Am 1. Oktober startete der neue Medikationsplan: „Schlechter Scherz", „falsche Systematik" – trotz des Fortschrittes in der Sache bleiben die Kritiker bei ihren Einwänden – vor allem, was die Honorierung für Erstellung und Pflege des Planes angeht.
Patienten in deutschen Haus- und Facharztpraxen haben seit Anfang des Monats einen Anspruch auf einen Medikationsplan. Er soll für alle Patienten gelten, die 3 oder mehr Medikamente verordnet bekommen haben, zusätzlich der von den Patienten in der Apotheke gekauften Arzneimittel. Der Plan umfasst unter anderem den Wirkstoff, die Dosierung, den Grund der Einnahme und weitere Hinweise zur Einnahme.
Zusätzlich wurde ein Barcode auf den Papier-Medikationsplan gedruckt. Er enthält die Information des Plans in digitaler Form und ermöglicht, dass dieser unabhängig von der jeweiligen Praxis- oder Apothekensoftware per Scanner eingelesen und aktualisiert werden kann, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ihren Internetportal [1]: „Auf diesem Weg ist eine unkompliziertere Aktualisierung in Praxen, Apotheken und auch in Krankenhäusern möglich."
Wie viele Patienten es dann tatsächlich sein werden, die von ihrem Arzt auch einen Medikationsplan einfordern werden, weiß indessen niemand. Die AOK geht von 20 Millionen Patienten aus. Die KBV habe in den Verhandlungen mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) nur mit 15 Millionen Patienten gerechnet, sagt Roland Stahl, Sprecher der KBV gegenüber Medscape. Die zu erwartende Patientenzahl dürfte ein wesentliches Argument bei den Honorarverhandlungen gewesen sein.
Der Deutsche Hausärzteverband kritisierte die Honorare für den Medikationsplan mit harschen Worten. „Die jetzt zwischen KBV und GKV-Spitzenverband ausgehandelte Vergütung entspricht in keiner Weise dem Aufwand, der in den Praxen betrieben werden muss", erklärt Vincent Jörres, Pressesprecher des Deutschen Hausärzteverbandes auf Anfrage. „Hausärzte erhalten beispielsweise bei Chronikern einen pauschalen Zuschlag auf die Chroniker-Pauschale in Höhe von einem Euro. Das ist eigentlich ein schlechter Scherz.“
Rund 160 Millionen Euro extrabudgetär
Zu verteilen sind im ersten Jahr rund 163 Millionen Euro außerbudgetär. Hausärzte erhalten aus diesem Topf eine Einzelleistungsvergütung (GOP 01630) von rund 4 Euro für Patienten, die nicht chronisch krank sind, so die KBV. Medikationspläne für chronisch Kranke dagegen – und damit der Löwenanteil der in Frage kommenden Hausarzt-Patienten – werden über einen Zuschlag bei der Chroniker-Pauschale bezahlt. Er beträgt leistungsunabhängig und extrabudgetär etwa 1 Euro (GOP 03222/04222) – und wird im Behandlungsfall automatisch durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zur Chronikerpauschale dazugerechnet. Der Zuschlag wird nicht gezahlt, wenn schon der geriatrische Behandlungskomplex abgerechnet wurde oder die oben genannte Einzelleistungsvergütung.
Auch Fachärzte können die GOP 01630 als Einzelleistungsvergütung von etwa 4 Euro extrabudgetär abrechnen – und zwar für Krebs-, Schmerz- oder Transplantationspatienten. Für ihre anderen Patienten erhalten die Fachärzte einen leistungsunabhängigen, extrabudgetären Zuschlag auf die Grundpauschale in unterschiedlicher Höhe.
„Fachgruppen, die viele Medikamente verordnen und deshalb öfter einen Plan aktualisieren oder ausstellen werden, erhalten einen höheren Zuschlag als Fachgruppen mit wenigen Verordnungen", so die KBV, höchstens jedoch 94 Cent. Das entspricht 9 Punkten. Auch hier fließt der Zuschlag dann nicht, wenn schon GOP 01630 abgerechnet wurde. Der Zuschlag wird automatisch von der KV zugesetzt.
Kritik auch von Fachärzten
Dr. Hans-Friedrich Spies, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten, sieht für viele Fachärzte kaum Gelegenheit, den Zuschlag auf die Grundpauschale abzurechnen. Die Systematik sei unzureichend. „Wir bekommen oft Überweisungen vom Hausarzt, die die Grundpauschale bei uns ausschließt", sagt Spies zu Medscape. Er werde den Internisten empfehlen, vor der Rücküberweisung zum Hausarzt erst gar keinen Medikationsplan zu erstellen, „sondern den Wunsch nach einem Plan nur im Arztbrief zu notieren, und der Hausarzt macht dann den Plan."
Nach Ansicht Spies´ wären im Übrigen rund 5 Euro pro Quartal und Patient „als Einzelleistungsvergütung, die auch beim Arzt ankommt, das angemessene Honorar." Er vermutet, dass Kassen und KBV in ihren Verhandlungen ohnedies die extrabudgetären Honorare für den Medikationsplan im Zweifel nicht endlos auszahlen werden, wie er zu Medscape sagt. „Wahrscheinlich haben die Kassen trotz allem eine feste Geldmenge im Auge. Wenn sie überschritten wird, wird dann doch quotiert."
REFERENZEN:
1. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV): Medikationsplan (online)
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Neuer Medikationsplan ein „schlechter Scherz“ – Ärzte kritisieren vor allem die Honorierung und fordern mehr Geld - Medscape - 5. Okt 2016.
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