Die nicht-invasive Beatmung reduziert kardiovaskuläre Ereignisse nicht – oder war nur die Behandlungsdauer zu kurz?

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

30. August 2016

Rom – Entgegen allen Erwartungen senkt die nächtliche Beatmung mittels kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) bei Herz-Kreislauf-Patienten wohl nicht die Zahl kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse. Das jedenfalls sind die Ergebnisse der SAVE-Studie (Sleep Apnea cardioVascular Endpoints study), die beim ESC-Kongress in Rom vorgestellt wurden und parallel im New England Journal of Medicine erschienen sind [1;2]. Allerdings hatten die Patienten der aktiv behandelten Gruppe die Beatmungsmaske meist nur etwa die halbe Nacht getragen.

Kardiovaskuläre Endpunkte im Gesamtkollektiv nicht verbessert

 
Es gab keinen Effekt der CPAP-Therapie auf den primären oder einen der sekundären kardiovaskulären Endpunkte. Prof. Dr. Doug McEvoy
 

„Es gab keinen Effekt der CPAP-Therapie auf den primären oder einen der sekundären kardiovaskulären Endpunkte“, berichtete Studienleiter Prof. Dr. Doug McEvoy vom Institut für Schlafgesundheit in Adelaide, Australien, bei einer Hotline-Pressekonferenz auf dem Kongress.

Der primäre Endpunkt umfasste die Gesamtmortalität, nicht-tödliche Myokardinfarkte und Schlaganfälle sowie Klinikeinweisungen aufgrund von Herzinsuffizienz, akutem Koronarsyndrom oder transienter ischämischer Attacke. Er war nach einer mittleren Beobachtungszeit von 3,7 Jahren bei 17% der CPAP-Patienten eingetreten. Von den Kontrollpatienten, die nur eine Standardtherapie ihrer kardiovaskulären Grunderkrankung(en) erhalten hatten, erlitten 15,4% ein solches Ereignis. Hinsichtlich des primären Studienziels gab es also keinen signifikanten Vorteil für die Patienten der CPAP-Gruppe, obwohl sich der mittlere Wert im Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) bei ihnen von durchschnittlich 29 auf 3,7 Ereignisse pro Nacht verringert hatte.

 
Das kam für uns als Kardiologen überraschend; wir sind immer davon ausgegangen, dass eine Behandlung der Schlafapnoe eine Verbesserung der kardiovaskulären Prognose zur Folge hat. Prof. Dr. Stephan Gielen
 

„Das kam für uns als Kardiologen überraschend; wir sind immer davon ausgegangen, dass eine Behandlung der Schlafapnoe auch eine Verbesserung der kardiovaskulären Prognose zur Folge hat“, betonte Prof. Dr. Stephan Gielen, Chefarzt des Klinikums für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin Lippe in Detmold, im Gespräch mit Medscape. „Eventuell können spätere Studien mit einer größeren Teilnehmerzahl und einer etwas anderen Patientenselektion doch noch einen prognostisch günstigen Effekt zeigen“, hofft er.

Lebensqualität steigt aber an

Bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen nach einer möglichen Schlafapnoe zu suchen, sei aber weiterhin in jedem Falle sinnvoll, ergänzte Gielen: „Die Risikofaktoren für Schlafapnoe und koronare Herzerkrankung überschneiden sich, man denke etwa an Übergewicht oder Adipositas und an das Rauchen.“

Er stellte zudem klar, dass die Studie nur in Bezug auf die kardiovaskulären Endpunkte neutral war: „Hinsichtlich der Lebensqualität und der schlafapnoe-abhängigen Tagessymptome wie Einschlafneigung schnitten die mit CPAP behandelten Studienteilnehmer besser ab. Und das ist es, was die Patienten vorrangig interessiert.“ Neben der Tagesmüdigkeit waren auch das Schnarchen und depressive Verstimmungen bei den CPAP-therapierten Patienten reduziert, und berufstätige Teilnehmer des CPAP-Studienarms fehlten seltener bei der Arbeit als die Vergleichspatienten im Kontrollarm.

Zeitpunkt und Dauer der Behandlung entscheidend?

 
Hinsichtlich der Lebensqualität und der schlafapnoe-abhängigen Tagessymptome wie Einschlafneigung schnitten die mit CPAP behandelten Studienteilnehmer besser ab. Prof. Dr. Stephan Gielen
 

Insgesamt 2.717 Patienten aus 89 Zentren in 7 Ländern nahmen an der SAVE-Studie teil. Alle hatten eine kardiovaskuläre oder zerebrovaskuläre Grunderkrankung und eine moderate bis schwere obstruktive Schlafapnoe (OSA). Im Verhältnis 1:1 waren sie einer Behandlung mit CPAP und Standardtherapie versus alleinige Standardtherapie zugeteilt.

Ein einwöchiger Test mit einer Maske ohne Überdruck, der der eigentlichen Studie vorgeschaltet war, sollte ein Mindestmaß an Therapieadhärenz sicherstellen: Nur wer das Gerät in dieser Zeit wenigstens 3 Stunden pro Nacht nutzte, konnte an der SAVE-Studie teilnehmen.

In dieser Testphase lag die Behandlungsdauer noch bei durchschnittlich 5,2 Stunden pro Nacht. Sie reduzierte sich in der CPAP-Gruppe auf durchschnittlich 4,4 Stunden im ersten Studienmonat, 3,5 Stunden nach einem Jahr und 3,3 Stunden zum Studienende. Das war dann wohl nicht einmal mehr die Hälfte der täglichen Schlafdauer.

Womöglich war das einfach zu wenig, meinten Prof. Dr. Babak Mokhlesi, Chicago, und PD Dr. Najib T. Ayas, Vancouver, in ihrem Editorial [3]. Diese These wird durch eine Subgruppenanalyse unterstützt: Bei den 561 Patienten (42%), die es über die gesamte Studiendauer schafften, die CPAP-Maske für mindestens 4 Stunden pro Nacht zu tragen, war durchaus ein Trend zur Verbesserung des kardiovaskulären Endpunkts erkennbar; er war nicht-signifikant um 20% reduziert. Die Zahl zerebrovaskulärer Ereignisse war bei diesen Patienten sogar halbiert, dies war ein signifikanter Vorteil, wie Mokhlesi und Ayas betonten.

 
Die Motivation der Patienten, die Therapie die ganze Nacht über anzuwenden, ist die größte Herausforderung in diesem Bereich. Prof. Dr. Doug McEvoy
 

Praktische Probleme noch nicht gelöst

„Die Motivation der Patienten, die Therapie die ganze Nacht über anzuwenden, ist die größte Herausforderung in diesem Bereich“, räumte McEvoy in der Pressekonferenz auf Nachfrage von Medscape ein. „Wenn sie es jedoch tun, so bringt ihnen das wichtige Vorteile.“

Vorteilhaft könnte es außerdem sein, die Maske – wenn schon nicht die ganze Nacht – eher in der zweiten Nachthälfte zu tragen, wenn mehr REM-Schlaf auftritt. Denn der REM-Schlaf ist „anfälliger“ für OSA-bedingte (und mit CPAP womöglich vermeidbare) Atemaussetzer. Auch das bestätigte McEvoy und erklärte: „Zeitpunkt und Zeitdauer der CPAP-Therapie spielen wohl eine Rolle, etwa für den Bluthochdruck.“ Wie eine solche verzögerte Behandlung mit der Atemmaske praktisch funktionieren soll, dafür gibt es aber noch keine Vorschläge.

 

REFERENZEN:

  1. European Society of Cardiology (ESC) Congress, 27. bis 31. August 2016, Rom (Italien)

  2. McEvoy RD, et al: NEJM (online) 28. August 2016

  3. Mokhlesi B, et al: NEJM (online) 28. August 2016

 

Kommentar

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