Cochrane-Analyse: Vitamin D senkt Zahl schwerer Asthmaanfälle – doch Supplementierung noch nicht empfohlen

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

6. Oktober 2016

London – Eine orale Gabe von Vitamin D kann, wenn sie zusätzlich zur Standardmedikation verabreicht wird, die Anzahl schwerer Asthmaattacken reduzieren. Das legt ein Review der Cochrane Collaboration nahe, den Wissenschaftler um Prof. Dr. Adrian R. Martineau vom Asthma UK Centre for Applied Research der Queen Mary University of London in der Cochrane Library veröffentlicht haben [1]. Zudem stellten die Forscher ihre Ergebnisse auf dem Kongress der European Respiratory Society vor [2].

Prof. Dr. Marek Lommatzsch

„Dass Vitamin D bei Asthma einen positiven Effekt haben könnte, wird unter Lungen- und Hausärzten auch hierzulande schon länger diskutiert“, sagt Prof. Dr. Marek Lommatzsch von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) im Gespräch mit Medscape.

Allerdings sei die Studienlage nicht eindeutig genug, um eine Vitamingabe generell zu empfehlen. „Daran ändert meiner Ansicht nach auch der Cochrane Review nichts, in den auch Studien mit geringer Qualität eingeflossen sind“, betont der Oberarzt der Abteilung für Pneumologie am Zentrum für Innere Medizin der Universität Rostock. Zudem habe eine der wenigen großen Untersuchungen zu dem Thema – die 2014 im JAMA veröffentlichte VIDA-Studie – keinen Effekt von Vitamin D bei Asthma nachweisen können.

Positive Effekte vor allem bei Erwachsenen

Die aktuelle Übersichtsarbeit der Cochrane Airways Group beinhaltet 7 Studien mit insgesamt 435 Kindern und 2 Studien mit zusammen 658 Erwachsenen aus Großbritannien, Indien, Japan, Kanada, Polen und den USA. Die meisten Probanden hatten leichtes bis mittelschweres Asthma und nahmen während der Studiendauer ihre gewöhnlichen Medikamente weiterhin ein. Die Beobachtungszeit der Studien betrug 6 bis 12 Monate. In allen Untersuchungen wurde Vitamin D mit einem Placebo verglichen.

Wie Martineau und sein Team herausfanden, sank die Zahl schwerer Asthmaattacken pro Patient und Jahr unter der Cholecalciferol-Einnahme von durchschnittlich 0,44 auf 0,22. Dadurch konnten die Probanden der Interventionsgruppe häufiger auf die orale Einnahme von Steroiden verzichten.

Darüber hinaus reduzierte die Supplementierung das Risiko schwerer Asthmaanfälle, bei denen die Patienten ein Krankenhaus oder den ärztlichen Notdienst aufsuchen mussten, von 6% auf 3%. Beide Effekte waren insbesondere bei erwachsenen Asthmatikern zu beobachten. Ansonsten konnte die Vitamingabe weder die Lungenfunktion der Probanden verbessern, noch ihre alltäglichen Asthmasymptome lindern. Nebenwirkungen der Supplementierung traten keine auf.

Zu wenige Untersuchungen mit Kindern und schweren Asthmatikern

 
Wir brauchen weitere Studien an Kindern und Erwachsenen mit schwerem Asthma, um herauszufinden, ob auch diese Patientengruppen von einer Vitamin-D-Einnahme profitieren. Prof. Dr. Adrian R. Martineau
 

Martineau selbst hält die Ergebnisse des Reviews für sehr interessant. Allerdings räumt auch er ein, dass diese mit einer gewissen Vorsicht interpretiert werden müssten und noch nicht zu einer klaren klinischen Empfehlung führen könnten.

„Erstens resultieren die Ergebnisse, die sich auf schwere Asthmaattacken beziehen, aus nur drei Studien“, wird er in einer Mitteilung der Cochrane Collaboration zitiert. Die meisten Patienten dieser Untersuchungen seien Erwachsene mit leichtem oder nur mittelschwerem Asthma gewesen. „Wir brauchen weitere Studien an Kindern und Erwachsenen mit schwerem Asthma, um herauszufinden, ob auch diese Patientengruppen von einer Vitamin-D-Einnahme profitieren“, betont Martineau.

Zweitens ist es dem Forscher zufolge bislang unklar, ob die positiven Effekte der Supplementierung ausschließlich bei Patienten mit einem nachgewiesenen Vitamin-D-Mangel oder bei allen Asthmatikern auftreten. Martineau rechnet allerdings mit Ergebnissen weiterer Studien, die sich mit genau dieser Frage beschäftigen, schon in den kommenden Monaten.

Für eine deutsche Studie werden noch Probanden gesucht

Eine deutsche Studie zu dem Thema, die sich mit der Wirkung von Vitamin D bei Patienten mit schwerem Asthma und gleichzeitig diagnostiziertem Vitamin-D-Mangel beschäftigt, läuft seit Juni 2015 an der Universität Mainz. Die Wissenschaftler um Dr. Stefanie Korn und Prof. Dr. Roland Buhl von der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik wollen herausfinden, ob sich mit einer täglichen Gabe von 4.000 I.E. Cholecalciferol die Einnahme oraler oder inhalierbarer Kortikosteroide reduzieren lässt. Dazu erhalten die Probanden zusätzlich zu ihrer Standardmedikation 24 Wochen lang entweder das Vitamin oder ein Placebo.

 
Uns als Fachgesellschaft fehlt bislang die Evidenz, um eine Supplementierung von Vitamin D bei Asthmatikern zu empfehlen. Prof. Dr. Marek Lommatzsch
 

Für die an 11 Standorten in Deutschland laufende Studie EVITA (Effect of Vitamin D as add-on Therapy for Vitamin D Insufficient Patients With Severe Asthma) werden derzeit noch Teilnehmer gesucht. Da die Vitamin-D-Substitution bei der Behandlung des schweren Asthmas inzwischen weit verbreitet sei, verlaufe die Rekrutierung der Probanden sehr schleppend, sagt Buhl gegenüber Medscape. Wann mit den Ergebnissen der Studie gerechnet werden könne, sei daher derzeit nicht absehbar.

Keine klare Empfehlung für die Substitution

Generell sei unklar, ob ein Vitamin-D-Mangel, der bewiesenermaßen vor allem bei Patienten mit schwerem Asthma verbreiteter als in der Durchschnittsbevölkerung sei, überhaupt einen Einfluss auf die Erkrankung habe, sagt der Rostocker Pneumologe Lommatzsch. „Vielleicht halten sich Asthmatiker ja wegen ihrer Erkrankung auch nur häufiger als andere in geschlossenen Räumen auf“, gibt der Mediziner zu bedenken. Auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen, etwa bei Rheuma, sei ein Mangel des Sonnenvitamins häufig.

„Uns als Fachgesellschaft fehlt bislang die Evidenz, um eine Supplementierung von Vitamin D bei Asthmatikern zu empfehlen“, sagt Lommatzsch. Zwar spreche nichts dagegen, wenn Ärzte einen entsprechenden Versuch bei Patienten mit einem nachgewiesenen Vitamin-D-Mangel unternähmen – zumal die Behandlung wenig koste und höchstwahrscheinlich nicht schade. „Ein Heilsversprechen“, sagt Lommatzsch, „kann und sollte damit aber nicht einhergehen.“

 

REFERENZEN:

1. Martineau AR, et al: Cochrane library (online) 5. September 2016

2. Congress of the European Respiratory Society, 3. bis 7. September, London/Großbritannien

 

Kommentar

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