Gesunde Kita- und Schulverpflegung ist die Ausnahme: Bundesländer sollen DGE-Qualitätsstandards verbindlich vorgeben

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

14. September 2016

Gesund ernährte Kinder sind später meist auch gesündere Erwachsene. Gut also, wenn schon in Kita und Schule eine ausgewogene Kost auf den Tisch kommt. Gesunde Kita- und Schulverpflegung scheint in Deutschland allerdings eher die Ausnahme zu sein. Und eine Verpflichtung zu Qualitätsstandards wird von fast allen Bundesländern abgelehnt. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) bei den Kultusministerien der Länder, die jetzt auf einer Pressekonferenz der Organisation in Berlin vorgestellt wurde |1].

Risikofaktor Übergewicht

Dr. Dietrich Garlichs

Insbesondere Übergewicht ist bei Kindern in Deutschland weit verbreitet: So gelten 15% der 3- bis 17-Jährigen der KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts zufolge als übergewichtig. „Im Hinblick auf die Prävention von Adipositas und damit auch von Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden und zahlreichen weiteren Krankheiten spielt bereits die Kita- und Schulverpflegung eine zentrale Rolle“, betonte DANK-Sprecher Dr. Dietrich Garlichs im Gespräch mit Medscape.

In der DANK-Allianz sind 17 wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaften (wie Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und Deutsche Krebsgesellschaft), Verbände und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen, um sich für nachhaltige und bundesweite Primärprävention in Deutschland einzusetzen.

Nur zwei Bundesländer haben die Standards umgesetzt

Bereits vor mehreren Jahren hatte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) – im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – Qualitätsstandards zur Verbesserung der Kita- und Schulverpflegung erarbeitet und inzwischen aktualisiert. „Was aber nützen selbst die besten Qualitätsstandards, wenn sie kaum Anwendung finden?“, kritisierte Garlichs. So hätten bisher lediglich die Bundesländer Berlin und Saarland die DGE-Standards umgesetzt.

 
Bei der Prävention von Adipositas und auch von Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden und anderen Krankheiten spielt die Kita- und Schulverpflegung eine zentrale Rolle. Dr. Dietrich Garlichs
 

Weil DANK wissen wollte, was anderswo geplant ist, führte sie eine Umfrage in den restlichen 14 Bundesländern durch. Ergebnis: „Die DGE-Qualitätsstandards werden von allen Länder-Kultusministerien einhellig gelobt. Allerdings ist keine Landesregierung bereit, sie für rechtlich verbindlich zu erklären“, erläuterte Garlichs. Das Standardargument laute, die Umsetzung der Qualitätsstandards sei Aufgabe der Schulen oder Schulträger. „Dieses Schwarze-Peter-Spiel der Schulpolitik“, so der DANK-Sprecher weiter, „ist absurd. Auch über Lehrpläne wird nicht von der einzelnen Schule entschieden, sondern von der Schulpolitik.“

Täglich Gemüse? Oft Fehlanzeige!

Wie es um Qualität und Akzeptanz der Schulverpflegung derzeit bestellt ist, darüber geben die Ergebnisse einer ebenfalls im Auftrag des BMEL durchgeführten bundesweiten Erhebung Auskunft. Demnach kennt nur die Hälfte der befragten Schulen den DGE-Standard, davon wiederum setzt ihn nur die Hälfte auch um. In 60% der Schulen wird das Essen warmgehalten, in mehr als jeder dritten Schule wird Gemüse nicht täglich angeboten. 30% der Schüler schmeckt das Essen nicht, und über die Hälfte der Sekundarschüler verpflegt sich am Imbiss, beim Bäcker oder im Fast-Food-Restaurant.

 
Die DGE-Qualitätsstandards werden von allen Ländern gelobt. Allerdings ist keine Landesregierung bereit, sie für rechtlich verbindlich zu erklären. Dr. Dietrich Garlichs
 

Kaum anders sieht es bei der Kita-Kost aus. Hier zeigte u.a. eine im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführte Studie, dass sogar nur 18% der Kitas die DGE-Qualitätsstandards berücksichtigten und 46% der Kitas zu häufig Fleisch und Fleischerzeugnisse, dagegen zu selten Obst, Gemüse und Rohkost anboten.

Gesunde Ernährung als Bildungsangebot

„Die präventive Bedeutung einer gesunden Ernährung für Kinder und Heranwachsende ist in den Kultusministerien einfach noch nicht ausreichend verankert“, kritisierte Garlichs. Sogenannte Vernetzungsstellen für Kita- und Schulverpflegung der Länder helfen den kommunalen Trägern zwar bei der Verbesserung der jeweiligen Verpflegungssituation, eine flächendeckend effektive Hilfe ist Garlichs zufolge dadurch jedoch nicht gewährleistet.

Zudem seien mehr eigene Küchen und Fachkräfte (Hauswirtschafter oder Köche) nötig, um Kindern an Stelle von fertig angelieferter Kost höherwertiges frisches Essen zuzubereiten. „Wenn gesunde Ernährung nicht bereits in jungen Jahren gelernt wird, ist es im Erwachsenenalter meist zu spät dafür, und ungünstige Verhaltensweisen werden nicht mehr geändert, sondern beibehalten.“

Wenn gesunde Ernährung demgegenüber frühzeitig zum Bildungsinhalt an der Schule werde und Schüler z.B. selbst Einfluss auf den Schulspeiseplan nehmen könnten, fördere dies Gesundheitsbewusstsein und Eigenverantwortung.

 
Wenn gesunde Ernährung nicht in jungen Jahren gelernt wird, ist es im Erwachsenenalter meist zu spät, und ungünstige Verhaltensweisen werden nicht mehr geändert, sondern beibehalten. Dr. Dietrich Garlichs
 

Forderung verbindlicher Qualitätsstandards

Zentrale Forderung der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten ist deshalb, dass die DGE-Qualitätsstandards von den Kultusministerien nicht wie bisher nur empfohlen, sondern rechtlich verbindlich durchgesetzt werden. Dann könnten diese Standards etwa auch fester Bestandteil von Ausschreibungen sein, mit denen Schulträger Pächter von Schulküchen oder Caterer akquirieren.

„Es ist dringend notwendig“, so DANK-Sprecher Garlichs, „dass die Schulpolitik hier endlich ihre Verantwortung für die Gesundheit der Kindergarten- und Schulkinder wahrnimmt.“

Online-Check des Speiseplans

Für Eltern gibt es mittlerweile einen Online-Speiseplan-Check des Bundesernährungsministeriums: Mit ihm lässt sich die Qualität der Verpflegung in der jeweiligen Kita oder Schule einschätzen und auch die Umsetzung der DGE-Qualitätsstandards im Speisenangebot überprüfen.

 

REFERENZEN:

1. Pressemitteilung/Pressekonferenz der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), 9. September 2016, Berlin

 

Kommentar

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