Katarakt-Chirurgie: Kunstlinsen werden tri- und sogar quadrofokal – scharfes Sehen auch in der Mitteldistanz

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

12. Oktober 2016

Berlin – Kataraktchirurgie, das heißt in aller Regel: Ersatz der getrübten Augenlinse durch eine künstliche Intraokularlinse (IOL). Alternativ zum Standard einer monofokalen Variante, die nur auf einem Brennpunkt  – in der Ferne oder in der Nähe – scharf abbildet, können multifokale IOL alterssichtigen Patienten eine Brille ersparen.

Prof. Dr. Thomas Kohnen

Über jüngste Erfahrungen speziell mit trifokalen Linsen berichtete Prof. Dr. Thomas Kohnen vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), auf einer Pressekonferenz anlässlich des 114. DOG-Kongresses in Berlin [1].

Brennpunkte bei 40 cm, 80 cm und im Endlos-Bereich

„Während bifokale Intraokularlinsen sowohl die Ferne als auch die Nähe bis circa 40 cm scharf abbilden, tun dies trifokale IOL in einem dritten Bereich, der bei etwa 80 cm dazwischen liegt“, erläuterte Kohnen. Interessant könne dies etwa für Menschen sein, die viel am Computer arbeiten und ansonsten eine Bildschirmbrille benötigen, um in dieser Ebene scharf zu sehen. Untersuchungen an der Frankfurter Universitäts-Augenklinik hätten gezeigt, dass die Patienten die Trifokalität bewusst kaum wahrnehmen.

In einer unlängst im American Journal of Ophthalmology publizierten Studie waren 27 Patienten der Frankfurter Klinik 1 und 3 Monate nach erfolgter beidseitiger Implantation von trifokalen IOL untersucht und befragt worden. Dabei zeigte die Visus-Prüfung (mit Erstellung sogenannter Defocus-Kurven), dass die Patienten in allen 3 Entfernungsbereichen (fern, nah und Zwischenbereich) ähnlich scharf sehen konnten. 92% der Patienten gaben an, dass sie sich trotz einiger unerwünschter optischer Phänomene wieder für eine solche IOL entscheiden würden.

Möglicherweise reduzierte Kontrastsensitivität

 
Während bifokale Intraokularlinsen sowohl die Ferne als auch die Nähe … scharf abbilden, tun dies trifokale IOL in einem dritten Bereich, der bei etwa 80 cm liegt. Prof. Dr. Thomas Kohnen
 

„Eventuelle optische Nebenwirkungen entstehen dadurch, dass mit der trifokalen IOL gleichzeitig mehrere Bilder auf der Retina abgebildet werden“, erklärte Kohnen. Mögliche unerwünschte Effekte sind Einschränkungen des Dämmerungs- und Nachtsehens durch reduzierte Kontrastsensitivität sowie Halos (Lichthöfe) und Glare (Glanzeffekte).

Bei den Linsen der neuesten Generation würden solche Effekte, so der Frankfurter Ophthalmologe, jedoch nur noch in sehr geringem Umfang empfunden. „Dass eine trifokale IOL gar nicht vertragen wird, kommt äußerst selten vor.“

Neueste Entwicklung ist die quadrofokale IOL

Zur neuesten Generation gehört mittlerweile bereits eine quadrofokale IOL-Variante, die jedoch funktionell wie eine trifokale wirkt. Der bei 120 cm geschaffene 4. Brennpunkt entspricht hier nicht einem neuen Schärfebereich, sondern dient dazu, das Licht für diesen Brennpunkt durch Beugung auf andere Bereiche der Kunstlinse und Netzhaut zu lenken. Dies soll die Sehqualität weiter verbessern. Der Intermediärpunkt liegt bei 60 cm und damit nicht wie bei den anderen trifokalen Linsen bei 80 cm.

 
Eventuelle optische Nebenwirkungen entstehen dadurch, dass mit der trifokalen IOL gleichzeitig mehrere Bilder auf der Retina abgebildet werden. Prof. Dr. Thomas Kohnen
 

Prinzipiell müssen für die Implantation einer multifokalen Linse bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: „Wichtigstes Kriterium ist, dass der Patient – abgesehen von seiner Katarakt – grundsätzlich ein gesundes Auge hat, was durch entsprechende Voruntersuchungen zu prüfen ist“, erläuterte Kohnen im Gespräch mit Medscape. Kontraindikationen sind demnach Hornhaut- oder Netzhauterkrankungen (etwa eine Hornhautdystrophie oder eine Makuladegeneration) genauso wie ein ausgeprägtes Glaukom.

Umfangreiche Voruntersuchungen nötig

Den Aufwand für die Auswahl einer für den jeweiligen Patienten geeigneten multifokalen Linse bezeichnete Kohnen als deutlich höher als bei monofokalen IOL: „Neben einem ausführlichen Arzt-Patienten-Gespräch sind dafür umfangreiche apparative präoperative diagnostische Maßnahmen mit Evaluierung der Sehanforderungen und Sehgewohnheiten des Patienten notwendig.“

Abgesehen von den Brennpunkt-Bereichen können sich solche Sonderlinsen im Vergleich zum monofokalen Standard auch noch durch andere Eigenschaften unterscheiden: So gleichen torische Sonderlinsen einen Astigmatismus aus, und asphärische IOLs korrigieren den Abbildungsfehler durch eine sphärische Aberration. Letztere verursacht bei Patienten nach Katarakt-Operation manchmal leichte Irritationen im Kontrast- oder Nachtsehen.

 
Wichtigstes Kriterium ist, dass der Patient – abgesehen von seiner Katarakt – grundsätzlich ein gesundes Auge hat. Prof. Dr. Thomas Kohnen
 

Weiterhin gibt es Blaufilterlinsen zur Reduktion des kurzwelligen Lichtanteils, der im Verdacht steht, Netzhautschäden ähnlich wie bei der altersbedingten Makuladegeneration zu verursachen. „Dabei lassen sich verschiedene Linsen-Eigenschaften in einer einzigen Sonderlinse kombinieren, um die für den Patienten und seine individuellen Bedürfnisse optimale IOL zu finden“, so Kohnen.

Meistens wird ein monofokales Modell eingesetzt

Trotz der möglichen Vorteile von Multifokal-Kunstlinsen entscheiden sich die meisten Patienten im Falle einer Katarakt-Operation nach wie vor für den Einsatz einer monofokalen IOL und setzen danach je nach Situation eine Brille auf. Den Anteil der Sonderlinsen an allen in Deutschland implantierten Kunstlinsen schätzt Kohnen auf insgesamt 5 bis 10%, den der trifokalen auf bis zu 3% – „mit steigender Tendenz“.

Sonderlinsen haben natürlich auch ihren Preis. Je nach Ausprägung der Fehlsichtigkeit, der Hornhautbeschaffenheit und der Art der Linsen kann die beidseitige Implantation trifokaler IOL den Patienten 5.000 Euro oder auch mehr kosten. Die gesetzliche Krankenversicherung zahlt nur die Grundkosten einer Standard-Kataraktoperation mit dem Einsatz von monofokalen Linsen.

 

REFERENZEN:

1. Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 114. Kongresses der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), 22. September 2016, Berlin

 

Kommentar

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