
Julia Otten
Eine Ernährungsumstellung kann bei einem Typ-2-Diabetes geradezu Wunder bewirken: Mit den Pfunden schmelzen auch das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen sowie der Insulinbedarf. Nur mit welcher Ernährungsweise genau das am besten und schnellsten erreicht werden kann, darüber sind sich Experten oftmals noch uneins. Neben der Debatte um Kohlenhydrat- oder Fettrestriktion rücken auch immer wieder ganz bestimmte Diäten in den Fokus der Forscher – zum Beispiel die Paleo-Diät. Diese erzielte in vergangenen Studien erstaunliche Effekte auf Muskel- und Leberfett.
Ob diese Effekte durch körperliche Aktivität zusätzlich gesteigert werden können hat Julia Otten von der Umeå Universität in Schweden untersucht. Auf dem Europäischen Diabetes-Kongress in München präsentierte sie die Ergebnisse.
Medscape: Den Begriff „Paleo-Diät“ hat der ein oder andere vielleicht schon einmal in einem Lifestyle-Magazin gelesen. Aber was verstehen wir aus wissenschaftlicher Sicht darunter?
Otten: Alles begann mit der Beobachtung, dass Völker, die immer noch als Jäger und Sammler leben, eine erstaunlich niedrige Herzinfarkt- und Schlaganfall-Inzidenz haben, und diese aber ansteigt, sobald sie sich der typischen westlichen Ernährungsweise anpassen.
Daraus entstand dann die Idee eine Jäger-und-Sammler-Diät auszuprobieren. Wie der Name schon verrät, beruht diese auf der vermuteten Ernährungsweise aus der älteren Steinzeit. Damals nahm man hauptsächlich Fisch, mageres Fleisch, Früchte, Gemüse, Nűsse und Eier zu sich. Getreide und Milchprodukte gehörten nicht auf den Speiseplan – also kein Brot, kein Käse, keine Butter, keine Pasta. Das stellt natürlich einen großen Unterschied zu unserer heutigen Ernährungsweise dar.
Interessanterweise zeigte diese Diät in vorangehenden Studien einen erstaunlichen Effekt auf Leberfett und Insulinresistenz. Wir wollten nun feststellen, ob zusätzliches Training dieses Effekt noch verstärken kann.
Medscape: Wie haben Sie diese Fragestellung untersucht?
Otten: Unsere Teilnehmer sollten sich alle gemäß der Paleo-Richtlinien ernähren. Die Hälfte von ihnen musste jedoch zusätzlich Sport treiben. Wir haben uns dabei für eine Trainingsform entschieden, bei der Kraft- und Ausdauertraining kombiniert werden, da vorangehende Studien nahegelegt haben, dass dies die günstigsten Effekte auf einen Diabetes mellitus hat.
Beide Gruppen wurden über einen Zeitraum von 12 Wochen beobachtet. In dieser Zeit wurde die Entwicklung von Körpergewicht, Muskel- und Leberfett gemessen.
Medscape: Hat sich die Insulinsensitivität erwartungsmäß gesteigert?
Otten: Die Insulinsensitivität erhöhte sich sowohl in Muskel- als auch Fettgewebe – und zwar in beiden Gruppen in gleichem Ausmaß. Das hat uns schon sehr erstaunt, da wir eigentlich mit einem größeren Effekt für die Trainingsgruppe gerechnet haben.
Medscape: Gab es hinsichtlich des Fettgehalts Unterschiede?
Otten: Ja – aber wiederum nicht die, die wir erwartet haben. Zwar haben wir beobachtet, dass die Paleo-Diät den Fettgehalt von Muskulatur und Leber senken konnte, allerdings nicht in der Trainingsgruppe. Mit Sport und Paleo zeigten die Probanden denselben Fettgehalt wie vor Begin der Studie.
Medscape: Was der aktuellen Studienlage ziemlich widerspricht. Wie erklären Sie sich dieses ungewöhnliche Ergebnis – hat Sport also keinen günstigen Effekt auf den Diabetes und seine Folgen?
Otten: Die Effekte auf den Fettgehalt in der Muskulatur kann man eigentlich gut erklären. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Athleten-Paradox, das besagt, dass Sportler grundsätzlich mehr Fettgehalt in ihrer Muskulatur haben. Und das gilt eben nicht nur für jüngere Athelten, sondern auch für ältere mit Insulinresistenz.
Der Erklärung dafür ist, dass Fett in der Muskelzelle direkt zur Verbrennung zur Verfügung steht, wenn der Muskel Leistung erbringen muss. Während die Paleo-Diät nun den Fettgehalt im Muskel reduziert, steigert das Training den Fettgehalt gleichsam wieder. Am Ende kommt dabei ein Nulleffekt heraus, bei dem der Fettgehalt vor und nach Intervention unter dem Strich gleich bleibt.
Medscape: Gibt es für die unerwarteten Effekte in der Leber auch eine mögliche Erklärung?
Otten: Möglicherweise. Wenn man vor und direkt nach einer Trainingseinheit misst, stellt man fest, dass Training das Leberfett erhöht. Unsere Messungen erfolgten jedoch nicht direkt nach den Trainingssessions, sondern mindestens 2 Tage später. Nach unserer Interpretation ist es demnach sehr entscheidend, was in diesen 2 Tagen passiert ist – zum Beispiel, ob sich die Teilnehmer auch wirklich an die Paleo-Diät gehalten haben und wie viele Kalorien sie in diesem Zeitraum zu sich genommen haben. Eine Reduktion der Kalorienzufuhr senkt das Leberfett nämlich innerhalb weniger Tage.
Medscape: Das würde auch erklären, warum die Teilnehmer untereinander sehr unterschiedliche Fettgehalts-Werte erzielten?
Otten: Genau. Denn 2 Tage Kalorienrestriktion reichen schon aus, um ein Abnehmen des Leberfettes zu bewirken. Und da die Teilnehmer prinzipiell essen durften, so viel sie wollten – sofern sie sich an die Ernährungsvorschriften hielten – kann das Ergebnis dann sehr unterschiedlich ausfallen.
Medscape: Es gab also keine grundsätzliche Kalorienrestriktion?
Otten: Nein, gab es nicht. Da aber alle Teilnehmer insgesamt an Gewicht verloren haben, ist der logische Schluss, dass sie mit der Paleo-Diät eben doch weniger als vorher gegessen haben.
Medscape: Trotzdem ist die Studie nicht ausgegangen wie geplant. Letztlich war Ihre Hypothese, dass mit dem Sport der Fettgehalt noch stärker sinkt und die Insulinsensitivität noch stärker steigt. Was würden Sie bei einer Folge-Studie anders machen?
Otten: Wir müssen auf jeden Fall noch einiges analysieren. Eine Frage, die ich heute nach meinem Vortrag bekommen habe, ist, wie sehr sich die Teilnehmer an unsere Diätvorschriften gehalten haben. Bis jetzt haben wir das allein mit einem Diät-Tagebuch überprüft, in dem die Teilnehmer notieren sollten, was sie gegessen haben. Da ist natürlich ein recht unsicheres Maß, weil es sehr beeinflussbar ist. Deshalb werden wir jetzt Fettsäuren im Plasma und in der Erythrozytenmembran analysieren, um zu beruteilen, wie sich die Teilnehmer während der Studie ernährt haben.
Diesen Artikel so zitieren: Steinzeit-Nahrung gegen Diabetes: Wie die Paleo-Diät auf Insulinspiegel und Fettgewebe wirkt - Medscape - 6. Okt 2016.
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