings nicht von Atezolizumab.
Die Atezolizumab-Patienten wurden im Median 3,4 Monate, die Docetaxel-Patienten 2,1 Monate behandelt. 20% der Patienten im Atezolizumab-Arm wurden länger als 1 Jahr therapiert, in der Docetaxelgruppe waren dies nur 2,4%. Trotz der längeren medianen Dauer der Atezolizumabtherapie im Vergleich zur Docetaxelbehandlung (3,4 versus 2,1 Monate) wurde die Immuntherapie gut vertragen. Bei 15% der Patienten unter Atezolizumab traten unerwünschte Wirkungen vom Grad 3/4 auf, unter Docetaxel war dies bei 43% der Fall. Ein Therapieabbruch (8 vs. 19%) und Dosismodifikationen oder Therapieunterbrechungen (25 vs. 36%) waren seltener erforderlich. Schwere immunologisch bedingte Nebenwirkungen traten bei weniger als 1% der Atezolizumab-Patienten auf.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Fortgeschrittener Lungenkrebs: PD-L1-Antikörper Atezolizumab lebensverlängernd – und zwar unabhängig vom PD-L1-Status - Medscape - 17. Okt 2016.
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