Fortgeschrittener hormonsensibler Brustkrebs: „Diese Studie wird die klinische Praxis verändern“

Sonja Böhm

Interessenkonflikte

10. Oktober 2016

Kopenhagen – „Diese Studie wird die klinische Praxis beim Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Brustkrebs in der Postmenopause verändern“, zeigte sich Studienleiter Prof. Dr. Gabriel Hortobagyi bei der Präsentation der MONALEESA2-Studie auf dem Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) in Kopenhagen überzeugt [1]. In der randomisierten Doppelblindstudie, die zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden ist, hat der orale CDK4/6-Inhibitor Ribociclib – additiv zu Letrozol gegeben – das progressionsfreie Überleben der Frauen „statistisch signifikant und klinisch bedeutsam“ um 44% verlängert [2].

Prof. Dr. Gabriel Hortobagyi

Auch für die FDA eine „Breakthrough“-Therapie

Schon im Mai hatte das unabhängige Data Monitoring Komitee den vorzeitigen Stopp der Studie empfohlen, da sie ihr primäres Ziel, das progressionsfreie Überleben mit Ribociclib signifikant zu verlängern, erreicht habe. Die US-Zulassungsbehörde FDA hat Rifociclib bereits im August als „Durchbruch in der Behandlung“ (Breakthrough Therapy) klassifiziert und damit den Weg für eine rasche Zulassung des Wirkstoffes frei gemacht. Das Unternehmen Novartis kündigt in einer Pressemitteilung zur Studienpräsentation an, dass die Ergebnisse die Basis für weltweite Zulassungsanträge des Wirkstoffes sein werden.

Wie Hortobagyi, Onkologe vom University of Texas MD Anderson Cancer Center in Houston, erläuterte, blockiert Ribociclib die Cyclin-abhängige Kinase (Cyclin Dependent Kinase = CDK) 4/6. Die Aktivität dieses Enzyms wird durch genetische Veränderungen beim Mammakarzinom erhöht – und diese erhöhte Aktivität ist mit der Entwicklung einer Therapieresistenz gegen die endokrine Therapie assoziiert. Diese Therapieresistenz und die darauf folgende Progression der Erkrankung bei den meisten der Patientinnen sei eines der größten Probleme in der Behandlung von Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom. Die MONALEESA2-Studie sollte prüfen, ob die CDK 4/6-Inhibition mit Ribociclib die Entwicklung einer Therapieresistenz gegen die endokrine Behandlung verzögern oder verhindern kann. Die Studie fand in 29 Ländern in 223 Prüfzentren statt – unter anderem auch in Deutschland.

Vorgestellt wurden nun beim europäischen Krebskongress die detaillierten Ergebnisse der ersten geplanten Interimsanalyse. In MONALEESA2 hatten 668 Frauen in der Postmenopause mit fortgeschrittenem Hormonrezeptor-positivem und HER2-negativem Brustkrebs als Firstline-Therapie Letrozol (2,5 mg/Tag) und zusätzlich randomisiert und doppelblind entweder Placebo oder Ribociclib (600 mg/Tag für 3 Wochen mit anschließender 1-wöchiger Pause) erhalten. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS).

 
Diese Studie wird die klinische Praxis beim Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Brustkrebs in der Postmenopause verändern. Prof. Dr. Gabriel Hortobagyi
 

Die Analyse erfolgte Ende Januar 2016, nachdem insgesamt 243 Patientinnen entweder eine Progression der Krebserkrankung aufwiesen oder gestorben waren. Im Median betrug zu diesem Zeitpunkt das Follow-up 15,3 Monate.

Progressionsfreie Zeit signifikant verlängert

Die Ergebnisse: Zum Zeitpunkt der Interimsanalyse waren unter Ribociclib 93 Patientinnen progredient oder gestorben, unter Placebo waren es 150. Während die mediane progressionsfreie Zeit unter Placebo 14,7 Monate (95% Konfidenzintervall KI 13,0-16,5) betrug, war der Median unter Ribociclib zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht (95% KI 19,3-….).

Nach 12 Monaten hatten in der Ribociclib-Gruppe 72,8% (95% KI 67,3-77,6) und in der Placebo-Gruppe 60,9% der Patientinnen progressionsfrei überlebt (95% KI 55,1-66,2). Nach 18 Monaten betrugen die entsprechenden Raten 63,0% unter Ribociclib und 42,2% unter Placebo.  

Dabei profitierten alle präspezifizierten Subgruppen – z.B. unabhängig von der Lokalisation der Metastasen oder ob eine (neo)adjuvante Therapie voraus gegangen war – von der Zugabe des CDK 4/6-Inhibitors, berichtete Hortobagyi. Die „objektive Response-Rate“ (komplette oder partielle Response) sei bei Patientinnen mit messbarer Erkrankung (nach RECIST Kriterien) bei Studieneinschluss besonders hoch gewesen, so der Onkologe. Sie betrug 53 versus 37% (p=0,00028). Das Gleiche galt für die „klinische Benefitrate”, definiert als Gesamt-Response plus stabile Erkrankung für mindestens 24 Wochen, mit 80 versus 72% (p = 0,02).

Toxizität zwar erhöht – doch insgesamt bleibt Nutzen/Risiko positiv

„Dies ist DIE definitive Studie, die die Überlegenheit der Kombination von Ribociclib und Letrozol im Vergleich zu Letrozol allein belegt“, wird Hortobagyi in einer ESMO-Pressemitteilung zitiert. „Die Ergebnisse liefern einen überzeugenden ‚proof of principle‘ und kündigen einen Paradigmenwechsel in der Therapie des metastasierten Hormonrezeptor-positiven Brustkrebses an.“ Über den Effekt der Behandlung auf die Gesamtmortalität lässt sich anhand der Daten nichts sagen – dazu war laut Hortobagyi die Zahl der Todesfälle in der Studie zu gering.

 
Die Ergebnisse … kündigen einen Paradigmenwechsel in der Therapie des metastasierten Hormonrezeptor-positiven Brustkrebses an. Prof. Dr. Gabriel Hortobagyi
 

Die zusätzliche Behandlung sei von den Patientinnen im Allgemeinen gut vertragen worden, berichtete der Onkologe. Ernste Nebenwirkungen seien bei „weniger als fünf Prozent“ der mit Ribociclib Behandelten aufgetreten. Allerdings gab es 2 Todesfälle unter Ribociclib, die mit der Behandlung assoziiert sein könnten: In einem Fall blieb die Ursache unklar, im anderen Fall handelte es sich um einen plötzlichen Herztod mit Hypokaliämie und einer QT-Zeitverlängerung.

Häufige Begleiterscheinungen der Therapie mit dem CDK4/6-Inhibitor waren hämatologische Veränderungen. Nebenwirkungen Grad 3 und 4 waren vor allem Neutropenien (59 vs 1%), Leukopenien (21 vs 1%) und Lymphopenien (7 vs 1%). Allerdings habe es sich in den meisten Fällen um „milde“ Ausprägungen gehandelt, sagte Hortobagyi, die nur sehr selten zum Therapieabbruch führten. Eine febrile Neuropenie kam bei 5 Patientinnen unter Ribociclib vor und bei keiner unter Placebo. Häufiger waren unter Ribociclib auch erhöhte Leberenzym-Werte (Alanin- und Aspartat-Aminotransferase), Diarrhoe, Nausea, Erbrechen und Alopezie.

„Der Zusatz von Ribociclib zu Letrozol erhöht zwar die Toxizitätsrate, aber insgesamt – wenn wir das Ausmaß des klinischen Nutzens betrachten – bleibt definitiv ein Benefit, wenn wir zusätzlich Ribociclib geben“, kommentiert der italienische Onkologe Prof. Dr. Giuseppe Curigliano die Ergebnisse gegenüber der ESMO. Der Direktor der Abteilung „New Drugs and Early Drug Development for Innovative Therapies“ am Europäischen Institut für Onkologie in Mailand wünscht sich weitere Studien, in denen nach Biomarkern gefahndet wird, um besser diejenigen Patientinnen herauszufiltern, die von der Kombination Letrozol/Ribociclib profitieren.

 
Die CDK4/6-Inhibition ist ein ‚Game-Changer‘ – dafür haben wir aus den verschiedenen Studien nun ausreichend Evidenz. Prof. Dr. Stephen Johnston
 

Auch andere CDK4/6-Inhibitoren in Entwicklung

Ribociclib ist nicht der einzige CDK-4/6-Inhibitor. Schon im Februar hat Palbociclib (Ibrance®) des Unternehmens Pfizer die FDA-Zulassung zur Behandlung beim Hormonrezeptor-positiven HER2-negativen fortgeschrittenen Brustkrebs erhalten. Diese Zulassung basiert auf randomisierten Phase-3-Studien, in denen Palbociclib mit Letrozol (PALOMA-2) oder einer Injektionstherapie mit Fulvestrant (PALOMA-3) kombiniert worden war. Auch hier war – wie Medscape bereits berichtet hat – durch die Kombination das progressionsfreie Überleben in etwa verdoppelt worden.

Als weiterer Wirkstoff, der CDK4/6 inhibiert, ist Abemaciclib (Lilly) in Entwicklung – und wird in der derzeit laufenden Phase-3-Studie MONARCH-2 ebenfalls bei Frauen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem fortgeschrittenem Brustkrebs geprüft (kombiniert mit Fulvestrant).

Als Diskutant der Studie erinnerte Prof. Dr. Stephen R. D. Johnston, Onkologe am Royal Marsden NHS Foundation Trust in London, an die Daten mit den verschiedenen CDK4/6-Inhibitoren. Auch für ihn ist eine der Hauptfragen, die es nun zu beantworten gilt, welche Patienten von einer gezielten Kombinationstherapie als Firstline profitieren. Ist sie eine Option für alle Patienten? Gibt es welche, für die zunächst die endokrine Therapie allein ausreichend ist? Und wenn ja, wie lassen sich diese identifizieren?

All diese Fragen gelte es nun zu klären, sagte er. Aber auch er zeigte sich überzeugt: „Die CDK4/6-Inhibition ist ein ‚Game-Changer‘ – dafür haben wir aus den verschiedenen Studien nun ausreichend Evidenz. Diese Therapien werden einen großen Einfluss auf die Praxis haben.“    

 

REFERENZEN:

1. Kongress der European Society for Medical Oncology (ESMO), 7. bis 11. Oktober 2016, Kopenhagen/Dänemark

2. Hortobagyi GN, et al: NEJM (online) 8. Oktober 2016

 

Kommentar

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