Rom – Metformin ist schon lange das Firstline-Therapeutikum bei Typ-2-Diabetes, aber neue Antidiabetika könnten ihm den Rang ablaufen. Das gilt speziell für die SGLT2-Inhibitoren, nachdem Empagliflozin eine überzeugende Vorstellung beim Herz- und Nierenschutz hingelegt hat. Die Evidenz für Empagliflozin stützt sich zurzeit zwar nur auf eine einzige Studie, EMPA-REG OUTCOME, so Prof. Dr. Naveed Sattar, Universität Glasgow, beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) in Rom [1]. Deren Ergebnisse seien aber – vor allem aus kardiologischer Sicht betrachtet – sehr eindrucksvoll.
Die 7.720 Typ-2-Diabetiker mit kardiovaskulärer Vorerkrankung umfassende placebokontrollierte Studie hatte eigentlich das Ziel, die kardiovaskuläre Sicherheit des SGLT2-Inhibitors zu belegen. Diesen Nachweis fordern die europäischen und amerikanischen Zulassungsbehörden seit einigen Jahren für jedes neu zuzulassende Antidiabetikum.
EMPA-REG OUTCOME zeigte jedoch noch mehr:
eine signifikante 14%ige Senkung von kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Myokardinfarkt und Schlaganfall (kombinierter primärer Endpunkt, p = 0,04), getrieben vor allem durch
die signifikante Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit um 38% (p < 0,001)
eine signifikante Senkung der Gesamtmortalität um 32% (p < 0,001)
eine signifikante Reduktion der Einweisungen wegen Herzinsuffizienz um 35% (p = 0,002)
eine Stabilisierung der Nierenfunktion, während diese in der Placebogruppe sukzessive abnahm.
SGLT2-Inhibition punktet mit vielen günstigen Effekten
Indem sie die Glukose- und Natriumausscheidung durch Blockade des Natrium-Glukose-Ko-Transporters steigern, entfalteten SGLT2-Inhibitoren eine Reihe potenziell günstiger Effekte, erläuterte Sattar. Die resultierende niedrigere Hämokonzentration senkt Blutdruck, sowie Vor- und Nachlast des Herzens. Die myokardiale Sauerstoffversorgung wird ebenso verbessert wie die diastolische und systolische Funktion. Das Risiko für pulmonale Stauung, Herzinsuffizienz und Arrhythmien wird vermindert.
„Empagliflozin hat zweifellos das Zeug dazu, Paradigmen und Leitlinien umzustürzen – aber kann es Metformin als Firstline-Antidiabetikum ersetzen?“, fragte Sattar.
Denn auch Metformin kann gute Argumente für sich verbuchen, erinnerte der Spezialist für Metabolische Medizin. Es senkt den Blutzucker mindestens ebenso effektiv wie jedes andere orale Antidiabetikum, ohne Hypoglykämien oder Gewichtszunahme zu erzeugen – Patienten nehmen nicht selten sogar ab.
Die gastrointestinalen Nebenwirkungen verschwinden in der Regel nach einigen Wochen und treten bei modernen langsam freisetzenden Formulierungen auch seltener auf. Bedingt entschärft wurden zudem die Bedenken wegen des erhöhten Laktatazidose-Risikos bei eingeschränkter Nierenfunktion, so dass Metformin jetzt in reduzierter Dosis bis zu einer geschätzten GFR von 30 ml/min gegeben werden kann.
Metformin-Benefit überdauert zehn Jahre nach Studienende
Auch Metformin kann auf eine Reduktion von Myokardinfarkten verweisen, die in der UKPDS-Studie gezeigt wurde, erinnerte Sattar. Ein Schönheitsfehler aus heutiger Sicht ist dabei die kleine Patienten- und Fallzahl: Bei 342 Patienten wurden 39 Ereignisse registriert, signifikant weniger als unter konventioneller Therapie ohne Metformin (p = 0,01).
Außerdem stammt UKPDS aus der Prä-Statin-Ära, als die Myokardinfarktraten bei Diabetikern noch deutlich höher waren. Dafür gibt es aber Langzeitdaten, die zeigen, dass der Benefit nach Studienende mindestens 10 Jahre unverändert erhalten blieb.
Zum kardiovaskulären Benefit von Metformin trägt möglicherweise die Tatsache bei, dass es den GLP-1-Spiegel steigert. Die positiven Wirkungen dieses Inkretins zeigten sich in der LEADER-Studie, in der das GLP-1-Analogon Liraglutid die kardiovaskuläre Sterblichkeit signifikant um 22 Prozent gesenkt hat (p = 0,007).
Was bleibt als Bilanz, wenn man das Traditions-Antidiabetikum und den Newcomer direkt gegenüberstellt? Das Hypo-Risiko ist bei beiden sehr gering, beide führen zum Gewichtsverlust, der allerdings bei Empagliflozin im Schnitt deutlich größer ausfällt. Außerdem senkt der SGLT2-Inhibitor auch den Blutdruck. Gastrointestinale Nebenwirkungen können den Einsatz von Metformin limitieren, Genitalinfektionen den von Empagliflozin.
38% weniger kardiovaskuläre Todesfälle unter Empagliflozin in der Sekundärprävention stehen gegen 39% weniger unter Metformin in der Primärprävention. Für das Biguanid sprechen außerdem die langjährige Erfahrung damit und nicht zuletzt der unschlagbar niedrige Preis.
Bei manchen Patienten mag sich übrigens auch anbieten, sofort eine Kombination der beiden Wirkstoffe zu geben, meinte Sattar. „Bis auf weiteres sehe ich Metformin noch als erste Wahl für die Mehrheit der Typ-2-Patienten, auch wenn sich das im Licht neuer Evidenz ändern mag“, so der Experte.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Nach EMPA-REG OUTCOME: Wird Empagliflozin den Standard Metformin als Firstline-Antidiabetikum entthronen? - Medscape - 2. Sep 2016.
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