Kombinationstherapie des Typ-2-Diabetes: SGLT2-Hemmer und GLP-1-Analogon – hat sich das „Traumpaar“ nun gefunden?

Sonja Böhm

Interessenkonflikte

16. September 2016

München – Sie gelten als die „New Kids on the Block“ und als besonders viel versprechend in der Behandlung von Patienten mit Typ-2-Diabetes: die SGLT2-Hemmer und die GLP-1-Agonisten. Vertreter beider Wirkstoffgruppen haben in großen kardiovaskulären Endpunktstudien (EMPA-REG Outcome mit Empagliflozin und LEADER mit Liraglutid) sehr positive Ergebnisse gezeigt. Sie senkten nicht nur den Blutzucker, sondern besserten auch die kardiovaskuläre Prognose der Behandelten.

Wäre es dann nicht umso besser, beide Wirkstoffklassen zu kombinieren? Bislang war dazu jedoch die Datenlage eher mau. Jetzt ist beim europäischen Diabeteskongress in München die DURATION-8 Studie vorgestellt worden [1;2]. Sie hat bei Patienten, die unter Metformin allein zu hohe Glukosewerte hatten, die Kombination eines SGLT-2-Hemmers (Dapagliflozin) und eines GLP-1-Agonisten (Exenatide 1 x wöchentlich) als Ergänzung gegen die alleinige zusätzliche Therapie mit entweder dem GLP-1-Agonisten oder dem SGLT-2-Hemmer getestet.

Stärker bei Blutzucker, Blutdruck und Gewichtsreduktion – und ohne Hypoglykämien

Das Ergebnis: Die Kombination reduziert nicht nur stärker den Blutzucker, sie hat auch günstigere Effekte auf kardiovaskuläre Risikofaktoren – das Gewicht wird additiv reduziert, der systolische Blutdruck auch – und dies alles, ohne dass es in der Studie zu Hypoglykämien kam. Allerdings: Auch die Nebenwirkungen beider Substanzklassen addieren sich. Unter dem GLP-1-Analogon sind dies Diarrhoen, Nausea und Knötchen an der Injektionsstelle, unter dem SGLT-2-Hemmer vor allem Harnwegsinfekte.

„Auf klinische Studien mit solch einer Kombination haben wir lange gewartet, weil diese Kombination besonders günstige Effekte haben könnte, betrachtet man die Wirkmechanismen sowohl des GLP-1-Rezeptoragonisten als auch des SGLT2-Inhibitors“, kommentieren Prof. Dr. Michael Nauck und Prof. Dr. Juris Meier von der Ruhr-Universität Bochum in einem Editorial, das die Publikation der Studie in The Lancet Diabetes and Endocrinology begleitet [2].

Die beiden deutschen Diabetologen sehen in den Studienergebnissen ihre „Erwartungen erfüllt“ – nämlich dass die Kombi, den HbA1c-Wert stärker senkt, einen ausgeprägteren Effekt auf das Körpergewicht hat als die jeweiligen Einzelwirkstoffe und das Hypoglykämie-Risiko nicht steigt, so lange nicht mit Sulfonylharnstoffen oder Insulin kombiniert wird.

 
Auf klinische Studien mit solch einer Kombination haben wir lange gewartet … Prof. Dr. Michael Nauck und Prof. Dr. Juris Meier
 

Doch sie gießen auch etwas Wasser in den Wein und bemängeln, dass in der Studie die HbA1c-Senkung unter der Kombination – obwohl stärker als unter den Einzelsubstanzen – „numerisch weit davon entfernt war, additiv zu sein“: So reduzierte Exenatide allein das HbA1c um 1,6%punkte und Dapaglifozin allein um 1,4%punkte, unter der Kombination schlug aber nur eine Abnahme um 2,0%punkte zu Buche.

Dies könne dem Umstand geschuldet sein, dass die Studienteilnehmer relativ hohe HbA1c-Ausgangswerte (im Median 9,3%) hatten – und jedes Antidiabetikum bekanntlich umso stärker reduzierend wirkt, je höher die Ausgangswerte sind. „So scheint ein Antidiabetikum, das als zweites oder drittes dazu gegeben wird, im allgemeinen weniger wirksam“, erläutern die beiden Autoren. Sie kritisieren auch, dass in der Studie selbst unter der 3er-Kombi Metformin plus Exenatide plus Dapgliflozin nur 45% der Patienten nach 28 Wochen einen HbA1c-Wert unter 7% erreichten. 

Immerhin waren wenigstens die Effekte auf das Körpergewicht nahezu additiv (1,54 kg unter Exenatide, 2,19 kg unter Dapagliflozin und 3,41 kg unter der Kombination). Was das Abnehmen angeht, ergänzen sich die Wirkmechanismen gut, betonen Nauck und Meier: Während der SGLT2-Hemmer über die Glukosurie zu einem Kalorienverlust beiträgt, den manche Patienten allerdings nach bisherigen Erfahrungen durch eine vermehrte Kalorienaufnahme zumindest zum Teil kompensieren, wirkt Exenatide über den Hypothalamus appetit-mindernd – und damit dieser Kompensation entgegen.

Sie vergleichen in ihrem Editorial die Kombination beider Wirkstoffe mit einer Paar-Beziehung: Das ideale Paar bestärkt sich gegenseitig durch Eigenschaften, die in die gleiche Richtung weisen. Dies gelte hier für die HbA1c-Senkung, die Effekte auf das Körpergewicht, den systolischen Blutdruck, für die Hypoglykämien – und möglicherweise für die positiven Wirkungen bezüglich des kardiovaskulären Risikos.

Allerdings so geben sie zu bedenken, gibt es für die beiden in DURATION-8 getesteten Vertreter der Wirkstoffgruppen selbst noch keine kardiovaskulären Endpunktdaten. Die Studien dazu (EXSEL für Exenatide und DECLARE-TIMI 58 für Dapagliflozin) laufen, Ergebnisse sind aber erst in den Jahren 2018 und 2019 zu erwarten.

Wie im richtigen Leben: Das „ideale Paar“ zieht nicht immer an einem Strang

 
Bislang waren GLP-1-RA und Insulin das bevorzugte Paar, doch könnten die GLP-1-RA in Zukunft vielleicht ihren Partnerschaftsstatus überdenken … Prof. Dr. Michael Nauck und Prof. Dr. Juris Meier
 

Das „ideale“ Paar ergänze sich jedoch auch möglicherweise durch Gegensätze, spinnen sie die Parallelen zu zwischenmenschlichen Beziehungen weiter. Dies, indem sie eventuelle schädliche Eigenschaften des anderen kompensieren. Für das Paar SGLT2-Hemmer/GLP-1-Rezeptoragonist könnte dies bezüglich ihrer Wirkungen auf die Glukagon-Sekretion gelten, die der GLP-1-Rezeptoragonist (GLP-1-RA) supprimiert, der SGLT2-Inhibitor aber steigert. Denn darüber verändert sich auch die hepatische Ketogenese.

Und zum einen ist die Ketoazidose als Nebenwirkung der SGLT2-Hemmer gefürchtet. Andererseits könnte aber die Erhöhung der Ketonkörper, die als geeignetes Energiesubstrat für das versagende Herz dienen können, für die positiven kardiovaskulären Wirkungen der SGLT2-Hemmer wichtig sein. Die Frage, die in künftigen Studien zu klären ist, sei damit, wie sich die Kombination nun tatsächlich auf kardiovaskuläre klinische Endpunkte auswirkt.

Das Fazit von Nauck und Meier: „Bislang waren GLP-1-RA und Insulin das bevorzugte Paar, doch könnten die GLP-1-RA in Zukunft vielleicht ihren Partnerschaftsstatus überdenken und die Möglichkeiten für eine neue bevorzugte Beziehung zu den SGLT2-Inhibitoren sorgfältig checken.“

Die DURATION-8-Studie in Kürze

Es handelt sich um eine randomisierte placebo-kontrollierte Doppelblindstudie der Phase 3 in 109 Zentren und 6 Ländern. Die 695 Teilnehmer mit Typ-2-Diabetes hatten unter Metformin-Therapie (≥ 1.500 mg/Tag) einen HbA1c-Wert zwischen 8 und 12% (median 9,3%). Metformin wurde in 3 Gruppen jeweils ergänzt mit:

  • 2 mg Exenatide 1 x wöchentlich s.c. (n = 231) oder

  • 10 mg Dapagliflozin 1 x täglich oral (n=233) oder

  • 2 mg Exenatide plus 10 mg Dapagliflozin (n = 231).

Primärer Endpunkt war die Veränderung des HbA1c-Wertes nach 28 Wochen. Im Vergleich zu den ergänzenden Monotherapien wurde der HbA1c-Wert unter der Kombination signifikant stärker gesenkt (-2,0% versus -1,6% unter Exenatide und -1,4% unter Dapagliflozin). Auch der Nüchtern-Blutzuckerwert und die postprandialen Glukosewerte nahmen signifikant stärker ab. Signifikant ausgeprägter waren auch die Gewichtsabnahme und die Senkung des systolischen Blutdrucks. Mehr Patienten unter der Kombination erreichten einen Ziel-HbA1c-Wert von 7% oder niedriger. 

Die Nebenwirkungen waren laut Autoren „wie erwartet“ – am häufigsten waren Diarrhoen, Reaktionen an der Injektionsstelle und Nausea sowie Harnwegsinfekte. Hypoglykämien (definiert als ein Blutzuckerwert < 54 mg/dl) wurden in der Studie keine berichtet. Insgesamt sei das Sicherheitsprofil der Kombination gut gewesen, schreiben die Autoren.           

 

REFERENZEN:

1. European Association for the Study of Diabetes (EASD) Congress, 12. bis 16. September 2016, München

2. Frias JP, et al: The Lancet Diabetes and Endocrinology (online) 16. September 2016

3. Nauck M, et al: Lancet Diabetes Endocrinol 2016 (online) 16. September 2016

 

Kommentar

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