Rezidiviertes Ovarialkarzinom: Niraparib verlängert progressionsfreies Überleben

Dr. Susanne Heinzl

Interessenkonflikte

10. Oktober 2016

Kopenhagen – Bei Behandlung mit dem PARP-Inhibitor Niraparib leben Frauen mit platinsensitivem rezidiviertem Ovarialkarzinom im Vergleich zu Placebo signifikant länger ohne erneute Progression der Erkrankung. Dies zeigen Ergebnisse der Phase-3-Studie ENGOT-OV16/NOVA. Sie wurden erstmals beim Kongress der European Socieaty for Medical Oncology (ESMO) von Dr. Mansoor Raza Mirza, Leitender Onkologe an der Universitätsklinik von Kopenhagen, Dänemark, vorgestellten und parallel online im New England Journal of Medicine publiziert [1;2].

Dr. Mansoor Raza Mirza

„Das ist ein Durchbruch für Patientinnen mit Ovarialkarzinom“, sagte Mirza. „Wir haben noch nie zuvor einen solchen Effekt auf das progressionsfreie Überleben bei rezidiviertem Ovarialkarzinom gesehen. Niraparib verbesserte alle Endpunkt bei einem Patientenspektrum, das etwa 70 Prozent aller Patientinnen mit Ovarialkarzinom ausmacht. Diese Ergebnisse könnten die Therapie dieser Erkrankung ändern.“ Sobald Niraparib zugelassen sei, werde er für alle seine Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom, die auf eine platinhaltige Therapie ansprechen, unabhängig vom BRCA-Status eine Behandlung mit Niraparib in Erwägung ziehen.

Für Diskutant Dr. Sandro Pignata, Instituto Nazionale Tumori, IRCCS Fondazione Pascale, Neapel, Italien, war das Ansprechen der Patientinnen ohne BRCA-Mutation von besonders großer Bedeutung: „Dies ist eine außergewöhnliches Ergebnis, das eine Änderung der klinischen Praxis bedeutet und dass die Tür für die PARP-Hemmung zu den Patienten ohne BRCA-Mutation öffnet.“

Hoher Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten

 
Das ist ein Durchbruch für Patientinnen mit Ovarialkarzinom. Dr. Mansoor Raza Mirza
 

Das Ovarialkarzinom verursacht unter den gynäkologischen Tumoren die meisten Todesfälle. Trotz guten initialen Ansprechens eines fortgeschrittenen Tumors auf eine platin- oder taxanhaltige Therapie kommt es bei den meisten Patientinnen zum Rezidiv. Platinsensitive Tumoren können erneut mit Platin behandelt werden, die Wirksamkeit nimmt jedoch im Lauf der Zeit ab und die Toxizität steigt. „Letztendlich sterben alle Frauen“, so Mirza. Derzeit gäbe es große Anstrengungen, Therapieansätze zu finden, mit denen die Zeit zwischen den Behandlungen verlängert werden können und die weniger toxisch seien als Platin.

Die Wirksamkeit von Inhibitoren des Enzyms Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) bei Frauen mit Ovarialkarzinom ist schon länger bekannt. So hat die EU-Kommission vor einem Jahr den PARP-Hemmer Olaparib für die Erhaltungstherapie bei Frauen mit platinsensitiven Rezidiv eines „high grade“ serösen epithelialen Ovarial-, Eileiter- oder primären Peritonealkarzinoms mit BRCA-Mutation in der Keimbahn und/oder somatisch zugelassen, die auf eine Platin-basierte Chemotherapie vollständig oder partiell angesprochen haben. Niraparib ist ein weiterer hoch selektiver Inhibitor des PARP, das Schäden in der DNA entdecken und reparieren kann.

Niraparib wirkt bei einem breiten Patientenspektrum

In der randomisierten, placebokontrollierten Studie ENGOT-OV16/NOVA untersuchten nun Mirza und seine Kollegen Wirksamkeit und Verträglichkeit von Niraparib als Erhaltungstherapie bei einer breiten Population von Frauen mit platinsensitivem rezidiviertem Ovarialkarzinom. In die Studie wurden 553 Frauen aufgenommen und nach der BRCA-Mutation in der Keimbahn in 2 Kohorten aufgeteilt. 203 Frauen wiesen eine BRCA-Keimbahn-Mutation auf, bei 350 Frauen war keine nachzuweisen. Nicht-BRCA-mutierte Frauen wurden zudem auf einen homologen Rekombinations-Reparaturdefekt (HRD) untersucht, der mit einer ungenügenden DNA-Reparatur assoziiert ist. Jede der beiden Kohorten wurde 2:1 randomisiert mit Niraparib (300 mg/Tag) oder Placebo bis zur Progression der Erkrankung behandelt.

Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS). Dieser wurde erreicht, Niraparib verlängerte im Vergleich zu Placebo das mediane PFS:

  • bei den Patienten mit BRCA-Mutation in der Keimbahn von 5,5 auf 21,0 Monate (Hazard-Ratio: 0,27; 95%-Konfidenzintervall:: 0,173–0,410; p < 0,0001),

  • bei den Patienten ohne BRCA-Mutation von 3,0 auf 9,3 Monate (HR: 0,45; 95%-KI: 0,338–0,607, p < 0,0001),

  • bei der Subgruppe von Patienten ohne BRCA-Mutation mit HRD von 3,8 auf 12,9 Monate (HR: 0,38; 95%-KI: 0,243–0,586, p < 0,0001).

Damit wurde das relative Risiko der Krankheitsprogression durch die Behandlung mit Niraparib um 73%, 55% bzw. 62% verringert. Eine exploratorische Analyse zeigte, dass auch HRD-negative Tumoren auf Niraparib ansprachen. Das PFS verlängerte sich von 3,8 auf 6,9 Monate (HR: 0,58, 95%-KI: 0,361–0,922; p = 0,2269. Die Wirkung von Niraparib war in allen Subgruppen nachweisbar. „Diese Substanz wirkt bei einem breiten Spektrum von Frauen mit Ovarialkarzinom. Ein Fünftel der Patienten wird immer noch aktiv behandelt“, berichtete Mirza.

 
Wir haben noch nie zuvor einen solchen Effekt auf das progressionsfreie Überleben bei rezidiviertem Ovarialkarzinom gesehen. Dr. Mansoor Raza Mirza
 

Sekundäre Endpunkte wie das Chemotherapie-freie Intervall oder die Zeit bis zur nächsten Therapie wurden bei Behandlung mit Niraparib im Vergleich zu Placebo ebenfalls jeweils signifikant verlängert. Daten zum Gesamtüberleben sind derzeit noch nicht reif, aber aufgrund des „enormen Nutzens“ geht Mirza davon aus, dass die Behandlung mit Niraparib auch das Gesamtüberleben der Frauen verbessern kann.

Pignata wies in seinem Diskussionsbeitrag nochmals darauf hin, dass ein hoher Anteil der Patienten sehr lange behandelt werden konnte. Bei diesen „exceptional responders“ sei der Krankheitsverlauf verändert worden. Allerdings könne man bislang nicht von vornherein erkennen, welche Patienten ein solch gutes Ansprechen zeigten.

Hämatologische Nebenwirkungen durch Dosisreduktion behandelbar

 
Dies ist eine außergewöhnliches Ergebnis, das eine Änderung der klinischen Praxis bedeutet. Dr. Sandro Pignata
 

Häufigste unerwünschte Wirkungen waren hämatologischer Art, die bei mehr als 10% der Patienten vom Grad 3/4 waren. 33,8% litten unter einer Thrombocytopenie, 25,3% unter einer Anämie und 19,6% wiesen eine Neutropenie auf. Die hämatologischen Nebenwirkungen traten vorwiegend in den ersten 3 Behandlungsmonaten auf und konnten durch Dosisanpassung gemanagt werden. Häufigste nichthämatologische Nebenwirkungen waren Hypertonie (8,2%) Fatigue (8,2%) und Übelkeit (3%).

Die Lebensqualität der mit Niraparib behandelten Patienten war nicht schlechter als die der Placebopatienten.Von den mit Niraparib behandelten Patienten brachen 14,7% die Therapie wegen unerwünschten Wirkungen ab, unter Placebo waren es 2,2%.

 

REFERENZEN:

1. Kongress der European Socieaty for Medical Oncology (ESMO) 2016, 7. bis 11. Oktober 2016, Kopenhagen/Dänemark

2. Mirza MR, et al: NEJM (online) 8. Oktober 2016

 

Kommentar

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