Wer rastet, der rostet – neue Studienergebnisse zur Wirkung der physikalischen Therapie bei Rheuma

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

5. September 2016

Prof. Dr. Uwe Lange

Frankfurt – Physikalisch-therapeutische Maßnahmen sind in der Therapie rheumatischer Erkrankungen unentbehrlich, betonte Prof. Dr. Uwe Lange auf dem 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Frankfurt [1]. „Physikalische Therapie ist keine Wellness sondern harte Arbeit.“ Der Leiter des Bereichs Physikalische Medizin und Osteologie an der Kerkhoff Klinik Bad Nauheim stellte dort neue Daten vor.

Diese zeigen, dass physikalisch-therapeutische Maßnahmen bei Rheumatikern wie auch bei Osteoporose-Patienten ihren festen Stellenwert im Therapieplan haben. Zum Teil lassen sich damit noch positive Effekte erzielen, wenn Medikamente allein nicht mehr helfen. Auch ist es erstmals gelungen, auf molekularer Ebene Änderungen zu objektivieren, die  eine Deutung zulassen, warum diese Maßnahmen positiv wirken, so Lange.

 
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind in der Regel gut beeinflussbar durch physikalisch-therapeutische Maßnahmen. Prof. Dr. Uwe Lange
 

In einer Pilotstudie mit 20 Patienten mit Spondyloarthritiden  und einer Indikation für einen TNF-Blocker erhielten diese eine  intensive Physiotherapie (3 Mal pro Woche 45 Minuten) und dazu nur die halbe Standarddosis von Etanercept.

Nach 4 Monaten Therapie wurde bei 50% der Patienten eine 40%ige Besserung erreicht – gemessen am Bath Ankylosing Disease Functional Index (BASFI), dem Bath Ankylosing Spondylitis Disease Metrology Index (BASMI) und dem Funktionsfragebogen Hannover. Die Wirksamkeit von Etanercept in Volldosis ergab in der Zulassungsstudie erst nach 6 Monaten eine entsprechende Verbesserung bei 42% der Patienten. Zudem wurden in der Studie unter der Kombination mit Physiotherapie rund 76.000 Euro gespart. Die Studie belege, so betonte Lange,  dass Physiotherapie einen nachweisbaren positiven Effekt auf die Zytokin-vermittelten Krankheitsmechanismen besitze.

Radontherapie verringert Schmerzen bei rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew

In einer weiteren aktuellen Arbeit aus 2016 konnte ein standardisiertes Osteoporose-Training über 2 Jahre die Knochendichte verbessern und das Sturzrisiko verringern. In der 2-jährigen prospektiven Studie nahm unter einem wöchentlichen Osteoporose-Training die Knochendichte in der Trainingsgruppe zu, die Marker des Knochenstoffwechsels wurden moduliert, die Schmerzen nahmen ab und Sturzparameter besserten sich.

 
Die physikalische Therapie verbessert und erhält die Gelenkfunktion, das ist mit keiner Pille zu schaffen. Prof. Dr. Uwe Lange
 

Ebenso erwies sich in einer anderen aktuellen Studie die manuelle Therapie der Brustwirbelsäule bei Patienten mit Morbus Bechterew im nicht eingesteiften Stadium als hilfreich. Sie besserte  diverse Bewegungsmuster, die inspiratorische Vitalkapazität und krankheitsspezifische Scores, berichtete Lange. Die Arbeit von ihm und Kollegen sei die weltweit erste Studie zur manuellen Therapie bei Morbus Bechterew.

In einer weiteren Studie wurden Patienten mit deutlich reduzierter Mundöffnung im Rahmen einer Sklerodermie seriell mit biomechanische Stimulationstherapie (BMS) über 3 Wochen behandelt. Eine Gruppe erhielt 3 Applikationen (je 20 min), die andere Gruppe 5 Applikationen pro Woche (je 30 min), die BMS-Frequenz lag zwischen 23 und 28 Hz. In beiden Gruppen kam es zu einer signifikanten Erweiterung der Mundöffnung, wobei die 5-fache Anwendung klar überlegen war. Die Mikrostomie lässt sich medikamentös nicht verhindern, kann aber offenbar durch BMS positiv beeinflusst werden und in Selbstanwendung erfolgen, so das Fazit von Lange.

Gemeinsam mit Kollegen konnte er zudem bei Patienten mit rheumatoider Arthritis und Morbus Bechterew in einer Studie eine signifikante Schmerzlinderung erreichen, indem sie die Patienten einer Ganzkörpertherapie in einem Radonstollen exponierten, diese also eine Art niedrigdosierte Radon-Strahlentherapie erhielten. Noch bis zu 3 Monate nach Therapieende berichteten mehr als 80% der Patienten von einer Reduktion der Schmerzen und des Schmerzmittelbedarfs.

Rheuma-Therapie ist ohne eine physikalische Komponente unvollständig

 
Wer rastet rostet, das gilt ganz besonders für Rheumatiker. Prof. Dr. Uwe Lange
 

Laut Lange ist eine Therapie von rheumatischen Erkrankungen ohne physikalisch-therapeutische Maßnahmen unvollständig: „Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind in der Regel gut beeinflussbar durch physikalisch-therapeutische Maßnahmen.“

Wichtig sei: Je akuter und florider der Krankheitsprozess ist, desto vorsichtiger müsse dosiert werden. Bei den physikalisch-medizinischen Maßnahmen handele es sich um eine eigenständige Behandlungsform mit eigenen Indikationen und Kontraindikationen. Die Anwendungen seien ebenso wie eine medikamentöse Therapie zu überwachen – und einer veränderten Krankheitsaktivität anzupassen.

 
Die Verordnungen für physikalische Therapie sind extrabudgetär, sie belasten das Budget des Rheumatologen oder Hausarztes also nicht. Prof. Dr. Uwe Lange
 

Auch Rheuma-Patienten können hinsichtlich Schmerzlinderung, Entzündungshemmung und besserer Beweglichkeit profitieren, wenn die medikamentöse Therapie  durch eine physikalische begleitet wird. „Eine physikalische Therapie kann Medikamente zwar nicht komplett, aber zumindest zum Teil ersetzen und sollte daher immer Teil der Rheuma-Therapie sein“, betonte Lange. „Die physikalische Therapie verbessert und erhält die Gelenkfunktion, das ist mit keiner Pille zu schaffen“, erläuterte er. „Wer rastet rostet, das gilt ganz besonders für Rheumatiker.“

Lange erinnerte daran, dass Patienten mit entzündlichem Rheuma nach Sozialgesetzbuch V einen Anspruch auf eine physikalische Therapie haben. Dabei sei die Angst, durch die Verordnung einer physikalischen Therapie das eigene Budget zu belasten, unbegründet: „Die Verordnungen für physikalische Therapie sind extrabudgetär, sie belasten das Budget des Rheumatologen oder Hausarztes also nicht.“

Physikalische Therapie

Die therapeutischen Möglichkeiten umfassen die Anwendung von:

  • mechanischer Energie (Bewegungstherapie, Krankengymnastik, Massagen, manuelle Medizin)

  • thermischer Energie (Wärme- und Kältebehandlungen; lokal, Ganzkörpertherapie)

  • elektrischer Energie (Strombehandlungen mit nieder-, mittel- und hochfrequenten Strömen)

  • elektromagnetischer Strahlung (Infrarot, Ultraviolett)

Fokussiert wird bei der physikalischen Therapie auf:

  • Schmerzlinderung

  • Verbesserung der Durchblutung und Gewebetrophik

  • Entzündungsdämpfung

  • Funktionsverbesserung

  • Vor- und Nachbehandlung nach operativen Eingriffen

  • Prävention und Rehabilitation

  • Verbesserung der allgemeinen Reaktionslage und der körperlichen „Fitness“, Stärkung des  Immunsystems.

 

REFERENZEN:

  1. Kongress-Pressekonferenz auf dem 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, 01. September 2016, Frankfurt am Main

 

Kommentar

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