Rom – Die Theorie klingt vielversprechend: Implantierbare elektronische Geräte für Herzpatienten sammeln Daten, die dem Kardiologen oder dem Herzteam übermittelt werden. Schnelle, gezielte und individuelle Therapieanpassungen sind möglich und verbessern das Outcome. Doch die Realität sieht zu mindestens für Menschen mit Herzinsuffizienz anders aus: 2 großen Studien, die beim ESC-Kongress in Rom vorgestellt wurden, fanden bei Patienten unter Telemonitoring nicht weniger kardiale Ereignisse als sonst [1]. Immerhin werden Arzttermine und Kosten eingespart.
REM-HF: Tod oder ungeplanter Krankenhausaufenthalt bei zwei von fünf Patienten
In beide Studien waren Patienten mit „systolischer“ Herzinsuffizienz, also Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) eingeschlossen. So nahmen an der unabhängig geförderten REM-HF-Studie (REmote Management of Heart Failure Using Implantable Electronic Devices), der größten ihrer Art, 1.650 HFrEF-Patienten aus 9 britischen Zentren teil. Studienleiter Prof. Dr. Martin R. Cowie, London, stellte die Daten vor.
Voraussetzung für die Studienteilnahme war, dass die Patienten ein Gerät zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) mit oder ohne zusätzlichen Schrittmacher (CRT-P) oder Defibrillator (CRT-D) trugen oder zumindest einen implantierbaren Defibrillator (ICD) hatten. Die Aufzeichnungen dieser Geräte wurden bei 824 Patienten wöchentlich an das Herzteam gesendet. Bei den übrigen 826 Patienten dagegen nicht: Ihre Daten wurden routinemäßig in größeren Abständen kontrolliert, meist alle 3 bis 6 Monate.
Der primäre Endpunkt umfasste den Tod jeglicher Ursache sowie ungeplante Herz-Kreislauf-bedingte Krankenhausaufenthalte. In einer mittleren Beobachtungszeit von 2,8 Jahren trat bei 42,4% der Patienten unter wöchentlichem Telemonitoring („Remote-Gruppe“) versus 40,8% der Patienten unter Standardbehandlung eines dieser Ereignisse ein. Es zeigte sich also kein Vorteil der engmaschigen Fernüberwachung. Auch bei den sekundären Endpunkten fanden sich keine signifikanten Unterschiede.
Eine intensive Subgruppenauswertung nach Alter, Geschlecht, NYHA-Klasse, Art des Herzunterstützungsgerätes und Krankengeschichte (koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern) half ebenfalls nicht weiter: In keinem Kollektiv konnte das Telemonitoring die Endpunkte reduzieren.
MORE-CARE: Ähnliche Endpunkte, ähnliches Ergebnis
Der Name der internationalen, unter italienischer Leitung stehenden MORE-CARE-Studie ist eigentlich irreführend: Denn in MORE-CARE ging es gerade nicht um „mehr Pflege“, sondern um weniger Stress für die Patienten durch weniger Arzttermine bei gleichbleibender Versorgungsqualität. Die Forscher um Prof. Dr. Guiseppe Boriani, Modena, untersuchten, ob man einige Termine, die sonst in der Arztpraxis stattfinden, durch Telemonitoring ersetzen könnte.
MORE-CARE steht für MOnitoring Resynchronization dEvices and CARdiac patiEnts; die Studie wurde von Medtronic gefördert. Es wurden Patienten mit CRT-D eingeschlossen. Statt der geplanten 1.700 Teilnehmer konnten nur 917 für die Studie gewonnen werden. Sie wurden in 2 Gruppen randomisiert. Das Zeitintervall der Untersuchungstermine war für beide Gruppen weit gesteckt: Während die Patienten der Kontrollgruppe alle 4 Monate das Herzzentrum aufsuchten, taten die Patienten der interventionellen Gruppe das nur alle 8 Monate. Dazwischen (in den Monaten, 4, 12 usw.) erfolgte bei ihnen jeweils eine Fernmonitoring-Auswertung anstelle eines Praxisbesuchs.
Der primäre Studienendpunkt umfasste Tod oder Krankenhauseinweisungen aus kardiovaskulärer oder gerätebedingter Ursache. Derartige Ereignisse traten im Laufe von 2 Jahren bei 29,7% vs. 28,7% der Patienten auf. Auch in MORE-CARE gab es also keinen Unterschied im Outcome zwischen Telemonitoring- und Kontrollgruppe.
Mit etwas gutem Willen kann das aber auch positiv bewertet werden: Diejenigen Patienten, die deutlich seltener zum Arzt gingen und stattdessen ihre Daten übermittelten, schnitten nicht besser ab als die Vergleichspatienten mit Standardbehandlung – aber eben auch nicht schlechter. „Die Patientensicherheit wurde durch das Telemonitoring nicht beeinträchtigt“, erklärte Boriani bei einer Hotline-Pressekonferenz.
Als Vorteile des Telemonitorings nannte er vor allem „die Überwachung des Devices und die frühzeitige Entdeckung von asymptomatischem Vorhofflimmern, das ja bei einigen dieser Patienten auftritt“. Die Mortalität war nach Borianis Angaben mit 4% pro Jahr bei den HFrEF-Patienten in dieser Studie bereits relativ niedrig, er kommentierte: „Es ist schwierig, dem Nutzen, den CRT-D-Responder ohnehin schon von ihrer Behandlung haben, noch irgendetwas hinzuzufügen.“
Telemonitoring: Mehr Maßnahmen oder mehr Gelassenheit, mehr oder weniger Kosten?
Ob das Telemonitoring Kosten spart oder sie sogar steigert, hängt sicherlich davon ab, wie man mit den gewonnenen Daten umgeht. In der REM-HF-Studie wurden die zuständigen Betreuer („Monitore“) bei 72,5% der Patienten aktiv: Wegen verdächtiger Daten besprachen sie sich mit dem Arzt (bei 49,4% der Teilnehmer), riefen den Patienten an (62,9%) oder/und änderten selbsttätig die Medikation (16,2%). 15% der Patienten wurden aufgefordert, ihren Hausarzt zu besuchen und 13,7% sollten die Spezialklinik aufsuchen.
In der MORE-CARE-Studie dagegen nutzten die Telemonitoring-Patienten die Gesundheitsressourcen nicht öfter, sondern deutlich seltener. Insgesamt verzeichneten sie 41% weniger Arztbesuche als die Vergleichspatienten – ein signifikanter Unterschied. Nicht nur, dass sie – bedingt durch das Studiendesign – nur halb so oft einen Besuch im Herzzentrum einplanten, sie mussten auch seltener in die Notaufnahme. Die kardiovaskulär bedingten Gesundheitskosten konnten in diesem Studienarm um 38% verringert werden.
Da die Patienten durchschnittlich 52 km von ihrem Herzzentrum entfernt lebten, jeweils 50 Minuten für eine Fahrt brauchten in 2 Drittel der Fälle von einem Angehörigen begleitet wurden, kam ihnen der Wegfall einiger Termine vermutlich ebenfalls entgegen.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Telemonitoring bei Herzinsuffizienz: Nicht weniger kardiovaskuläre Ereignisse – wie steht es um Qualität und Kosten? - Medscape - 30. Aug 2016.
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