Kopenhagen – Hochrisiko-Patienten mit malignem Melanom im Stadium III leben länger, bleiben länger rezidivfrei und ohne Fernmetastasen, wenn sie eine adjuvante Therapie mit dem CTLA-4-Hemmer Ipilimumab (10 mg/kg KG) erhalten haben. Beim Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) in Kopenhagen stellte Prof. Dr. Alexander M. M. Eggermont, Generaldirektor des Institutes Gustave Roussy, Villejuif, Frankreich, diese aktualisierten Ergebnisse der EORTC-18071-Studie vor [1]. Parallel dazu sind sie im New England Journal of Medicine publiziert worden [2].
„Derzeit stellt adjuvantes Ipilimumab eine wichtige Therapieoption für Hochrisiko-Patienten mit Melanom im Stadium III dar“, so seine Schlussfolgerung. Erstmals hätte damit mit einer adjuvanten Therapie bei dieser Patientengruppe ein Überlebensvorteil gezeigt werden können. Das Rezidivrisiko war nach einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 5 Jahren um 24%, das Sterberisiko um 28% verringert. Aber Eggermont warnte auch: „Ipilimumab ist kein einfach zu handhabendes Arzneimittel. Meine Empfehlung ist, die Patienten damit nur in spezialisierten Zentren zu behandeln.“
Nach Ansicht von Studien-Diskutant Prof. Dr. Olivier Michielin, Melanomklinik, Universitätsklinik Lausanne, Schweiz, hat diese Studie einen „neuen historischen Meilenstein bei unserer Suche nach der optimalen Behandlung des Melanoms gesetzt“. Die Studienergebnisse zeigten zum einen, dass der Überlebensvorteil mit der CTLA-4-Blockade im Stadium IV der Erkrankung sich auch auf das adjuvante Setting übertragen lasse, zum anderen „ist dies der erstmalige Nachweis, dass auch im adjuvanten Setting eine T-Zell-Response erhalten werden kann, was darauf hinweist, dass eine residuelle Erkrankung ausreicht, um spezifische Prozesse anzustoßen.“
Auch Michielin wies darauf hin, dass bei der Entscheidung für eine solche Therapie deren Toxizität zu berücksichtigen sei und die Patienten nur in Zentren mit entsprechender Erfahrung behandelt werden sollten.
Adjuvantes Ipilimumab bei Stadium-III-Melanom
Die steigende Inzidenz an Melanomen bedingt, dass bei immer mehr Patienten die Lymphknoten befallen sind (Stadium-III-Melanom). Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Lymphknotenbefall systemische Metastasen auftreten, ist eng mit mikroskopisch nachweisbarem bzw. tastbarem Lymphknotenbefall sowie mit der Zahl der positiven Lymphknoten assoziiert. Das Fünf-Jahres-Überleben liegt im Stadium IIIA bei 78%, im Stadium IIIB bei 59% und im Stadium IIIC bei 40%. Eine adjuvante Therapie mit Interferon hatte hier nur wenig Wirkung.
Die European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) untersuchte deshalb in einer Phase-3-Studie (EORTC 18071) Wirksamkeit und Verträglichkeit des CTLA-4-Hemmers Ipilimumab in der adjuvanten Therapie von Hochrisikopatienten mit malignem Melanom im Stadium III, die sich einer kompletten regionalen Lymphknotendissektion unterzogen hatten. In 19 Ländern waren in 99 Zentren zwischen Juli 2008 und August 2011 951 Patienten aufgenommen worden. Randomisiert und doppelblind erhielten 475 Patienten Ipilimumab initial 10 mg/kg KG viermal alle 3 Wochen, dann alle 12 Wochen; 476 Patienten bekamen Placebo.
Die Behandlung wurde bis zur Progression oder bis zur intolerablen Toxizität fortgesetzt, dauerte maximal jedoch 3 Jahre. Allerdings wurden nur 13,4% der Patienten in der Ipilimumab-Gruppe auch tatsächlich über 3 Jahre behandelt. 49,7% brachen die Studie vorzeitig wegen unerwünschter Wirkungen von Ipilimumab ab. Im Median erhielten die Patienten 4 Dosen des CTLA-4-Hemmers und 8 Dosen Placebo.
Primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS). Eggermont und seine Kollegen haben die Daten hierzu im Mai 2015 in Lancet Oncology publiziert: Im Median lebten die Patienten der Ipilimumab-Gruppe 26,1 Monate, die der Placebo-Gruppe 17,1 Monate ohne erneutes Rezidiv (p = 0,0013). Der sekundäre Endpunkt Gesamtüberleben war damals – die Auswertung umfasste 2,7 Jahre – noch nicht erreicht. Diese Ergebnisse führten im Oktober 2015 zur FDA-Zulassung von Ipilimumab in einer Dosierung von 10 mg/kg KG für die adjuvante Therapie des Melanoms. In der EU ist Ipilimumab für diese Indikation nicht zugelassen.
Überleben nach fünf Jahren Follow-up
Eggermont stellte nun beim ESMO-Kongress die aktualisierten Ergebnisse der EORTC-Studie nach einer Nachbeobachtungszeit von 5,3 Jahren vor. Das RFS blieb in der Ipilimumab-Gruppe auch nach 5 Jahren mit 27,6 Monaten signifikant länger als mit 17,1 Monaten in der Placebo-Gruppe (Hazard-Ratio 0,76, 95 %-Konfidenzintervall 0,64-0,89, p < 0,001). Nach 5 Jahren lebten in der Ipilimumabgruppe noch 41% der Patienten ohne Rezidiv, in der Placebogruppe 30%, ein Unterschied von 11 Prozentpunkten.
Auch der sekundäre Endpunkt Gesamtüberleben war in der Ipilimumab-Gruppe signifikant besser mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von 65,4 versus 54,4%, ebenfalls ein Unterschied von 11 Prozentpunkten.
Ipilimumab senkte das relative Risiko zu sterben im Vergleich zu Placebo um 28% (HR = 0,72, 95%-KI 0,58-0,88, p = 0,001). Das relative Risiko für Fernmetastasen sank durch die Ipilimumab-Behandlung um 24% (HR = 0,76, 95%-KI 0,64-0,92, p = 0,002).
Hoher Preis durch hohe Toxizität
„Dieser Effekt hat jedoch seinen Preis“, betonte Eggermont, denn die unerwünschten Wirkungen der Ipilimumab-Therapie sind erheblich. Im Vergleich zur ersten Vorstellung der Ergebnisse im Jahr 2015 waren zwar keine neuen unerwünschten Wirkungen aufgetreten, aber fast alle Patienten unter Ipilimumab berichteten über irgendeine Nebenwirkung. Bei mehr als der Hälfte (54,1%) kam es zu Nebenwirkungen vom Grad 3 oder 4, während dies in der Placebo-Gruppe in 26,2% der Fall war.
Eggermont wies auf die besonders belastenden immunbezogenen unerwünschten Wirkungen hin, die sich vor allem an der Haut, im Gastrointestinaltrakt, im endokrinen System, an der Leber und am Nervensystem zeigten. Immunbedingte Reaktionen vom Grad 3/4 waren mit 16,1% am Gastrointestinaltrakt am häufigsten, gefolgt von der Leber mit 10,8% und dem endokrinen System mit 7,9%. Als besonders problematisch bezeichnete er Kolitiden mit dem Risiko von Perforationen sowie Hypophysitiden, die eventuell eine lebenslange Hormonersatztherapie erforderlich machen.
5 Patienten starben aufgrund von Ipilimumab-bedingten Nebenwirkungen: 3 Patienten an einer Colitis, ein Patient an Myokarditis und ein Patient an Multiorganversagen, das mit einem Guillain-Barré-Syndrom assoziiert war.
REFERENZEN:
2. Eggermont AMM, et al: NEJM (online) 8. Oktober 2016
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Hochrisiko-Melanom im Stadium III: Die adjuvante Therapie mit Ipilimumab verlängert die Überlebenszeit - Medscape - 11. Okt 2016.
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