
Ulrich Weigeldt
Berlin – Der Deutsche Hausärzteverband fordert von der Politik einen gesetzlich geregelten Bonus für Patienten, die an der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) teilnehmen. „Wir halten es für sinnvoll und notwendig, dass die Krankenkassen dazu verpflichtet werden, ihren Versicherten HZV-Boni anzubieten“, sagte Verbandsvorsitzender Ulrich Weigeldt auf einer Pressekonferenz anlässlich des 38. Deutschen Hausärztetags [1]. Ein weiteres Thema, dass die Tagungsteilnehmer bewegte, ist die Sicherung des hausärztlichen Nachwuchses.
Bessere Patientensteuerung, weniger unkoordinierte Facharztbesuche
Deutschland gilt im europäischen Vergleich als ein Land mit besonders vielen Arzt-Patienten-Kontakten. Die Zahlenangaben hierzu sind allerdings, je nachdem welche Untersuchung betrachtet wird, sehr uneinheitlich und bewegen sich zwischen 7 und 17 Kontakten pro Jahr. Arzt-Patienten-Kontakte nehmen zu, wenn Patienten wegen des gleichen gesundheitlichen Problems zunächst mehrere Fachärzte aufsuchen, bis ihnen schließlich geholfen wird.
„Viele Patientenprobleme“, so Weigeldt, „lassen sich bereits in der hausärztlichen Praxis so bearbeiten, dass längst nicht immer eine Überweisung zum Facharzt notwendig ist.“ Wissenschaftliche Evaluationen hätten gezeigt, dass durch die HZV eine bessere Patientensteuerung möglich sei und die Zahl unkoordinierter Facharztbesuche sowie Krankenhauseinweisungen nachhaltig reduziert werden kann. Die HZV-Verträge sehen vor, dass die teilnehmenden Patienten als erste Anlaufstelle immer ihren jeweiligen Hausarzt konsultieren, der dann bei Bedarf an Kollegen anderer Fachrichtungen weiterüberweist.
Eine von den Universitäten Heidelberg und Frankfurt am Main durchgeführte und kürzlich publizierte Evaluationsstudie zur HZV in Baden-Württemberg beschreibt weitere positive Aspekte dieser Versorgungsform. Dazu gehören eine intensivere Patientenbetreuung, eine zielgerichtetere und effizientere Arzneimitteltherapie, niedrigere Kosten bei besserer Versorgung sowie Zusatznutzen durch fachübergreifende ambulante Kooperation von Haus- und Fachärzten.
Bonus-Vorschlag: Zuzahlungsbefreiung bei Medikamenten
„Die HZV bringt klare qualitative und wirtschaftliche Vorteile“, so Verbandsvorsitzender Weigeldt. „Patienten, die sich dafür entscheiden, profitieren bei ihrer Gesundheitsversorgung und verhalten sich wirtschaftlich verantwortungsbewusst. Deshalb sollten sie auch einen finanziellen Nutzen haben und einen Bonus erhalten.“ Dieser könne wie es etwa bei der AOK Baden-Württemberg der Fall sei, als Zuzahlungsbefreiung bei Medikamenten gewährt werden.
§ 53 des SGB V sieht bereits jetzt vor, dass Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen teilnehmen, von ihrer Krankenkasse eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen gewährt werden können. „Notwendig ist jedoch“, so Weigeldt, „eine Konkretisierung und gesetzliche Verpflichtung der Krankenkassen, damit die Bonifizierung fester Bestandteil des SGB V wird und die Patienten auch wirklich flächendeckend profitieren.“ Derzeit nehmen bundesweit rund 4,1 Millionen GKV-Versicherte und etwa 17.000 Ärzte an der Hausarztzentrierten Versorgung teil, die Teilnahme ist freiwillig.
Sorge um hausärztlichen Nachwuchs
Eine weitere zentrale Aufgabe der kommenden Jahre ist für den Hausärzteverband die Sicherung des hausärztlichen Nachwuchses. „Wir haben sehr viele Kollegen, die 60 Jahre und älter sind und dabei nicht selten 60 Stunden und mehr pro Woche arbeiten“, sagte Weigeldt. „Damit sich junge Mediziner beispielsweise in ländlichen Gebieten als Hausärzte niederlassen, sind Formen der Berufsausübung zu fördern und anzubieten, bei denen sich Beruf, Familie und Freizeit besser unter einen Hut bringen lassen.“

Dr. Jana Husemann
Dass sich aktuell noch nicht ausreichend junge Mediziner für den Hausarztberuf entscheiden, hat aber auch mit dem lange Zeit geringen Stellenwert der haus- bzw. allgemeinärztlichen Versorgung im Medizinstudium zu tun, so die Ansicht von Dr. Jana Husemann, stellvertretende Sprecherin des Forums Weiterbildung im Deutschen Hausärzteverband und niedergelassene Hausärztin in Hamburg: „Dringend notwendig ist eine kontinuierliche Einbindung der Allgemeinmedizin ins Studium.“ Ausdrücklich begrüßt wird vom Verband die von der Bundesregierung mit dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ geplante Reform der Medizinerausbildung, der eine Stärkung der Allgemeinmedizin vorsieht.
Um jungen Ärzten den Weg in die hausärztliche Niederlassung zu erleichtern hat das Forum Weiterbildung des Verbands die aus 13 verschiedenen Modulen bestehende Seminarreihe „Werkzeugkasten für die Niederlassung“ entwickelt. „Ziel dabei ist es“, so Husemann, „dass junge Hausärzte alle wichtigen Informationen kompakt von Kolleginnen und Kollegen vermittelt bekommen, die selbst erst vor kurzem in der gleichen Situation waren.“
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Hausärzteverband will HZV-Boni für Patienten, die an der Hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen - Medscape - 4. Okt 2016.
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