EMA empfiehlt dringend benötigte Therapieoption für schwere Lebererkrankung und weitere Medikamente zur Zulassung

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

14. Oktober 2016

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat 8 neue Arzneimittel zur Zulassung empfohlen. Darunter sind auch 4 Orphan-Arzneimittel wie das zur Behandlung der primär biliären Cholangitis (auch: primär biliäre Zirrhose) eingesetzte Ocaliva™ (Obeticholsäure).

Erste neue Therapie für primär biliäre Cholangitis seit 20 Jahren

Die primär biliäre Cholangitis tritt als chronische Lebererkrankung vor allem bei Frauen auf: Etwa eine von 1.000 Frauen über 40 Jahren entwickelt diese cholestatische Lebererkrankung. Sie ist der fünfthäufigste Grund für eine Lebertransplantation. Obeticholsäure soll in Kombination mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) zur Anwendung kommen, wenn Patienten auf die Monotherapie mit UDCA nicht ausreichend ansprechen. Bei Patienten, die UDCA nicht vertragen, kann Obeticholsäure auch alleine eingesetzt werden.

Seit 20 Jahren ist UDCA die einzige Therapieoption für die primär biliäre Cholangitis. Ziel der Therapie mit der Gallensäure ist es, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen und Laborwerte zu verbessern, indem die Zerstörung der kleinen intrahepatischen Gallenwege verhindert wird. Bis zur Hälfte der Patienten sprechen auf UDCA nicht an oder vertragen die Therapie nicht.

Eine Lebertransplantation kann die Überlebenschancen der Patienten signifikant verbessern, wird aber nur bei Patienten in Betracht gezogen, bei denen die Lebererkrankung schon weit fortgeschritten ist.

Schneller zum Patienten durch bedingte Marktzulassung

Um in solchen Fällen, in denen ein hoher Bedarf an (zusätzlichen) Therapieoptionen besteht, den Zugang der Patienten zu neuen Medikamenten zu beschleunigen, kann das CHMP eine bedingte Marktzulassung empfehlen. Dafür müssen die Daten aus klinischen Studien noch nicht vollständig sein und können vom Hersteller nachgeliefert werden, während das Mittel bereits auf dem Markt ist.

Einige Daten gibt es allerdings bereits zu Obeticholsäure: Sicherheit und Wirksamkeit wurden in einer Phase-3-Studie mit 216 Teilnehmern gezeigt. Nach 12 Monaten war der Anteil der Patienten, mit einer Reduktion der alkalischen Phosphatase – einem Indikator für die Krankheitsprogression – unter Obeticholsäure (47%) deutlich höher als in der Placebogruppe (10%). Die häufigsten Nebenwirkungen des Arzneimittels waren Pruritus und Müdigkeit.

Der Hersteller von Ocaliva™, Intercept Pharma Ltd., muss nun noch Daten aus 2 weiteren Studien einreichen. Bis dies geschehen ist, wird der CHMP Nutzen und Risiken des Medikamentes jährlich neu bewerten, um zu überprüfen, ob die Empfehlung zur bedingten Marktzulassung aufrechterhalten werden kann.

Obeticholsäure ist eine chemisch modifizierte Chenodesoxycholinsäure und ein Agonist des nukleären Farnesoid-X-Rezeptors. Dieser Rezeptor dient als physiologischer Sensor für Gallensäuren und spielt eine zentrale Rolle unter anderem bei der Synthese, der Konjugation und dem Transport der Gallensäuren. Seine Aktivierung führt zu einem verstärkten Abbau und zu einer verminderten Synthese von Gallensäuren.

Drei weitere Empfehlungen zur bedingten Marktzulassung

Eine Zulassungsempfehlung vom CHMP erhielten außerdem:

  • Venclyxto™ (Venetoclax) zur Behandlung von Erwachsenen mit chronisch lymphatischer Leukämie,

  • Cystadrops™ (Mercaptamin) zur Behandlung von Cystinkristallablagerungen in der Cornea von Patienten mit Cystinose,

  • SomaKit-TOC™ (Edotreotid) zur Diagnose von gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren.

Ebenso wie für Ocaliva™ empfiehlt der Ausschuss auch für diese 3 Orphan-Arzneimittel eine bedingte Marktzulassung.

Marktzulassungen und Indikationserweiterungen

Eine Empfehlung zur Marktzulassung, die nicht an weitere Bedingungen geknüpft ist, erhielt Rekovelle® (Follitropin delta), welches zur kontrollierten Stimulation des Ovars eingesetzt wird.

Weitere Zulassungsempfehlungen gab es für 3 generische HIV-Medikamente: Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil Mylan™ (Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil), Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil Krka™ (Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil) und Tenofovirdisoproxil Mylan™ (Tenofovirdisoproxil).

Indikationserweiterungen empfiehlt der Ausschuss für Lucentis™, Opdivo™, Trisenox™ und Zebinix™.

Überprüfung metforminhaltiger Arzneimittel

Der CHMP hat seine Überprüfung von metforminhaltigen Arzneimitteln hinsichtlich ihres Einsatzes bei eingeschränkter Nierenfunktion abgeschlossen und kommt zu dem Schluss, dass diese bei Patienten mit moderat reduzierter Nierenfunktion (GFR 30–59 ml/min/1,73m2) zur Behandlung des Typ-2-Diabetes eingesetzt werden können. Die bislang geltende Kontraindikation wird aus der Produktinformation gestrichen.

Neue Sicherheitsmaßnahmen für Antiepileptikum

Verschiedene Sicherheitsmaßnahmen sollen künftig dafür sorgen, dass zur Abmessung der oralen Keppra™ (Levetiracetam)-Lösung die richtige Spritze verwendet wird und so Medikationsfehler vermieden werden. In mehreren Fällen war es besonders bei Kindern zu Überdosierungen gekommen, weil für die Abmessung die falsche Spritze benutzt worden war. Künftig sollen verschiedene Farben von Verpackungen und Etiketten klar zeigen, für welche Altersklassen die jeweilige Spritze und Flasche geeignet ist.

Zurückgezogene Zulassungsanträge

Der Ausschuss berichtet, dass die Hersteller von Ertapenem Hospira™ (Ertapenem), Pemetrexed (als Ditromethamin) Hospira™ (Pemetrexed) und Zemfira™ (Cediranib) die Zulassungsanträge für ihre Arzneimittel zurückgezogen haben.

Personalie

Der Ausschuss hat den deutschen Mediziner PD Dr. Harald Enzmann zum stellevertretenden Vorsitzenden gewählt. Enzmann, der seit 2005 Mitglied des CHMP ist, leitet derzeit am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Abteilung für europäische und internationale Angelegenheiten.

 

REFERENZEN:

1. Meeting highlights from the Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), 10. bis 13. Oktober 2016

 

Kommentar

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