Beim borderline-resektablen Pankreaskarzinom sind neoadjuvante Therapiekonzepte ein vielversprechender Ansatz zum Downsizing des Tumors. Eine im Journal of Surgical Oncology veröffentliche retrospektive Studie von Dr. Sunhee Kim und Kollegen an der University of California in San Francisco liefert neue Hinweise, dass die Vorbehandlung mit FOLFIRINOX die R0-Resektionsrate erheblich steigern kann [1].

Prof. Dr. Uwe Martens
„Eine neoadjuvante Therapie ist bei Borderline-Resektabilität auf jeden Fall sinnvoll, da eine R1-Resektion den Patienten keinerlei Überlebensvorteil bietet“, bestätigt auch Prof. Dr. Uwe Martens, Klinikdirektor der Medizinischen Klinik III und Vorstand des Tumorzentrums an den SLK-Kliniken Heilbronn. In der Vergangenheit kamen vor allem Gemcitabin-basierte Radiochemotherapie-Protokolle zum Einsatz. Inzwischen ruhen die Hoffnungen vermehrt auf den neuen intensiven Kombinations-Chemotherapien, die ihr Potenzial schon in der palliativen Situation unter Beweis gestellt haben.
Hohe R0-Resektionsrate mit FOLFIRINOX
In ihrer Studie analysierten die Autoren retrospektiv die Daten von 26 Patienten, bei denen initial die Diagnose eines borderline-resektablen Pankreaskarzinoms (BRPC) gestellt wurde und die wegen fraglicher R0-Resektabilität erst nach neoadjuvanter Vorbehandlung operiert wurden. Von diesen erhielten 22 Patienten eine alleinige Chemotherapie nach dem FOLFIRINOX-Protokoll (Fluoruracil, Folinsäure, Irinotecan und Oxaliplatin), bei 4 Patienten wurde die Kombinationschemotherapie durch eine lokale Strahlentherapie ergänzt.
Dabei zeigte die Hälfte der Patienten im CT nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie – sowohl mit als auch ohne Strahlentherapie – eine signifikante Größenabnahme des Tumors, in einem Fall kam es sogar zu einer annähernd kompletten Remission. Bei 11 Patienten fand sich zumindest ein stabiler Befund. Lediglich 2 Patienten (7,7%) zeigten einen lokoregionären Progress, dennoch konnten beide noch mit kurativer Intention operiert werden.
Insgesamt wurde bei 24 der 26 Patienten (92,3%) durch die OP ein R0-Status erzielt, davon bei allen 4 Patienten in der mit FOLFIRINOX und anschließender Radiotherapie vorbehandelten Gruppe sowie 20 von 22 Patienten (90,9%) in der Gruppe, die neoadjuvant ausschließlich mit FOLFIRINOX behandelt wurde.
Eine Re-Evaluation der CT-Bilder vom Zeitpunkt der Diagnose ergab allerdings, dass gemäß den National Comprehensive Cancer Network (NCCN)-Kriterien letztlich nur bei 14 der 26 Patienten die initiale Einstufung als borderline-resektabel korrekt war. Bei 7 Patienten fanden sich Zeichen eines bereits lokal fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms (LAPC), bei 5 anderen Patienten lag eigentlich eine primäre Resektabilität vor.
„Die prätherapeutische Stadienzuordnung erfordert beim Pankreaskarzinom in der Tat viel Know-how und Erfahrung, weshalb die Diagnostik stets an einem zertifizierten Zentrum durchgeführt werden sollte“, bekräftigt auch Martens.
Alle in der Studie primär als resektabel einzustufenden Patienten konnten nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie auch R0-reseziert werden. Bei den Patienten mit einem BRPC lag die R0-Rate bei 92,3%, bei den Patienten mit einem LAPC bei 75%. Die Lymphknoten waren postoperativ bei rund 60% der Patienten negativ.
Die am häufigsten nach neoadjuvanter Vorbehandlung diagnostizierten TNM-Stadien waren ypT3N0 (36.4%), ypT3N1 (18.2%) und ypT1N1 (18.2%). Rund 40% der Patienten erhielten nach der Operation zusätzlich noch eine adjuvante Therapie.
Das mediane Gesamtüberleben der allein mit FOLFIRINOX behandelten Patienten mit einem BRPC betrug 34,2 Monate, das der Patienten mit einem LAPC 15,6 Monate. Für Patienten mit einem initial resektablen Pankreaskarzinom wurde das mediane Gesamtüberleben im Beobachtungszeitraum nicht erreicht.
Nach einem medianen Follow-up von 27.6 Monaten fand sich bei 8 der 22 Patienten (36.4%) ein Rezidiv – bei 7 davon einhergehend mit Fernmetastasen. Das mediane erkrankungsfreie Überleben betrug 22,6 Monate.
Die Patienten, die zusätzlich zu FOLFIRINOX auch noch lokal bestrahlt wurden, schienen dabei hinsichtlich des Überlebens keine weiteren Vorteile zu haben. Keine Aussagen machte die Studie zur Ansprech- bzw. Konversionsrate, da nur Fälle mit chirurgischer Resektion nach neoadjuvanter Vorbehandlung betrachtet wurden.
Ergebnisse müssen erst noch in randomisierten Studien bestätigt werden
„Auch wenn die Patientenzahlen in dieser Studie für belastbare Aussagen natürlich viel zu gering sind, so sind das trotzdem ansprechende Ergebnisse, die weitgehend mit den bisher publizierten Daten übereinstimmen“, erklärt Martens. So wurde für FOLFIRINOX – in der Regel in Kombination mit einer Radiochemotherapie – zuvor bereits in der Neoadjuvanz R0-Resektionsraten von bis zu 93% erzielt, wie eine Studie Matthew Katz und Kollegen und eine in Pancreas publizierte Meta-Analyse zeigen konnten.
Die R0-Resektion ist beim Pankreaskarzinom bislang die einzige Therapieoption, mit der zumindest bei einem Teil der Patienten ein Langzeitüberleben erreicht werden kann. „Aufgrund der frühen Metastasierungskompetenz des Pankreaskarzinoms ist die neoadjuvante Vorbehandlung allerdings auch aus tumorbiologischer Sicht eine sinnvolle Option, da eventuell vorhandene Mikrometastasen gleich mitbehandelt werden“, so Martens.
Es gibt Hinweise aus anderen Studien, dass das Überleben der Patienten, die nach neoadjuvanter Vorbehandlung reseziert wurden, vergleichbar ist mit dem von Patienten mit einem initial resektablen Tumor. Allerdings sind fast alle bisherigen Studien retrospektiv und wegen zum Teil uneinheitlicher Definitionen auch nur eingeschränkt miteinander vergleichbar. Entsprechend stellt die aktuelle deutsche S3-Leitlinie fest, dass bei BRPC und LAPC ein sequenzielles Behandlungskonzept bestehend aus Chemotherapie und Strahlenchemotherapie durchgeführt werden kann.
Ob die neoadjuvante Therapie mit FOLFIRINOX der primären chirurgischen Resektion bzw. anderen bisher eingesetzter Kombinations-Chemotherapien wie beispielsweise Gemcitabin/Oxaliplatin oder Gemcitabin/nab-Paclitaxel (alleine oder in Kombination mit einer Radiochemotherapie) tatsächlich überlegen ist, muss jetzt in randomisierten kontrollierten Studien erst noch bestätigt werden.
Aktuell laufen hierzu gleich mehrere multizentrische Studien – darunter die ESPAC-5f und die NEOLAP-Studie der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO). Letztere wird auch in Martens Klinik am Tumorzentrum Heilbronn-Franken angeboten und vergleicht die neoadjuvante Gabe von Gemcitbin/nab-Paclitaxel alleine bzw. in Kombination mit FOLFIRINOX hinsichtlich Konversions- und R0-Resektionsrate.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Inoperables Pankreaskarzinom: FOLFIRINOX-Protokoll macht Tumor resektabel – ein hoffnungsvoller Ansatz? - Medscape - 24. Aug 2016.
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